
schwanzlose Körper verwandelt sich in einen unförmlichen Schlauch,
der durch rückschreitende Metamorphose einzelner Teile, Neubildung
und Umgestaltung, anderer Teile allmählich in die früher
beschriebene sonderbare Bildung übergeht.
Jedoch gibt es unter den heute noch lebenden Tunicaten eine
sehr interessante Gruppe von kleinen Manteltieren, welche auf der
Entwickelungsstufe der geschwänzten,
frei lebenden Ascidienlarven zeitlebens
stehen bleiben und sich mittelst ihres
fortbestehenden breiten Ruderschwanzes
lebhaft schwimmend im Meere umher
bewegen. Das sind die merkwürdigen
Copelaten (Appendicarien und Vexil-
larien, Fig. ’276). Unter allen wirbellosen
Tieren der Gegenwart sind sie
die einzigen, welche zeitlebens ' -eine
Chorda dorsalis und oberhalb derselben
einen Nervenstrang besitzen; dieser ist
als die dorsale Verlängerung des Gehirnknotens
und Aequivalent des Medullar-
rohrs zu betrachten. Auch mündet ihr
Kiemendarm durch ein paar Kiemenspalten
direkt mach außen. Diese bedeutungsvollen
Copelaten, vergleichbar
permanenten Ascidienlarven, stehen
demnach den ausgestorbenen Pro chor -
doniern am nächsten, jenen uralten
Fig. 276. Eine Appendicaria (Copelata),
von der linken Seite gesehen, m Mund, k Kiemen-
darm, o Speiseröhre, v Magen, a After, n Gehirn
(Oberschlundknoten), g Gehörbläschen, f Flimmerrinne
unter der Kieme, h Herz, t Hoden, e Eierstock,
c Chorda, s Schwanz.
Würmern, die wir als gemeinsame Stammformen der Manteltiere
und der Wirbeltiere betrachten müssen. Die Chorda der Appendicarien
ist ein langer, cylindrischer Strang (Fig. 276 c) und dient zum
Ansätze der Muskeln, welche den platten Ruderschwanz bewegen.
Unter den verschiedenen Rü c k b i ld u n g e n , welche die
Ascidienlarve nach ihrer Anheftung auf dem Meeresboden erleidet,
ist nächst dem Verluste des Achsenstabes von besonderem
Interesse die Verkümmerung eines der wichtigsten Körperteile, des
Medullarrohres. Während beim Amphioxus sich das Rückenmark
fortschreitend entwickelt, schrumpft das Markrohr der Ascidienlarve
bald zu einem ganz kleinen, unansehnlichen Nervenknoten
zusammen, welcher-oberhalb der Mundöffnung über dem Kiemenkorbe
liegt und der außerordentlich geringen geistigen Begabung
dieses Tieres entspricht (Taf. XIX, Fig. 14 tri). Dieser unbedeutende
Rest des Markrohres scheint gar keinen Vergleich mit dem Nervenzentrum
der Wirbeltiere auszuhalten, und dennoch ist er aus derselben
Anlage hervorgegangen wie das Rückenmark des Amphioxus.
Die Sinnesorgane, welche vorn im Nervenrohr sich entwickelt
hatten, gehen ebenfalls verlören, und bei der ausgebildeten Ascidie
ist keine Spur mehr davon zu. finden. Hingegen entwickelt sich
nun zu einem sehr umfangreichen Organe der Darmkanal. Dieser
sondert sich bald in zwei getrennte Abschnitte, in einen weiteren
vorderen Kiemendarm, der zur Atmung, und in einen engeren
hinteren Leberdarm, der zur Verdauung dient. Der Kiemendarm
oder Kopfdarm der Ascidie ist anfangs klein und mündet nur
durch ein paar seitliche Gänge oder Kiemenspalten direkt nach
außen; ein Verhältnis, das bei den Copelaten zeitlebens besteht.
Die Entstehung der Kiemenspalten erfolgt ganz in derselben Weise,
wie beim Amphioxus/ Indem ihre Zahl bald beträchtlich vermehrt
wird, entsteht der große, gitterförmig durchbrochene Kiemenkorb.
In der Mittellinie seiner Bauchseite bildet sich die Flimmerrinne
oder „Hypöbranchialrinne“. Auch die weite Mäntelhöhle oder
Kloakenhöhle, welche den Kiemenkorb umgibt, das Atrium, entwickelt
sich bei der Ascidie auf ähnliche Weise wie beim Amphioxus.
Die Egestionsöffnung dieser „Peribranchialhöhle“ entspricht dem
„Mantelporus“ des Amphioxus. An der ausgebildeten Ascidie sind
der Kiemendarm und das an seiner Bauchseite gelegene Herz fast
allein noch die Organe, die an die ursprüngliche Stammverwandtschaft
mit den Wirbeltieren erinnern.
Schließlich wollen wir noch einen Blick auf die Entwickelungsgeschichte
des merkwürdigen äußeren Mantels, oder des Gellulose-
sackes werfen, in dem die Ascidie später ganz eingeschlossen ist
und der die ganze Klasse der Manteltiere charakterisiert. Ueber
die Bildung dieses Mantels sind sehr verschiedene und sehr sonder-
.bare Ansichten auf gestellt worden. So behaupteten einige, daß
sich das Tier den Mantel nicht selbst bilde, sondern daß besondere
Zellen des mütterlichen Körpers, welche das Ei umgeben, zu den
Mutterzellen' des Mantels werden. Danach wäre der Mantel eine
permanente Eihülle. . Das wäre gegen alle Analogie und ist von