
X X V I . Entwickelung des Muskelsystems. 793
Wie verschieden auch die Extremitäten der vierfüßigen Schädeltiere
im ausgebildeten Zustande erscheinen, so entwickeln sich doch
alle aus derselben einfachen Grundlage (vergl. Taf. VIII—XIII,
S. 376); ƒ Vorderbein^, b Hinterbeine). Ueberall ist die erste Anlage
jeder Gliedmaße beim Embryo ein ganz einfaches Wärzchen
oder Höckerchen, welches aus der Seite des Bauchleibes oder Hyposoma
hervorwächst. Die Zehen, welche die Wärzchen zusammensetzen,
gehören zum Haut fa serbla t te . Die Oberfläche ist von
der Hornplatte überzogen, die an der Spitze der Höckerchen etwas
verdickt ist (Taf. VI, Fig. 8 x). Die beiden vorderen Wärzchen
erscheinen etwas früher als die beiden hinteren. Diese einfachen
Anlagen entwickeln sich bei den Fischen und Dipneusten durch
Differenzierung ihrer Zehen unmittelbar zu den Flossen. Bei den
höheren Wirbeltierklassen hingegen nimmt jedes der vier Wärzchen
beim weiteren Wachstum die Form einer gestielten Platte an,
indem' , die innere Hälfte schmäler und dicker, die' äußere breiter
und dünner wird. Darauf gliedert sich die innere Hälfte oder der
Stiel der Platte in zwei Abschnitte: Oberschenkel und Unterschenkel.
Sodann entstehen am freien Rande der Platte vier
seichte Einkerbungen, die allmählich tiefer werden: das sind die Einschnitte
zwischen den fünf Zehen (Fig. 185, S. 373)-• Letztere treten
bald -weiter hervor. Anfangs aber sind vorn sowohl als hinten alle
fünf Zehen noch durch eine dünne Bindehaut wie durch eine
Schwimmhaut verbunden; sie erinnern an die ursprüngliche Bestimmung
des Fußes zur Ruderflosse. Die weitere Entwickelung
der Gliedmaßen aus dieser einfachsten Anlage erfolgt bei allen
Wirbeltieren in der gleichen Weise nach Ve r e rbung sg e s e t z e .n,
und zwar dadurch, daß gewisse Gruppen von den Zellen des Hautfaserblattes
sich zu Bindegewebe, andere Gruppen zu Knorpeln
u. s. w. umbilden. Muskeln, Nerven und Blutgefäße wachsen als
periphere Knospen aus den zentralen Anlagen des Stammes
(Muskelplatten, Markrohr, Gefäßstämmen) in die Gliedmaßen hinein.
Gleich der Wirbelsäule und dem Schädel werden auch die Skelettteile
der Gliedmaßen zuerst aus weichen indifferenten Zellgruppen
des Haut fa s e rbla t t e s gebildet. Diese verwandeln sich später
■ in Kno rp e l , und aus diesen gehen erst in dritter Linie die
bleibenden Kno chen hervori“ ). _
Von nicht geringerem Interesse als die Entwickelungsgeschichte
des S k e l e t t s oder der pas s iven Bewegungswerkzeuge ist diejenige
der Muskeln oder der a kt iv en Lokomotiönsorgane.
Beide stehen in der engsten Wechselbeziehung oder Korrelation.