
teils überbringen sie als motor i s che Nervenfasern die Willens-
befehle des letzteren den Muskeln.
Das Zent r a lne r v ens y s tem oder das Zent ralmark
(.Medulla centralis) ist das eigentliche Organ der Seelentätigkeit
im engeren Sinne. Mag man sich nun die innere Verbindung
dieses Organes und seiner Funktionen denken, wie man will, so
steht jedenfalls so viel fest, daß die eigentümlichen Leistungen
desselben, die wir als Empfinden, Wollen und Denken bezeichnen,
beim Menschen wie bei allen höheren Tieren unabänderlich an
die normale Entwickelung jenes materiellen Organs gebunden sind.
Fig. 348. Fig. 349-
Wir werden daher von
vornherein auf die Entwickelungsgeschichte
des
letzteren besonders gespannt
sein dürfen. Da
diese uns allein die wichtigsten
Aufschlüsse über
die Natur unserer „Seele “
Fig. 348. Menschlicher
Embryo von drei Monaten, in
natürlicher Größe, von der Rücken-
seite, mit bloßgelegtem Hirn und
Rückenmark. Nach K ö llik er. h
Halbkugeln des Großhirns (Vorderhirn),
m Vierhügel (Mittelhirn),
c Kleinhirn (Hinterhirn); unter
letzterem das dreieckige Nackenmark
(Nachhim).
Fig. 349. Zentralmark
eines menschlichen Embryo
von vier Monaten, in natürlicher
Größe, von der Rückenseite. Nach
K ö llik er., h große Halbkugeln, v
Vierhügel, c Kleinhirn, mo Nackenmark;
darunter das Rückenmark.
geben kann, wird sie unser höchstes Interesse beanspruchen. Denn
wenn sich das Zentralmark ganz ebenso beim menschlichen Embryo
wie beim Embryo aller anderen Säugetiere entwickelt, so kann auch
die Abstammung des menschlichen Seelenorgans von demselben
Zentralorgan anderer Säugetiere und weiterhin niederer Wirbeltiere
keinem Zweifel unterliegen. Niemand wird daher die ungeheure Tragweite
gerade dieser Entwickelungs-Erscheinungen leugnen können.
Um diese richtig zu würdigen, müssen wir ein paar Worte
über die allgemeine Form und über die anatomische Zusammensetzung
des entwickelten menschlichen Zentralmarks vorausschicken.
(Vergl. die XL. und LXI. Tabelle, S. 722.) Dasselbe besteht, wie das
Zentralnervensystem aller anderen Schädeltiere, aus zwei verschiedenen
Hauptbestandteilen: erstens aus dem K o p f mark oder
Gehi rn (.Medulla capitis oder Encephalon) und zweitens aus dem
Rü c k e nma r k (Medulla spinalis oder Notomyelon). Das erstere
ist in dem knöchernen Schädel oder der „Hirnschale eingeschlossen,
das letztere in dem knöchernen „Rückgratkanal oder
Wirbelkanal“, der durch die Reihe der hintereinander gelegenen
siegelringförmigen Wirbel gebildet wird. (Taf, VII, Fig. 16 m.)
Vom Gehirn gehen 12 Paar Kopfnerven ab, vom Rückenmark
31 Paar Rückenmarksnerven für den übrigen Körper, (Fig. 186,
S. 374). Das Rückenmark erscheint für die grobe anatomische
Betrachtung als ein cylindrischer Strang, welcher sowohl oben in
der Halsgegend (am letzten Halswirbel) als unten in der Lendengegend
(am ersten Lendenwirbel) eine spindelförmige Anschwellung
besitzt (Fig. 349, S. 704). An der Halsschwellung gehen die starken
Nerven der oberen, an der Lendenschwellung diejenigen der unteren
Gliedmaßen vom Rückenmark ab. Oben geht letzteres durch das
Na c k enma rk (Medulla oblongata, Fig. 349 wo) in das Gehirn
über. Das Rückenmark ist zwar anscheinend eine dichte .Masse
von Nervensubstanz, jedoch enthält es in seiner Achse einen sein-
engen Kanal, der oben in die weiteren Hirnhöhlen übergeht und
gleich diesen mit klarer Flüssigkeit erfüllt ist.
Das Gehirn bildet eine ansehnliche, den größten' Teil der
Schädelhöhle erfüllende Nervenmasse von höchst verwickeltem,
feinerem Bau, welche für die gröbere Betrachtung zunächst in zwei
Hauptbestandteile zerfällt: das große und kleine Gehirn (Cerebrum
und Cerebellum). Das große Gehirn liegt mehr vorn und oben
und zeigt an seiner Oberfläche die bekannten charakteristischen
Windungen und Furchen (Fig. 350, 351;’Taf. XXII und XXIII).
Auf der oberen Seite zerfällt dasselbe durch einen tiefen Längsschlitz
in zwei Seitenhälften, die großen Hemisphären; und diese
sind durch eine Querbrücke, den Hirnbalken (Corpus callosum)
miteinander verbunden. Durch einen tiefen Querspalt ist dieses
große Gehirn (Cerebrum) von dem kleinen (C erebelluni) getrennt.
Das letztere liegt mehr hinten und unten und zeigt an seiner
Oberfläche ebenfalls zahlreiche, aber viel feinere und regelmäßigere
Furchen, dazwischen gekrümmte Wülste (Fig. 350 unten'1 Auch
das kleine Gehirn zerfällt durch einen Längseinschnitt m zwei
Seitenhälften, die „kleinen Hemisphären“ ; diese hängen oben
durch ein wurmförmig geringeltes Mittelstück, den sogenannten
H a e ck e l, Anthropogenie. 5. Aufl. 4 5