
Inhalt des dreiundzwanzigsten Vortrages.
Organisation und Stammeseinlieit der Placentaltiere. Bedeutung der Placenta oder
des Gefäßkuchens. Ihre Entstehung aus der Allantois. Mutterkuchen und Fruchtkuchen
(uterine und fötale Placenta). Bildung der Decidua oder Hinfallhaut. Verschiedene
Formen der Placenta und ihre systematische Bedeutung. Indedduen und
Deciduaten. Malloplacenta, Cotyloplacenta, Zonoplacenta, Discoplacenta. Die Scheiben-
placenta des Menschen (mit Deddua capsularis und Bauchstiel) besitzen außerdem nur
noch die Menschenaffen. Einteilung der Primatenlegion in drei Ordnungen: Halbaffen,
Affen und Menschen. Die alte Stammgruppe der Halbaffen oder Lemuren. Lemur-
aviden (Altlemuren) und Lemurogonen (Neulemuren). Abstammung des Menschen vom
Affen. Huxleysches Gesetz: Die Unterschiede in der Körperbildung des Menschen
und der Menschenaffen sind geringer als diejenigen zwischen den Menschenaffen und
den übrigen Affen. Die besondere Bildung der Placenta und ihres Bauchstiels beim
Menschen findet sich außerdem nur bei den Menschenaffen. Zweihänder und Vierhänder.
Westaffen (Platyrrhinen) und Ostaffen (Catarrhinen). Gebiß der Affen.
Schwanzaffen und Menschenaffen. Sprachlose Urmenschen.
Literatur :
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Hermann Klaatsch, igo2. Entstehung und Entw ickelung des Menschengeschlechtes.
Meine Herren!
D ie lange Reihe von verschiedenen Tierformen, die wir als
Vorfahren unseres Geschlechtes zu betrachten haben, ist im Laufe
unserer phylogenetischen Untersuchung auf immer engere Kreise
eingeschränkt worden. Wie die große Mehrzahl aller bekannten
Tierklagsen nicht in die Descendenzlinie unserer Ahnen gehört, so
kann auch innerhalb des Wirbeltierstammes nur eine geringe Zahl
dazu gerechnet werden. Auch in der höchstentwickelten Klasse
dieses Stammes, unter den Säugetieren, sind nur einzelne Familien
als'Angehörige unserer direkten Stammlinie zu betrachten. Die
wichtigsten von ihnen sind die Af f e n und ihre Vorläufer, die
Halbaffen, sowie die ältesten Pla c enta l t ie r e (Prochoriata).
Sämtliche Placentalien oder Zot tent ie r e (auch Choriata,
Monodelphia, Eutheria oder Epitheria genannt) unterscheiden
sich von den vorher betrachteten beiden niederen Abteilungen der
Säugetiere, von den Monotremen und Marsupialien, durch eine
Anzahl von hervorragenden Eigentümlichkeiten. Alle diese Charaktere
besitzt auch der Mensch, und das ist eine Tatsache von
der größten Bedeutung. Denn wir können auf Grund der genauesten
vergleichend-anatomischen und ontogenetischen Untersuchungen
den unwiderleglichen Satz aufstellen: „Der Mensch
i st in jeder Be z iehung ein echte s Pla c enta l t i e r , er
besitzt alle die Eigentümlichkeiten im Körperbau und in der
Entwickelung, durch welche sich die Placentalien sowohl vor den
beiden niederen Abteilungen der Säugetiere als auch zugleich vor
allen übrigen Tieren auszeichnen. Unter diesen charakteristischen
Eigentümlichkeiten ist besonders die höhere Entwickelung des
Gehirns, des Seelenorgans hervorzuheben. Namentlich entwickelt
sich das Vorderhirn oder das Großhirn bei ihnen bedeutend höher
als bei den niederen Tieren. Der Hirnbalken oder Schwielenkörper
des Großhirns (Corpus callosum), welcher als breite
Querbrücke die beiden Halbkugeln des großen Gehirns miteinander