
Promammale hat sich wahrscheinlich aus Proreptilien während
der Triasperiode entwickelt und ist ohne Zweifel als die monotreme-
und eierlegende Stammform alle r Säugetiere zu betrachten.
Wenn wir an diesem fundamentalen und höchst bedeutungsvollen
Satze festhalten, so wird sich uns die „Af f en f r a g e “ in
einem ganz anderen Lichte darstellen, als sie gewöhnlich gezeigt
wird. Sie werden sich dann bei einigem Nachdenken leicht überzeugen,
daß dieselbe gar nicht die Bedeutung besitzt, die man ihr
neuerdings beigelegt hat. Denn der Ursprung des Menschengeschlechts
aus einer Reihe von verschiedenen Säugetierahnen,,
und die historische Entwickelung dieser letzteren aus einer älteren
Reihe von niederen Wirbeltierahnen bleibt zweifellos bestehen,,
und ebenso alle die bedeutungsvollen Folgerungen, die jeder unbefangen
denkende Mensch daraus ziehen muß; für diese ist es-
gleichgültig, ob man als die nächsten tierischen Vorfahren des-
Menschengeschlechts echte „Affen'1 ansieht oder nicht. Da man
sich-aber nun einmal daran gewöhnt hat, das Hauptgewicht in der
ganzen Ursprungsfrage des Menschen gerade auf die „Abstammung
vom Affen“ zu legen, Tso sehe ich mich doch genötigt, hier nochmals
auf dieselbe zurückzukommen und Ihnen die vergleichendanatomischen
und öntogenetischen Tatsachen in Erinnerung zu
bringen, welche diese „Affenfrage“ endgültig entscheiden.
Am kürzesten führt uns hier der Weg zum Ziele, welchen
Huxley 1863 in seinen ausgezeichneten, von uns so oft angeführten
„Zeugnissen für die Stellung des Menschen in der Natur“ betreten
hat, der Weg der vergleichenden Anatomie und Ontogenie (vergl.
Taf. XVII—XXIX). Wir haben objektiv alle einzelnen Organe
des Menschen mit denselben Organen der höheren Affen zu vergleichen
und dann zu prüfen, ob die Unterschiede zwischen ersteren
und letzteren größer sind als die entsprechenden Unterschiede
zwischen den höheren und niedefen Affen. Das zweifellose und
unbestreitbare Resultat dieser mit der größten Unbefangenheit und
Genauigkeit angestellten vergleichend-anatomischen Untersuchung
war der bedeutungsvolle Pithecometra-Satz, den wir seinem Begründer
zu Ehren das Huxleysche Gesetz genannt haben: daß
nämlich die körperlichen Unterschiede in der Organisation des
Menschen und der uns bekannten höchst entwickelten Affen viel
geringer sind als die entsprechenden Unterschiede in der Organisation
der höheren und niederen Affen. Ja, wir konnten sogar
dieses Gesetz noch näher bestimmen, indem wir die Platyrrhinen
oder amerikanischen Affen als entferntere Verwandte ausschlossen
und unsere Vergleichung auf den engeren Familienkreis der Catar-
rhinen, der Affen der alten Welt, beschränkten. Sogar innerhalb
dieser kleinen Säugetiergruppe fanden wir die Organisations-Unterschiede
zwischen deji niederen und höheren schmalnasigen Affen,
z. B. zwischen dem Pavian und Gorilla, viel größer als die Unter-
schiede zwischen diesem Menschenaffen und dem Menschen. Wenn
wir nun dazu noch die Ontogenie befragen und wenn wir nach
unserem „Gesetze des öntogenetischen Zusammenhangs der systematisch
verwandten Formen“ finden, daß die Embryonen der
Menschenaffen und Menschen längere Zeit hindurch übereinstimmen
als die Embryonen der höchsten und der niedersten Affen,
so werden wir uns wohl oder übel zur Anerkennung unseres Ursprungs
aus der Affenordnung bequemen müssen. Unzweifelhaft
können wir uns aus den vorliegenden Tatsachen der vergleichenden
Anatomie in unserer Phantasie ein ungefähres Bild von der
Formbeschaffenheit unserer Vorfahren während der älteren Tertiärzeit
konstruieren; mögen wir uns dies im einzelnen ausmalen, wie
wir wollen, so wird dieses Bild ein echte r Af f e , und zwar ein
entschiedener Catar rhine sein. Diese Ansicht hat schon Huxley
(1863) so einleuchtend begründet, daß die heftigen, neuerdings
von Klaatsch, Virchow und anderen Anthropologen dagegen gerichteten
Angriffe völlig verfehlt und wirkungslos erscheinen (vergl.
oben S. 675— 678). Alle die körperlichen Charaktere, welche die
Catarrliinen vor den Platyrrhinen auszeichnen, besitzt auch
der Mensch. Wir werden also demgemäß im Stammbaum der
Säugetiere den Menschen unmittelbar aus der Gruppe der Catar-
rhinen ableiten und die Entstehung des Menschengeschlechts in
die alte Welt versetzen müssen. Denn die ganze Gruppe der
Catarrhinen-Affen ist seit früher Tertiärzeit ebenso auf die alte
Welt beschränkt geblieben, wie die Gruppe der Platyrrhinen-Affen
auf die neue Welt. Nur die älteste Wurzelform, aus der beide
entsprungen sind, war ihnen gemeinsam.
Wenn es demnach für unsere objektive wissenschaftliche Erkenntnis
zwe i fe l los f e s t g e s t e l l t ist, daß das Menscheng
e s chl e cht di rekt von Af f e n der alten We l t abstammt,
so wollen wir doch nochmals betonen, daß dieser
wichtige Satz für die P r in z ip i en f r a g e vom Ursprung des
Menschen nicht die Bedeutung besitzt, die man ihm gewöhnlich
zuschreibt. Denn wenn wir diesen Satz auch völlig ignorieren
oder beiseite schieben, so bleibt alles bestehen, was wir über die
Placentaltier-Natur des Menschen durch die zoologischen Tatsachen