
stellt einen kleinen Nervenknoten dar, welcher vorn oben über
dem Kiemenkorbe liegt (Fig. 14 m). Er entspricht dem sogenannten
„oberen Schlundknoten“ oder dem „Urhirn“ anderer Würmer.
Besondere Sinnesorgane fehlen entweder ganz oder sind nur in
höchst einfacher Form vorhanden, als einfache Augenflecke und
Tastwarzen oder Tentakeln, welche die Mundöffnung umgeben
(Fig. 14 au Augen), - Das Muskelsystem ist sehr schwach und unregelmäßig
entwickelt. Unmittelbar unter der dünnen Lederhaut
und mit ihr innig verbunden findet sich ein dünner Hautmuskelschlauch,
wie bei niederen Würmern. Hingegen besitzt die Ascidie
ein zentralisiertes Herz, und sie erscheint in diesem Punkte höher
organisiert als der Amphioxus. Auf der Bauchseite des Darmes',
ziemlich weit-hinter dem Kiemenkorbe, Hegt ein spindelförmiges
He rz (Fig. 14 hz). Dasselbe besitzt bleibend dieselbe einfache
Schlauchform, welche die erste Anlage des Herzens bei den Wirbeltieren
vorübergehend darsteHt (vergl. das Herz des menschlichen
Embryo, Fig. 22g c, S. 414). Dieses einfache Herz der Ascidie
zeigt uns aber eine wunderbare EigentümHchkeit. Es zieht sich
nämlich in wechselnder Richtung zusammen. Während sonst bei
allen Tieren die Pulsation des Herzens beständig in einer bestimmten
Richtung geschieht (und zwar meistens in der Richtung von hinten
nach vom), wechselt dieselbe bei der Ascidie in entgegengesetzter
Richtung ab. Erst zieht sich das Herz in der Richtung von hinten
nach vorn zusammen, steht dann nach einer Minute still’, und beginnt
die entgegengesetzte Pulsation, indem es jetzt das Blut von
vom nach hinten austreibt; die beiden großen Gefäße, welche von
den beiden Enden des Herzens ausgehen, sind also abwechselnd
als Arterie, und als Vene tätig. Das ist eine EigentümHchkeit,
welche bloß den Tunicaten zukommt.
Von den übrigen wichtigen Organen sind noch die Geschlechtsdrüsen
zu erwähnen, welche ganz hinten in der Leibeshöhle Hegen.
Die Ascidien sind sämtHch Zwi t t e r oder Hermaphroditen. Jedes
Individuum besitzt eine männHche und eine weibliche Drüse, und
ist also im stände, sich selbst zu befruchten. Die reifen Eier
(Fig. 256 6) fallen direkt aus dem Eierstock (6) in die Mantelhöhle.
Das männHche Sperma hingegen wird aus dem Hoden (t) durch
einen besonderen Samenleiter (vd) in dieselbe Höhle übergeführt.
Hier geschieht die Befruchtung, und hier findet man bei vielen
Ascidien schon entwickelte Embryonen (Taf. XIX, Fig. 14 z).
Letztere werden dann mit dem Atemwasser durch die Kloakenmündung
(q) entleert, also „lebendig“ geboren.
Viele Ascidien, namentHch von den kleineren Arten, vermehren
sich nicht nur durch geschlechtiiche Fortpflanzung, sondern auch
auf ungeschlechtlichem Wege durch Knospenbildung. Indem zahlreiche
solche durch Knospung entstandene Einzeltiere oder Personen
zeitlebens in enger Verbindung vereinigt bleiben, bilden sie
umfangreiche Stöcke oder Kormen, ähnHch den bekannten KoraHen-
stöcken. Unter diesen stockbildenden oder zusammengesetzten
Ascidien sind besonders diejenigen: Gattungen interessant, bei denen
der Stock aus vielen sternförmigen Personengruppen zierHch zusammengesetzt
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erscheint. Jede sternförmige Gruppe
besteht aus einer geringeren oder größeren Anzahl
von Personen, von denen zwar jede einzelne ihre
selbständige Organisation und eine besondere Mundöffnung
besitzt. Alle Personen zusammen haben
aber nur eine einzige gemeinsame Kiloakenöffnung,
welche sich im Mittelpunkte der sternförmigen
Gruppe befindet.
Wenn Sie jetzt nochmals auf die gesamte
Organisation der einfachen Ascidien (namentHch
Phallusia, Cynthia etc.) einen RückbHck werfen
und sie mit derjenigen des Amphioxus vergleichen,
so werden Sie finden, daß beide nur wenige
Berührungspunkte darbieten. Allerdings ist die
Fig 2C6. Organisation einer Ascidie (wie Fig. 255
und wie Fig. 14, Taf. X IX , von der linken Seite betrachtet),
sb Kiemensack, v Magen, i Dünndarm, c Herz, t Hoden, v d Samenleiter,
o Eierstock, o reife Eier in der Kiemenhöhle. Die beiden
kleinen Pfeile deuten den Eintritt und Austritt des "Wassers durch
die beiden Oeffnungen des Mantels an. Nach Milne-Ed-mards. ■
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entwickelte Ascidie in einigen sehr wichtigen Beziehungen ihres
inneren Baues, und vor aHem in der eigentümlichen Beschaffenheit
des Kiemenkorbes und Darmes, dem Amphioxus ähnHch.
Aber in den meisten, übrigen Organisationsverhältnissen erscheint
sie doch so weit entfernt und in der äußeren Erscheinung ihm so
unähnHch, daß erst durch die Erkenntnis ihrer Keimesgeschichte
die ganz nahe Verwandtschaft beider Tierformen offenbar werden
konnte. Wir werden nun zunächst die individueHe Entwickelung
der beiden Tiere vergleichend betrachten und dabei zu unserer
großen Ueberraschung finden, daß aus dem Ei des Amphioxus
dieselbe embryonale Tierform sieh entwickelt, wie aus dem Ei
der Ascidie: eine typische Chordula.