
732 D ie drei Gruppe n der Sinnesorgane. X X V .
Bei der zweiten Gruppe breiten die Nerven sich auf der Schleimhaut
von Höhlen aus, welche ursprünglich Gruben oder Einstülpungen
der Hautdecke sind (Organe des Geschmackssinnes und
Geruchssinnes), Die dritte Gruppe endlich bilden diejenigen, höchst
entwickelten Sinnesorgane, deren Nerven sich auf einer inneren,
von der Hautdecke abgeschnürten Blase ausbreiten (Organe des
Gesichtssinnes, Gehörsinnes und Raumsinnes). Dieses bemerkenswerte
genetische Verhältnis wird durch folgende Zusammenstellung
übersichtlich werden.
Drei Gruppen
der Sensillen
Differente
Sinnesorgane
Besondere
Sinnesnerven
Sinnesfunktionen
A. Sinnesorgane, I. Hautdecke, I. Hautnerven l i . Drucksinn
deren Nerven-
endausbreitung in
(Oberhaut und-
Lederhaut)
(N erv i cutanei) J 2. Wärmesinn
der Oberfläche der II. Aeußere Ge- pp Geschléchtsnerven 3. Geschlechtssinn
äußeren Hautdecke
erfolgt.
schlechtsteile
(Penis und Clitoris)
(N erv i pudendi)
B. Sinnesorgane, '
IH. Schleimhaut der III. Geschmacksnerv 4. Geschmackssinn
endausbreitung in Mundhöhle (Zunge (Nervtts glossoeingestülpten
Gruben und Gaumen) pharyngeus)
der äußeren Haut- 1 V. Schleimhaut der IV . Geruchsnerv 5. Geruchssinn
decke erfolgt. Nasenhöhle [N . olfactorius)
C. Sinnesorgane,
deren Nerven-
endausbreitung auf
Y . Auge V . Sehnerv
{N. opticus)
6. Gesichtssinn
Blasen erfolgt,
die von der äußeren
Hautdecke abgeschnürt
sind.
• VI . Ohr VI. Gehörnerv
{N. acitsticus)
1 7. Gehörsinn
) 8. Raumsinn
Voii der Entwickelungsgeschichte der niederen Sinnesorgane
ist nur sehr wenig zu sagen. Diejenige der Hautd ecke* welche
das Organ des Dru c k s inn e s (Tastsinnes) und des Wä rme sinnes
ist, kennen Sie bereits (S. 693). Ich hätte höchstens noch
nachzutragen, daß sich in der Lederhaut des Menschen, wie aller
höheren Wirbeltiere, zahllose mikroskopische Sinnesorgane entwickeln,
deren nähere Beziehung zu den Empfindungen des Druckes
oder Widerstandes, der Wärme und Kälte aber noch nicht ermittelt
ist Solche Organe, in oder auf denen sensible Hautnerven
endigen, sind die sogenannten „Ta s tkö rpe r chen“ und die
„Ko lb e nk ö rp e r ch en “ (oder Vater - Pacinischen Körperchen).
X X V . Einrichtung der menschlichen Nase. 733
Aehnliche Körperchen finden wir auch in den sogenannten
„Wollustorganen“ oder den Organen des Ges chlecht s s innes ,
in dem Penis des Mannes und der Clitoris des Weibes; Fortsätzen
der Hautdecke, deren Entwickelung wir später (im Zusammenhang
mit derjenigen der übrigen Geschlechtsorgane) betrachten werden
(XXIX. Vortrag). Die Entwickelung des Geischmacksorganes;
der Zunge und des Gaumens, werden wir ebenfalls später in Betracht
ziehen, zusammen mit derjenigen des Darmkanals, zu welchem
diese Teile gehören (XXVII. Vortrag). Nur das will ich hier
schon ausdrücklich hervorheben, daß auch die Schleimhaut der
Zunge und des Gaumens, in welcher der Geschmacksnerv endigt,
ihrem Ursprünge nach ein Teil der äußeren Hautdecke ist. Denn
wie Sie bereits wissen, entsteht ja die ganze Mundhöhle nicht als
ein Teil des eigentlichen Darmrohrs, sondern als eine gruben-
förmige Einstülpung der äußeren Haut (S. 337). Ihre Schleimhaut
wird daher nicht vom Darmblatte, sondern vom Hautblatte gebildet,
und die Geschmackszellen an der Oberfläche der Zunge
und des Gaumens sind nicht Abkömmlinge des Darmdrüsenblattes,
sondern des Hauts innesblat tes .
Dasselbe gilt von der Schleimhaut des Ge ruchsor gane s ,
der Nase. Doch ist die Entwickelungsgeschichte dieses Sinnesorganes
von weit höherem Interesse. Obgleich unsere Nase bei
äußerer Betrachtung einfach und unpaar erscheint, so besteht sie
doch beim Menschen, wie bei allen anderen Kiefermäulern, aus
zwei völlig getrennten Hälften, aus einer rechten und einer linken
Nasenhöhle. Beide Höhlen sind durch eine senkrechte Nasenscheidewand
vollständig voneinander geschieden, so daß wir durch
das rechte äußere Nasenloch nur in die rechte und durch das
linke Nasenloch nur in die linke Nasenhöhle gelangen können.
Hinten münden beide Nasenhöhlen getrennt durch die beiden
hinteren Nasenöffnungen oder die sogenannten „Choanen“ in den
Schlundkopf ein, so daß man direkt durch die Nasengänge in den
Schlund gelangen kann, ohne die Mundhöhle zu berühren. Das
ist der gewöhnliche Weg der geatmeten Luft, die bei geschlossenem
Munde durch die Nasengänge in den Schlund und von da durch
die Luftröhre in die Lungen dringt. Von der Mundhöhle sind
beide Nasenhöhlen durch das horizontale knöcherne Gaumendach
getrennt, an welches sich hinten (wie ein herabhängender Vorhang)
das weiche Gaumensegel mit dem Zäpfchen anschließt. Im oberen
und hinteren Teile der beiden Nasenhöhlen breitet sich auf der
Schleimhaut, die sie tapetenartig auskleidet, der Ge ruchsne rv
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