
Dagegen besitzen alle amerikanischen Affen noch einen Zahn
mehr in jeder Kieferhälfte, und zwar einen Lückenzahn. Sie haben
jederseits oben und unten 6 Backzähne, im ganzen 36 Zähne. Dieser
charakteristische Unterschied zwischen den Ostaffen und den Westaffen
hat sich so konstant innerhalb der beiden Gruppen vererbt,
daß er .für uns von größtem Werte ist. Allerdings scheint eine
kleine Familie von südamerikanischen Affen hier eine Ausnahme
zu machen. Die kleinen niedlichen S e idenä f f chen nämlich
(Arctopitheca oder Hapalida), wozu das Löwenäffchen (.Midas)
und das Pinseläffchen (Iacchus) gehören, besitzen nur 5 Backzähne
in jeder Kieferhälfte (statt 6) und scheinen demnach vielmehr den
Ostaffen zu gleichen. Allein bei genauerer Besichtigung zeigt
sich, daß sie 3 Lückenzähne haben, gleich allen Westaffen, und
daß nur der hinterste Mahlzahn verloren gegangen ist. Diese
scheinbare Ausnahme bestätigt demnach nur den Wert jener
systematischen Unterscheidung.
Unter den übrigen Merkmalen, durch welche sich die beiden
Hauptgruppen der Affen unterscheiden, ist von . besonderer Bedeutung
und am meisten hervortretend die Bildung der Nase.
Alle Affen der alten Welt haben dieselbe Bildung der Nase wie
der Mensch; nämlich eine verhältnismäßig schmale Scheidewand
der beiden Nasenhälften, so daß die Nasenlöcher nach unten stehen.
Bei einzelnen Ostaffen ist sogar die Nase so stark hervorspringend
und so charakteristisch geformt wie beim Menschen. Wir haben
in dieser Beziehung schon früher den merkwürdigen Nas ena f fen
hervorgehoben, der eine, schön gebogene lange Nase besitzt
(Taf. XXV). Die meisten Ostaffen haben freilich eine etwas platte
Nase, so z. B. die weißnasige Meerkatze (Fig. 330); doch bleibt
bei allen die Nasenscheidewand schmal und dünn. Alle amerikanischen
Affen hingegen besitzen eine andere Nasenbildung. Die
Nasenscheidewand ist hier nämlich unten eigentümlich verbreitert
und verdickt, die Nasenflügel sind nicht entwickelt, und infolgedessen
kommen die Nasenlöcher nicht nach unten, sondern nach
außen zu stehen. Auch dieser charakteristische Unterschied in
der Nasenbildung vererbt sich in beiden Gruppen so streng, (daß
man die Affen der neuen Welt deshalb Pla t tnasen (Platyrrhinae),
die Affen der alten Welt hingegen Schmalnasen (Catarrkinae)
genannt hat. Der knöche rne Geh ö r g an g (in dessen Grunde
das Trommelfell liegt) ist bei allen Plattnasen kurz und weit,
hingegen bei allen Schmalnasen lang und eng, ebenso wie beim
Menschen; auch dieser Unterschied ist von Bedeutung.
Die Einteilung der Affenordnung in die beiden Unterordnungen
der Platyrrhinen und Catarrhinen ist auf Grund der angeführten
streng erblichen Charaktere jetzt allgemein von den Zoologen angenommen
und erhält durch die geographische Verteilung der
beiden Gruppen auf die neue und alte Welt eine starke Stütze.
Für die Phylogenie der Affen folgt daraus aber unmittelbar der
wichtige Schluß, daß von der uralten gemeinsamen Stammform
der Affenordnung schon in sehr früher Tertiärzeit zwei divergierende
Linien ausgegangen sind, von denen sich die eine über die
neue, die andere über die alte Welt verbreitet hat. Unzweifelhaft
sind auf der einen Seite alle Platyrrhinen Nachkommen einer
gemeinsamen Stammform und ebenso auf der anderen Seite alle
Catarrhinen; die ersteren sind aber phylogenetisch älter und
zugleich als die Stammgruppe der letzteren zif “betrachten.
Was folgt nun hieraus für unseren eigenen Stammbaum? Der
Mensch besitzt genau dieselben Charaktere, dieselbe eigentümliche
Bildung des Gebisses, des Gehörganges und der Nase, wie alle
Catarrhinen; er unterscheidet sich dadurch ebenso durchgreifend
yon allen Platyrrhinen. Wir sind demnach gezwungen, im System
der Primaten dem Menschen seine Stellung unter den Ostaffen anzuweisen
oder ihn doch direkt an diese anzuschließen. Für unsere
Stammesgeschichte aber geht daraus hervor, daß der Mensch in
direkter Blutsverwandtschaft zu den Affen der alten Welt steht
und mit allen übrigen Catarrhinen von einer und derselben gemeinsamen
Stammform abzuleiten ist. D e r Mensch ist nach seiner
ganzen Organi sa t ion und nach seinem Ur sprüng e ein
echter Cat arrhin e; er ist innerhalb der alten Welt aus einer
unbekannten, ausgestorbenen Gruppe von Ostaffen, entstanden.
Hingegen bilden die Affen der neuen Welt oder die Platyrrhinen
einen älteren divergierenden Zweig unseres Stammbaums, und
dieser Zweig steht nur unten an seiner Wurzel zum Menschengeschlechte
in entfernteren genealogischen Beziehungen. Immerhin
muß man annehmen, daß die ältesten eocänen Affen das volle
Gebiß der Platyrrhinen besaßen; man kann diese Stammgruppe
daher als eine besondere (26.) Stufe unserer Ahnenreihe betrachten
und von ihnen als 27! Stufe die ältesten Catarrhinen ableiten.
Wir haben demnach jetzt unseren nächsten Verwandtschaftskreis
auf die kleine und verhältnismäßig wenig formenreiche Tiergruppe
reduziert, welche durch die Unterordnung der Gatar-
rhinen oder Os ta f fen dargestellt wird. Es würde nun schließlich
noch die Frage zu beantworten sein, welche Stellung dem