Inhalt des zwanzigsten Vortrages.
Entwickelung der Chordaea aus der Gastraea. Polyphyletische Abstammung der
gegliederten Tiere von ungegliederten. Gänzliche Verschiedenheit der Vertebration
der Wirbeltiere und der Artikulation der Gliedertiere. Unhaltbarkeit der Anneliden-
Hypothese (Abstammung der Wirbeltiere von den Gliedertieren). Begründung der
Chordonier-Hypothese (Abstammung der Wirbeltiere und Tunicaten von Prochordoniem,
ähnlich der Chordula). Aeltere Ahnen der Chprdonier aus den Gruppen der Coel-
enterien und Vermalien. Einachsige und dreiachsige Gastraeaden. Zweiseitige Grundform
der letzteren. Platoden-Ahnen: Urwürmer (Platodarien), Strudelwürmer (Turbellarien).
Ventrale Wanderung ihres Mundes. Urdarm. Gonaden. Umieren. Vermalien-Ahnen
(ungegliederte Wurmtiere). Gastrotrichen (Ichthydinen) mit Afterbildung. Schnurwürmer
(Nemertinen) mit Blutgefäßen und Blut. Enteropneusten (Balanoglossus) mit
Kiemendarm, Kiemenspalten und Schlundrinne. Ihre entfernte Verwandtschaft mit
den Chordoniem. Chordaea - Theorie. Hoher palingenetischer Wert der Chordula.
Progonotaxis des Menschen (Dreißig Stufen unserer Ahnenreihe).
Literatur :
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Ernst HaecTcel, 1896. Systematische Phylogenie der wirbellosen Tiere (Invertebrata).
Zw eiter T e il des E n tw u rfs einer systematischen Stammesgeschichte. K ap. IV :
Platodes ; K ap . V : Vermalia. B erlin .
Meine Herren!
Durch unsere Gastraeatheorie haben wir die feste Ueber-
zeugung gewonnen, - daß alle Metazoen oder einzelligen Tiere auf
eine gemeinsame Stammform, die Gastrcif!(i, zurückgefuhrt
werden können. Den sicheren Beweis dafür liefert nach dem
Biogenetischen Grundgesetze die Tatsache, daß die zweiblätterigen
Keime sämtlicher Metazoen auf eine gemeinsame ursprüngliche
Ke imfo rm, die Gastrula, zurückgefuhrt worden sind. Wie alle
die unzähligen und höchst mannigfaltigen Arten der Metazoen
sich tatsächlich aus der einfachen Keimform der Gas-trula onto-
gene t i s ch hervorbilden, so sind dieselben aus der gemeinsamen
Stammform der Ga s t raea phy log e i ie t i s ch abzuleiten. Mit
dieser klaren Erkenntnis, sowie mit der bereits sichergestellten
Einsicht, wié die Gastraea. äus der Hohlkugel der einblätterigen
Blastaea, und diese wiederum aus der ursprünglichen einzelligen
Stammform entstanden ist, haben wir die unerschütterliche, feste
Basis für unsere phylogenetischen Forschungen gewonnen. Der
klare Weg von der Stammzelle bis zur Gastrula — die Geschichte
(pij- G a s tr u 1 a t i o n bezeichnet somit zugleich den ersten .Abschnitt
unserer menschlichen Stammesgeschichte (VUL, IX. und
XIX. Vortrag).
Viel schwieriger und dunkler ist der zweite Abschnitt derselben,
welcher uns von der Gastraea zu den P ro c h o rd o n iem
führt. Unter dieser Bezeichnung begreifen wir jene uralten, längst
ausgestorbenen Metazoen, deren einstmalige Existenz durch die
bedeutungsvolle Ke imfo rm der 'Chordula klar erwiesen wird
(vergl. Fig. 86—89, S. 246). Diese Chordula oder der Urkeim der
Chordonier bildet einen bilateralen oder zweiseitig-symmetrischen
Tierkörper von höchst einfacher, ungegliederter Form: in der
Längsachse des Körpers liegt als Achsenskelett eine ganz einfache
Chorda, zwischen dem dorsalen Nervenrohr und dem ventralen