
Interessante kürzere Mitteilungen darüber hat Semon in seiner ausgezeichneten
Reisebeschreibung gegeben: „Im australischen Busch
und an den Küsten des Korallenmeeres“ (2. Äufl., Leipzig, 1903).
Ceratodus ist besonders wichtig wegen seines uralten Skelettbaues;
namentlich hat das knorpelige Skelett seiner beiden Flossenpaare
noch die ursprüngliche Bildung eines zweizeiligen (biserialen)
oder gefiederten Blattes beibehalten und ist deshalb von Gegenbaur
als Urflössenskelett (Archipterygium) besonders hervorgehoben
worden. Hingegen ist beim afrikanischen Lurchfisch (Protopterus)
und beim amerikanischen (Lepidosiren) das Skelett der beiden
Flossenpaare stark reduziert. Auch ist bei diesen modernen „Neulurchfischen“
(Neodipneusta) die Lunge doppelt vorhanden, wie
bei edlen übrigen luftatmenden Wirbeltieren; man hat sie daher als
„Doppellunger“ (Dipneumones) dem Ceratodus gegenübergestellt;
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Fig. 3 I 3- J u n g e r C e ra to du s , 6 Wochen nach dem Ausschlüpfen. . 4 Spiralklappe
des Darmes, b Anlage der Bauchflosse'. Nach R ichard Semon. "
dieser besitzt nur eine einzige unpaare Lunge (Monopneumones).
Gleichzeitig sind aber bei allen diesen Lungenfischen auch die
Kiemen als Wasseratmungsorgane gut entwickelt. Neben den
inneren Kiemen besitzt Protopterus außerdem noch äußere Kiemen.
Diejenigen paläozoischen Dipneusten , welche zu unseren
direkten Vorfahren gehörten und die verbindende Brücke von
den Schmelzfischen zu den Amphibien bildeten, werden zwar vielfach
von den drei Epigonen der Gegenwart verschieden gewesen
sein, in jenen wesentlichsten Eigentümlichkeiten aber doch mit
ihnen übereingestimmt haben. Diese Annahme wird bestätigt
durch viele interessante Tatsachen, die uns erst neuerdings durch
die früher unbekannte Keimesgeschichte des Ceratodus und Lepidosiren
erschlossen worden sind; sie geben uns wichtige Aufschlüsse
über die Stammesgeschichte der niederen Wirbeltiere und somit
auch unserer älteren Vorfahren im paläozoischen Zeitalter,
Dreissigst e Tabel le.
Uebersicht über die Unterschiede in der Organisation der vier
ältesten Wirbeltiergruppen.
[Sowohl in der Klasse der À cranier ( l, 2), als in der Klasse der Cyclostomen (3, 4)
sind die ursprünglichen Charaktere der hypothetischen Stammgruppe (1 und 3). gegenübergestellt
den abgeänderten Bildungen ihrer modernen Ueberreste (2 und 4).]
I. Acrania = Schädellose. 11. Cyclostoma = Kieferlose.
Cranium und Kiefer fehlen ganz. Perichorda
ohne Knorpelbogen. Epidermis
eine einfache Zellenschicht. Schlundrinne
permanent offen. Leber ein hohler
Blindsack.
Cranium knorpelig, ohne Kiefer. Perichorda
bildet metamere Knorpelbogen. Epidermis
mit mehreren . Zellenschichten. Schlundrinne
bildet eine Thyreoidea. Leber eine
kompakte Drüse.
1. Prospondylia. 2. Leptocardia. 3. Archicrania. 4 . M a r s ip o -
branchia.
U rw ir b e l t ie r e . L a n z e t t i e r e .
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U r s c h ä d e l t ie r e.
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R u 11 dm a u ltie r e .
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Hypothetische
Stammgruppe aller
Wirbeltiere (progressiver
Stamm).
Gehirn ein einfaches
kolbenförmiges Bläschen
(vordere Anschwellung
des Mark-
rohrs). .
Nasentrichter hinten!
in das Markrohr geöffnet
(permanenter
Neuroporus).
Moderner lebender
Ueberrest der Pro-
spondylien (regressiver
Zweig).
Gehirn rückgebildet
(in der embryonalen
Anlage bläschenförmig,
später verkümmernd).
Nasen trichter hinten
anfangs in das Markrohr
geöffnet, später
abgeschnürt.
Hypothetische
Stammgruppe aller
Schädeltiere (progressiver
Stamm)'.
Gehirn kolbenförmig,
anfangs ungeteilt,
später in drei Blasen
geteilt.
Moderner lebender
Ueberrest der Archi-
cranier (regressiver
Zweig).-
Gehirn mit drei primären
Nasengang hinten
gegen das Markrohr
abgeschlossen.
Blasen, die
später in fünf sekundäre
zerfallen,
Nasengang hinten geschlossen
(Petromy-
zonten) oder sekundär
in den Schlund geöffnet
(Myxinoiden).
Augen gut entwickelt. Augen rückgebildet
(Pigmentrudimente).
Augen gut entwickelt. Augen klein
rückgebildet.
oder
Hörbläschen einfach,
kugelig.
Hörbläschen ganz verloren
gegangen.
Hörbläschen einfach,
kugelig, ohne Ringkanäle.
Hörbläschen mit
einem oder zwei
Ringkanälen.
Schlundrinne (Endo-
styl) permanent, weit.
Kiemen ... zahlreich
(mindestens 8 bis
12 Paar Schlundspalten),
mit freien
äußeren Oeffnungen.
Herz spindelförmig,
einkammerig.
Leber ein medianer
unpaarer Blindsack.
Gonaden zahlreich in
metameren Paaren.
Schlundrinne (Endo-
styl) permanent, eng.
Kiemenspalten Sehr
zahlreich, in eine
Peribranchialhöhle
geöffnet.
Herz rückgebildet,
rohrförmig. •,
Leber ein rechtsseitiger
unpaarer Blindsack.
Gonaden zahlreich in
metameren Paaren.
Schlundrinne in die
Thyreoidea sich umbildend.
Kiemen 8 bis 12 Paar
Taschen (oder mehr),
mit freien äußeren
Oeffnungen.
Schlundrinne in die
Thyreoidea verwandelt.
Kiemen 6 bis 14 Paar
Beutel, mit freien
(getrennten oder vereinigten)
Herz mit Kammer
und Vorkammer.
Leber kompakt, zwei
symmetrische Lappen
bildend.
Gonaden mehrfach
oder zu einem Paarei
verschmolzen ?
Oeffnungen.
Herz mit Kammer
und Vorkammer.
Leber kompakt, zwei
ungleiche Lappen
bildend.
Gonaden zu einer un-
paaren Masse verschmolzen.