
schließen können. Die amoeboide Beschaffenheit der jugendlichen
Eizelle, sowie der einzellige Zustand, in welchem jeder Mensch als
einfache Stammz e l le oder Cytula sein individuelles Dasein beginnt,
berechtigen uns zu der Behauptung, daß die ältesten Vorfahren
des Menschengeschlechts einfache amoeboide Zel l en waren.
Hier tritt uns aber die weitere Frage entgegen: „Wo sind im
ersten Beginn der organischen Erdgeschichte, im Anfänge der
laurentischen Periode, die ältesten Amoeben hergekommen?“
Darauf gibt es nur eine Antwort: Die ältesten einzelligen Organismen
können sich ursprünglich nur aus den einfachsten Organismen
entwickelt haben, die wir kennen, aus den Moneren.
Diese Ihnen bereits bekannten Moneren sind zugleich die einfachsten
Organismen, die wir uns überhaupt denken können. Denn
ihr ganzer Körper ist weiter nichts als ein Stückchen Pla sma
oder „Urschleim , ein Körnchen jener lebendigen, alle wesentlichen
Lebensfunktionen bereits vollziehenden Eiweißmasse, die ursprünglich
die materielle Basis des Lebens bildete. Wir kommen damit
an die letzte, oder, wenn wir lieber wollen, an die erste Frage der
Entwickelungsgeschichte, an die Frage von der ersten Entstehung
der Moneren. Das ist aber zugleich die Frage nach dem ersten
Ursprung des Lebens, die Fragewon der Ur z e u g u n g {Generatio
spontanea oder aequivoca, gfijnf engeren Sinne Archigonie).
Wir haben in diesen Vorträgen keine Zeit und auch keine
Veranlassung,^ auf die schwierige Frage von der Urzeugung näher
einzugehen. Ich muß Sie in dieser Beziehung auf meine „Natürliche
Schöpfungsgeschichte“ (XV. Vortrag) und besonders auf das
zweite Buch der „Generellen Morphologie“ verweisen, sowie auf
die speziellen Erörterungen über „die Moneren und die Urzeugung“
in meinen „Studien über Moneren und andere Protisten“ 8S). Dort
habe ich meine persönliche Auffassung dieser wichtigen Frage sehr
ausführlich begründet. Später (1884) hat dieselbe namentlich der
berühmte Botaniker Naegeli weiter ausgeführt. Hier will ich nur
mit ein paar Worten das dunkle Problem von der ersten Entstehung
des Lebens berühren und insoweit beantworten, als unsere prinzipielle
Auffassung der organischen Entwickelungsgeschichte davon
betroffen wird. In demjenigen bestimmten, scharf begrenzten
.Sinne, in welchem ich die Ur z e u g u n g oder Generatio spontanea
verteidige, und sie als eine unentbehr l i che Hyp o the s e für
-den ersten Anfang des Lebens: auf der Erde in Anspruch nehmen
muß, begreift sie lediglich die Ent s t ehung Von Moneren
_-au s anor g ani s chen Kö h l e ns tof fv e rbin düngen. Als
zum ersten Male lebendige Naturkörper auf unserem bis dahin
unbelebten Planeten auftraten, muß sich zunächst auf rein
chemischem Wege-aus rein anorganischen Kohlenstoffverbindungen
jene höchst zusammengesetzte stickstoffhaltige Kohlenstoffverbindung
gebildet haben, welche wir Plas son oder „Urschleim“
nennen, und welche der älteste materielle Träger aller Lebenstätigkeiten
ist. Die ältesten Moneren entstanden im Meere durch
Urzeugung, analog Kristallen, welche, sich in der Mutterlauge
bilden. Diese Annahme wird von dem nüchternen Kausalitätsbedürfnis
der menschlichen Vernunft gefordert. Denn wenn wir
einerseits bedenken, daß die ganze organische Erdgeschichte nach
mechanischen Gesetzen ohne irgend welche schöpferischen Eingriffe
abläuft, und wenn wir anderseits erwägen, daß auch die
gesamte organische Erdgeschichte durch gleiche mechanische Gesetzt
bedingt wird, wenn wir ferner sehen, daß es für die Entstehung
der verschiedenen Organismen keines übernatürlichen
Eingriffes irgend einer Schöpferkraft bedarf, dann ist es gewiß
vollkommen ungereimt, einen solchen übernatürlichen schöpferischen
Eingriff für die- erste Entstehung des organischen Lebens auf
unserer Erde anzunehmen.
Die vielbesprochene Urzeugungsfrage erscheint uns heute nur
deshalb so sehr verwickelt, weil man eine Masse verschiedener und
zum Teil ganz absurder Vorstellungen unter diesem Begriff der
„Urzeugung“ zusammengefaßt, und weil man durch die rohesten
Versuche dieselbe experimentell lösen zu können geglaubt hat.
Wid e r l e g t kann die Lehre von der Urzeugung auf dem Wege
des Experimentes überhaupt nicht werden. Denn jedes Experiment
mit negativem Erfolge beweist nur, daß unter den von uns angewendeten
(— immer höchst künstlichen! A-*) Bedingungen kein
Organismus aus anorganischen Verbindungen entstand. Bewie s en
kann aber die Theorie von der Urzeugung durch das Experiment
auch nur sehr schwierig werden; und wenn noch heute tagtäglich
Moneren durch Urzeugung entstünden (was sehr möglich ist!), so
würde der sichere empirische Nachweis dieses Vorganges äußerst
schwierig, meistens wohl unmöglich sein. Wer aber für den ersten
Ursprung des Lebens auf unserer Erde keine Urzeugung von
Moneren in unserem Sinne annimmt, dem bleibt nichts anderes
übrig, als an ein übernatürliches Wunde r zu glauben; und das ist
in der Tat der verzweifelte Standpunkt, den noch heute manche
sogenannte „exakte Naturforscher“, ihre Vernunft völlig preisgebend,
einnehmen!