
Während der Trias- und Juraperiode ist die Unterklasse der
Monotremen durch viele und mannigfaltig gestaltete Stammsäuger
vertreten gewesen. Zahlreiche fossile Ueberreste derselben sind
neuerdings in den mesozoischen Formationen von Europa, Afrika
und Amerika gefunden worden. Heutzutage leben von derselben
nur noch zwei letzte, vereinzelte Ueberbleibsel, die wir in der
Familie der S ch nabe l t i e r e (Ornithostoma) zusammenfassen.
Beide Schnabeltiere sind auf Neuholland und die nahe gelegene
Insel Vandiemensland (oder Tasmanien) beschränkt; beide werden
alljährlich seltener und werden bald, gleich ihren sämtlichen Blutsverwandten,
zu den ausgestorbenen Tiefen unseres Erdballs gehören.
Die eine Form lebt schwimmend in Flüssen und baut sich
unterirdische Wohnungen am Ufer derselben; das ist das bekannte
Wasserschnabeltier (Ornithorhynchus paradoxus), mit Schwimmhäuten
an den Füßen, einem dichten, weichen Pelz und breiten,
platten Kiefern, die einem Entenschnabel sehr ähnlich sehen
(Fig. 323, 324). Die andere Form, das Landschnabeltier oder der
Gabeligel (Echidna hystrix), hat in der Lebensweise und in der
charakteristischen Bildung des dünnen Rüssels und der sehr langen
Zunge viel Aehnlichkeit mit den Ameisenfressern; sie ist mit
Stacheln bedeckt und kann sich zusammenkugeln, wie ein Igel..
Eine verwandte Form (Parechidna Bruynt) ist neuerdings in Neu-
Guineä gefunden worden.
Diese modernen Ornithostomen, die noch heute lebenden
Schnabeltiere, sind als vereinzelte letzte Ueberreste jener formenreichen
mesozoischen Monotremen zu betrachten; sie besitzen daher
für die Stammesgeschichte der Säugetiere eine, ähnliche hohe Bedeutung,
wie die einzigen lebenden Stammreptilien (Hatteria) für
diejenigen der Reptilien, und wie die isoliert stehenden Acranier
(.Amphioxus) für die Phylogenie des ganzen Wirbeltierstammes.
Es war daher ein sehr wünschenswertes und sehr dankbares Unternehmen,
daß Professor Richard Semon zwei Jahre/(1891 und 1892)
in dem einsamen Busche von Ostaustralien zubrachte, um die Biologie
dieser „lebenden Fossile“, und namentlich ihre noch unbekannte
Keimesgeschichte eingehend zu studieren. Die wertvollen
Ergebnisse dieser mühsamen Forschungen sind in seinem großen
Werke: „Zoologische Forschungsreisen in Australien und dem
Malayischen Archipel“ niedergelegt; das Wichtigste darüber ist in
seiner ausgezeichneten populären Reisebeschreibung mitgeteilt:
„Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres“
(Leipzig, 1896, II. Auflage 1903).
Die australischen Schnabeltiere fallen äußerlich durch einen
zahnlosen vogelähnlichen Schnabel auf. Dieser Mangel an echten
knöchernen Zähnen ist ebenso wie bei den placentalen Zahnlosen
(.Edentata, Schuppentieren und Ameisenfressern) als ein spät erworbener
Anpassungs-Charakter zu betrachten. Hingegen waren
die älteren ausgestorbenen Monotremen, zu denen auch die Promammalien,
die Stammformen der ganzen Säugetierklasse, gehörten,
mit einem entwickelten, von den Reptilien ererbten Gebiß
versehen gewesen. Die alten fleischfressenden Pantother ien
(Tricuspidata) besaßen ein vollständiges Raubtiergebiß, mit einfachen
Schneidezähnen, kegelförmigen Eckzähnen und drei-
spitzigen Backzähnen; die beiden Familien der Dromatherien
und der Triconodonten (Fig. 325). Dagegen war das Gebiß der
pflanzenfressenden Al l otherien (Multituberculata) unvollständig,
die nagerähnlichen Schneidezähne sind hier durch eine weite
Lücke von den großen Backzähnen getrennt, die zwei oder drei
Längsreihen von Höckern tragen. Neuerdings sind auch bei den
Jungen-von Ornithorhynchus, der statt der echten Zähne hinfällige
Hornplätten auf den Kiefern trägt, unter den letzteren versteckt
kleine Rudimente von echten Backzähnen entdeckt worden. Dieselben
besitzen ähnliche Gestalt, wie diejenigen einiger Multi-
tubefculata, welche in den obersten Schichten des Keupers in
Württemberg _und in England gefunden worden sind (Microlestes
antiquus). Andere, mehr spezialisierte Zähne solcher Allotherien
finden sich fossil in Jura und Kreide (Bolodon, Plagiaulax).
Als zwei verschiedene und weit divergierende Descendenz-
linien der Ursäuger oder Promammalien sind einerseits die heute
noch lebenden Schnabeltiere, anderseits die Stammformen der
Beut e l t ie r e (Marsupialia oder Didelphia) zu betrachten. Diese
zweite Unterklasse der Säugetiere ist von hohem Interesse, als
eine vollkommene Zwischenstufe zwischen den beiden anderen.
Während die Beuteltiere einerseits noch einen großen Teil von
. den Eigentümlichkeiten der Monotremen beibehalten, haben sie
anderseits schon wichtige Merkmale der Placentaltiere erworben.
Einzelne Charaktere sind auch den Marsupiälien allein eigentümlich,
so namentlich die Bildung der männlichen und weiblichen
Geschlechtsorgane und die Form des Unterkiefers. Die Beuteltiere
zeichnen sich nämlich durch einen eigentümlichen hakenförmigen
Knochenfortsatz aus, welcher vom Winkel des .Unterkiefers
eingebogen nach innen vorspringt. Da die meisten Placen-
talien diesen Fortsatz nicht besitzen, so ist man im stände, an dieser