
5 5 ° Gastremarien und- Cyemarieri. X I X .
Wert von selbständigen Klassen eines primitiven Gastraeaden-
Stammes verleihen, wie ich im zweiten Bande meiner „Systematischen
Phylogenie“ (1896, S. 43^—48) und in der zehnten Auflage
der „Natürlichen Schöpfungsgeschichte“ (1902, S. 515 — 517) zu
zeigen versucht habe.
Die Gas t r emar ien und Cyemar ien (Mesozoen oder
„Be che r t ie re “) sind die wichtigsten von diesen „Gastraeaden der
Gegenwart“, kleine Gewebetiere, die im Innern von anderen
Metazoen als Schmarotzer leben, meistens kaum 1/2 oder 1 mm
lang, oft noch kleiner (Fig. 287, I—/ƒ). Ihr weicher, skelettloser
Körper ist meistens eiförmig, becherförmig oder cylindrisch, auf
dem Querschnitt; kreisrund (also monaxon oder einachsig). Er
besteht nur aus zwei einfachen Zellenschichteri, den beiden primären
Keimblättern; das äußere derselben ist dicht mit langen Flimmerhaaren
bedeckt, mittels deren sich die Parasiten in verschiedenen
Körperhöhlen ihres Wirtstieres schwimmend umherbewegen. Das
innere Keimblatt liefert die Geschlechtsprodukte. Den reinen
Typus der ursprünglichen einfachen Gastrula (• der Archigastrula,
Fig. 284 J) zeigt der Pemmatodiscus gastrulaceus, den Monticelli
1895 in dem Schirm einer großen Meduse (Pilema pulmo) entdeckte;
die konvexe Oberfläche ihres Gallertschirmes war mit
zahlreichen hellen Bläschen von 1— 3 mm Durchmesser bedeckt,
in deren flüssigem Inhalt die kleinen Parasiten umherschwammen.
Der becherförmige Körper des Pemmatodiscus (Fig. 287, 1) ist
bald flacher, hutförmig oder kegelförmig, bald fast halbkugelig
gewölbt. Die einfache Höhlung des Bechers, der Urdarm (g),
öffnet sich durch einen engen Urmund (o). Das Hautblatt (e) besteht
aus hohen schlanken Cylinderzellen, die lange schwingende
Flimmerhaare tragen; es ist durch eine strukturlose dünne Gallertplatte
(ƒ) von dem Darmblatt (i) getrennt, dessen prismatische
Zellen viel niedriger sind und nicht flimmern. Pemmatodiscus
vermehrt sich nur ungeschlechtlich, durch einfache Längsteilung;
man hat ihn deshalb neuerdings als Vertreter einer besonderen
Gastraeaden-Ordnung (Mesogastria) betrachtet.
Dem Pemmatodiscus wahrscheinlich nahe verwandt ist die
Kunstleria Gruveli (Fig. 287, 2); sie wohnt in der Leibeshöhle von
Vermalien (Sipunculiden) und unterscheidet sich Von ersterem
dadurch, daß die großen Ektodermzellen (e) der Flimmerhaare
ebenso entbehren, wie die kleinen Entodermzellen (i); beide Keimblätter
sind getrennt durch eine dicke, becherförmige Gallertmasse,
welche als „helles Bläschen“ beschrieben wurde (ƒ). Der Urmund
X IX . Gastraeaden der Gegenwart.
Fis. 287. Gastraeaden der Gegenwart. 3 Flg- | Pemmatodiscus
gastrulaceus (M on ticelli), im Längsschnitt. Fig. 2. Kunstleria t ir tn c lr ' “
im Längsschnitt. (Nach K ü n stler und Gruvel.) Fig. 3— 5 - Rhopalura Giardi (Juhn ).
Fig. 3 Männchen, Fig. 4 "Weibchen, Fig. 5 Planula. Fig. 6. Dicyema macro-
cephala {Van BenedenX Fig. 7 - 1 J . Conocyema polymorpha (Van Bernden)
Fig. 7 die reife Gastraeade, Fig. 8— iS Gastrulation derselben, d Urdarm, 0 Urmund,
e Ektoderm, : Entoderm, ƒ Gallerte zwischen e und i (Stützplatte, Blastöcoel).