
wirklich als Niere, indem sie unbrauchbare Säfte aus dem Embryokörper
aufsaugt, abscheidet und in die Kloake, sodann in die
Allantois abführt. Hier sammelt sich der „Urharn“ an, und die
Al l anto i s fungiert demnach bei den Embryonen des Menschen
und der übrigen Amnioten wirklich als Ha rnbla s e oder „Ur-
harnsack“. Jedoch steht dieselbe in gar keinem genetischen Zusammenhang
mit den Urnieren, ist vielmehr eine taschenförmige
Ausstülpung aus der vorderen Wand des Enddarmes (Fig. 440 u,
S. 825). Die Allantois ist daher ein Produkt des Darmblattes,
während die Urnieren ein Produkt des Mittelblattes sind. Phylogenetisch
müssen wir uns denken, daß die Allantois als beutelförmige
Ausstülpung der Kloakenwand infolge der Ausdehnung
entstand, die der von den Urnieren ausgeschiedene und in der
Kloake angesammelte Urharn veranlaßte. Sie ist ursprünglich ein
Blindsack des Mastdarms (Taf. VII, Fig. 15 hb). So ist offenbar
die wahre Harnblase der Wirbeltiere zuerst unter den Dipneusten
(bei Lepidosiren) aufgetreten und hat sich von da zunächst auf die
Amphibien und von diesen auf die Amnioten vererbt. Beim
Embryo der letzteren wächst sie weit aus der noch nicht geschlossenen
Bauch wand hervor. Allerdings besitzen auch viele
Fische schon eine sogenannte „Harnblase“. Allein diese ist weiter
nichts als eine lokale Erweiterung im unteren Abschnitte der Ür-
nierengänge, also nach Ursprung und Zusammensetzung wesentlich
von jener wahren Harnblase verschieden. Nur physiologisch
sind beide Bildungen vergleichbar, also analog, weil sie dieselbe
Funktion haben; aber morphologisch sind sie gar nicht zu vergleichen,
also nicht h omo lo g 11’). Die fa l s che Harnblase der
Fische ist ein mesodermales Produkt der Urnierengänge; hingegen
ist die wahre Harnblase der Dipneusten, Amphibien und Amnioten
ein entodermaler Blindsack des Enddarms.
Bei allen Anamwien (bei sämtlichen niederen, amnionlosen
Schädeltieren: Cyclostomen, Fischen, Dipneusten und Amphibien)
bleiben die Harnorgane insofern auf einer älteren Bildungsstufe
stehen, als die Urnie r en (Protonephri) hier zeitlebens als harn-
abscheidende Drüsen fungieren. Hingegen ist das bei den drei
höheren Wirbeltierklassen, die wir als Amnioten zusammenfassen,
nur während des früheren Embryolebens vorübergehend
der Fall. Sehr bald entwickeln sich nämlich hier die nur diesen
drei Klassen eigentümlichen Na chnie r en oder Daue rnie r en
(.Renes oder Metanephri), die sogenannten „bleibenden Nieren“
oder s ekundär en (eigentlich tertiären) Nieren. Sie stellen
die dritte und letzte Generation der Vertebratennieren dar. Die
Dauernieren entstehen nicht (wie man lange Zeit glaubte) als ganz
neue selbständige Drüsen aus dem Darmrohr, sondern aus dem
hintersten Abschnitte .der Urnieren und des Urnierenganges. Hier
wächst aus demselben, nahe seiner Einmündungsstelle in die Kloake,
ein einfacher Schlauch, der sekundäre Nierengang hervor, der sich
nach vorn hin bedeutend verlängert. Mit seinem blinden oberen
oder vorderen Teile verbindet sich ein drüsiges „Nierenblastem“,
welches einer Sonderung des hintersten Urnierenstückes seinen
Ursprung verdankt. Diese „Nachnierenanlage“ besteht aus gewundenen
Harnkanälchen mit Malpigh.isch.en Bläschen und Gefäß-
knäueln (ohne Flimmertrichter), von derselben Struktur wie die
segmentalen „Mesonephridien“ der Urniere. Durch Wucherung
dieser „Metanephridien“ entsteht die kompakte Nachniere, die
beim Menschen und den meisten höheren Säugetieren die bekannte
Bohnenform erhält, hingegen bei den niederen Säugetieren,
Vögeln und Reptilien meist in viele Lappen geteilt bleibt.
Indem die Dauernieren rasch wachsen und neben den Urnieren
nach vorn wandern, löst sich zugleich ihr Ausführgang, der Harnleiter,
ganz von seiner Ursprungsstätte, dem Hinterende des Urnierenganges,
ab; er wandert auf die hintere Fläche der Allantois
hinüber. Anfangs mündet bei den ältesten Amnioten dieser Harnle
i te r (Ureter) noch vereint mit dem letzten Abschnitt des Urnierenganges
in die Kloake ein, später getrennt von demselben,
und zuletzt getrennt vom Mastdarm in die bleibende Harnbla se
(Vesica urinaria). Diese letztere entsteht aus dem hintersten oder
untersten Teile des Al l a n to i s s t i e l e s (Urachus), der sich vor
der Einmündung in die Kloake spindelförmig erweitert. Der vordere
oder obere Teil des Allantoisstieles, der in der Bauchwand
des Embryo zum Nabel verläuft, verwächst später, und es bleibt
nur ein unnützer strangförmiger Rest desselben als rudimentäres
Organ bestehen: das ist das „unpaare Harnblasen-Nabelband“ (Ligamentum
vesico-umbilicale medium). Rechts und links von demselben
verlaufen beim erwachsenen Menschen ein paar andere rudimentäre
Organe: die seitlichen Harnblasen-Nabelbänder (Ligamenta
vesico-umbilicalia lateralia). Das sind die verödeten strangförmigen
Reste der früheren Nabelarterien (Arteriae umbilicales, S. 419).
Während beim Menschen, wie bei allen anderen Amniontieren,
die Urnieren dergestalt schon frühzeitig durch die Dauernieren
verdrängt werden, und die letzteren später allein als Harnorgane
fungieren, gehen doch keineswegs alle Teile der ersteren verloren.