
Kiemenkorb gelegene Teil des Darmkanals verwandelt sich in den
Magen {mg) und bildet auf der rechten Seite eine unpaare taschenförmige
Ausstülpung, die sich zum Leberblindsack entwickelt (Ib).
Dieser verdauende Teil des Darmkanals ist von der engen Leibeshöhle
umschlossen.
In einem frühen Stadium der individuellen Entwickelung stimmt
der Körperbau der Amphioxuslarve wesentlich noch mit dem
idealen Bilde überein, welches wir uns früher vom „Urwirbeltier“
entworfen haben (Fig.Goi— 105, S. 270).. Späterhin erleidet der
Körper aber verschiedene Veränderungen, besonders im vorderen
Teile. Diese Umbildungen sind für uns hier von keinem Interesse, da
sie auf speziellen Anpassungsverhältnissen beruhen und den erblichen
Wirbeltiertypus nicht berühren. Wenn die freischwimmende
Larve des Amphioxus drei Monate alt ist, gibt sie ihre pelagische
Lebensweise auf und verwandelt sich in das junge, im Sande
lebende Tier. Trotz seiner geringen Größe (von nur 3 Millimeter)
besitzt dasselbe im wesentlichen schon den Bau des Erwachsenen.
Von den übrigen Körperteilen des Amphioxus. hätten wir nur
noch zu erwähnen, daß sich die Gonaden oder Geschlechtsdrüsen
erst sehr spät entwickeln, und zwar unmittelbar aus dem inneren
Zellenbelag der Leibeshöhle, aus dem Coelomepithel. Obgleich in
den Seitenwänden der Mantelhöhle, in den Kiemendecken oder
Mantellappen (Fig. 275 U), späterhin keine Fortsetzung der Leibeshöhle
mehr zu bemerken (Fig. 251 U), so ist.eine solche dennoch
anfänglich vorhanden (Fig. 275 LK). Unten im Grunde dieser
Fortsetzung bilden sich aus einem Teile des Coelomepithels die
Geschlechtszellen (Fig. 275 G). Die segmentale Anordnung der
Gonaden zeigt, daß sie aus den Hyposomiten entstehen (vergl.
S. 453). Im übrigen ist die weitere-Umbildung der von uns verfolgten
Larve in die erwachsene Amphioxusform so einfach, daß
wir hier nicht weiter darauf einzugehen brauchen.
Wir wenden uns jetzt vielmehr zur Entwickelungsgeschichte
der As c id i e , dieses scheinbar so viel tiefer stehenden und so
viel einfacher organisierten Tieres, das den größten Teil seines
Lebens auf dem Meeresgründe als ünförmlicher Klumpen festgewachsen
bleibt. Es war ein sehr glücklicher Zufall, daß Kowalevsky
gerade diejenigen größeren Ascidienformen bei seinen Untersuchungen
zuerst in die Hände bekam, welche die Verwandtschaft
der Wirbeltiere’ mit den Wirbellosen am deutlichsten beweisen,
und deren Larven sich in den ersten Abschnitten der Entwickelung
vollkommen gleich denjenigen des Amphioxus verhalten. Diese
Uebereinstimmung geht in allem wesentlichen so weit, daß wir
eigentlich bloß das von der Ontogenesis des Amphioxus Gesagte
zu wiederholen brauchen.
Das Ei der größeren Ascidien (Phallusia, Cynthia u. s. w.)
ist eine einfache kugelige Zelle von 1/10— 1/5 Millimeter Durchmesser.
In dem trüben feinkörnigen Dotter findet sich ein helles
kugeliges Keimbläschen von ungefähr l/so Millimeter Durchmesser,
welches einen kleinen Keimfleck oder Nucleolus einschließt (Fig. 1,
Taf. XVIII). Innerhalb der Hülle, welche das Ei umgibt, durchläuft
nun nach erfolgter Befruchtung die Stammzelle der Ascidie
genau dieselben Verwandlungen, wie'die Cytula des Amphioxus.
Auch hier erleidet die Stammzelle oder die „erste Furchungszelle“
eine totale Furchung; sie zerfällt durch wiederholte Teilung in 2,
4, 8, 16, 32 Zellen u. s. w. Durch fortgesetzte totale Furchung
bildet sich die Morula , der maulbeerförmige Haufen von gleichartigen
Zellen. Im Inneren desselben sammelt sich Flüssigkeit an,
und so entsteht wiederum eine kugelige, Ke im bla se (Blastula);
deren Wand bildet eine einzige Zellenschicht, das Blastoderm
(Taf. XVIII, Fig. 3). Ganz ebenso wie beim Amphioxus entwickelt
sich aus dieser Blastula durch Einstülpung eine echte Gas trula ,
und zwar eine einfache Glockengastrula (Taf. XVIII, Fig. 4).
Insoweit läge nun in der Entwickelungsgeschichte der Ascidie
noch gar kein bestimmender Grund, dieselbe irgendwie in nähere
Verwandtschaft mit den Wirbeltieren zu bringen; denn dieselbe
Gastrula entsteht ja auf dieselbe Weise auch bei den verschiedensten
Tieren aus anderen Stämmen. Jetzt aber tritt ein Entwickelungsprozeß
auf, der nur den Wirbeltieren eigentümlich ist und der
gerade die Stammesverwandtschaft der Ascidie mit den Wirbeltieren
unwiderleglich beweist. Es entsteht nämlich aus der äußeren
Oberhaut der Gastrula auf der Rückenseite ein Markrohr , und
zwischen diesem und dem Urdarm eine Chorda: Organe, die sich
sonst nur bei den Wirbeltieren finden und diesen ausschließlich
eigentümlich sind. Die Bildung dieser höchst wichtigen Organe
geschieht bei der Gastrula der Ascidien ganz ebenso wie bei derjenigen
des Amphioxus. Auch bei der Ascidie flacht sich der
länglich-runde oder eiförmige, einachsige Gastrulakörper zunächst
„auf einer Seite ab, und zwar auf der späteren Rückenseite. In der
Mittellinie der Abflachung vertieft sich eine Furche oder Rinne,
die „Markfurche“, und beiderseits erheben sich aus dem Hautblatt
ein paar parallele, längs verlaufende Leisten oder Wülste. Diese
beiden „Markwülste oder Medullarwülste“ wachsen oben über der