
oder länglich-runden einachsigen Körper, dessen einfache Höhle
(Urdarm) mit einer Oeffnung an einem Pole der Achse versehen
ist (U r m u n d). Die Darmwand besteht aus zwei Zellenschichten,
welche nichts anderes sind als die beiden primären Keimblätter:
das animale Hautbla t t (Ektoderma) und das vegetale Da rmblat
t (Entoderma).
Ueber die phylogenetische Entstehung der Gastraea aus der
Blastaea gibt uns noch heutzutage die ontogenetische Entstehung
der Gastrula aus' der Blastula sichere Auskunft. An einer Seite
der kugeligen Keimhautblase bildet sich eine grubenartige Vertiefung
(Fig. 284 H). Zuletzt geht diese Einstülpung so weit, daß
der äußere eingestülpte Teil der Keimhaut oder des Blastoderms
sich eng an den inneren, nicht eingestülpten Teil derselben anlegt
(Fig. 284 J). Wenn wir nun an der Hand dieses ontogenetischen
Prozesses uns die phylogenetische Entstehung der Gastraea erklären
wollen, so können wir annehmen, daß die einschichtige
Zellengesellschaft der kugeligen Blastaea angefangen hat, an einer
Stelle der Oberfläche . vorzugsweise Nahrung aufzunehmen. An
dieser nutritiven Stelle der Kugeloberfläche bildete sich durch
natürliche Züchtung allmählich eine grubenartige Vertiefung. Die
anfangs flache Grube wurde im Laufe der Zeit immer tiefer. Bald
wurde die vegetale Funktion der Ernährung, der Nahrungsaufnahme
und Verdauung ausschließlich auf die Zellen beschränkt, welche
diese Grube auskleideten; während die übrigen Zellen die animalen
Funktionen der Ortsbewegung, Empfindung und Bedeckung übernahmen.
So entstand die erste Arbeitsteilung zwischen den ursprünglich
gleichartigen Zellen der Blastaea.
Diese älteste histologische Differenzierung hatte also zunächst
nur die Sonderung von zweierlei verschiedenen Zellenarten zur
Folge: innen in der Grube die ernährenden oder nutritiven Zellen,
außen an der Oberfläche die bewegenden und lokomotiven Zellen.
Damit war aber bereits die Sonde rung der beiden pr i mären
Ke imb l ä t t e r gegeben, ein Vorgang von höchster Bedeutung.
Wenn wir bedenken, daß auch der Leib des Menschen
mit allen seinen verschiedenen Teilen und ebenso der Leib aller
anderen höheren Tiere sich ursprünglich aus jenen beiden einfachen
primären Keimblättern aufbaut, so werden wir die phylogenetische
Bedeutung jener Ga s t rula t ion gar nicht hoch genug anschlagen
können. Denn mit dem einfachen Urdarm oder der primitiven
Magenhöhle der Gastrula, und ihrer einfachen, Mundöffnung, dem
„Urmund“, ist zugleich das erste wirkliche Or g an des Tierkörpers
in morphologischem Sinne gewonnen; sämtliche übrigen Organe
sind erst später daraus entstanden. Der ganze Körper der Gastrula
ist ja eigentlich nur „Urdarm“. Daß die zweiblätterigen Ke im-
formen sämtlicher Metazoen sich auf eine solche typische Gastrula
zurückführen lassen, haben wir bereits (im VIII. und IX. Vortrage)
nachgewiesen. Diese höchst wichtige Erkenntnis berechtigt uns
nach dem Biogenetischen Grundgesetze zu dem Schlüsse, daß auch
die verschiedenen Ahnenreihen derselben sich aus der gleichen
Stammform phylogenetisch entwickelt haben. Diese uralte bedeutungsvolle
Stammform ist eben die Gastraea.
Die Gastraea hat vermutlich schon während der laurentischen
Periode im Meere gelebt und sich in ähnlicher Weise mittelst ihres
äußeren Flimmerkleides schwimmend im Wasser umhergetummelt,
wie das noch heutzutage die frei beweglichen und flimmernden
Gastrulae tun. Wahrscheinlich wird sich die uralte und schon vor
Jahrmillionen ausgestorbene Gastraea nur in einem wesentlichen
Punkte von der heute noch lebenden Gastrula unterschieden haben.
Aus vergleichend-anatomischen’ und ontogenetischen Gründen
dürfen wir annehmen, daß die Gastraea sich bereits geschlechtlich
fortpflanzte; und nicht bloß auf ungeschlechtlichem Wege (durch
Teilung, Knospenbildung oder Sporenbildung), wie es bei den vorhergehenden
Ahnenstufen wahrscheinlich der F all war. Vermutlich
' bildeten sich einzelne Zellen der primären Keimblätter zu Eizellen,
andere zu befruchtenden Samenzellen aus. Diese Hypothese stützen
wir darauf, daß wir die gleiche einfachste Form der geschlechtlichen
Fortpflanzung noch heutzutage bei einigen lebenden
Gastraeaden sowie bei anderen niederen Tieren antreffen, insbesondere
bei den Schwämmen.
Von ganz besonderem Interesse für diese Seite unserer Gastraea-
theorie ist die Tatsache, daß noch heute verschiedene Ga s t r a e aden
existieren, — oder niedere Metazoen, deren einfache Organisation
sich nur sehr wenig über diejenige der hypothetischen
Gastraea erhebt. Die Artenzahl dieser „Gas t raeaden der
Ge g enwa r t “ ist nicht groß; aber ihr morphologisches und
phylogenetisches Interesse ist so bedeutend, und ihre Mittelstellung
zwischen Protozoen und Metazoen so lehrreich, daß ich bereits
1876 (im dritten und vierten Nachtrage zur Gastraeatheorie) vorschlug,
eine besondere Klasse für sie aufzustellen ^S. 221, 245).
Als drei besondere Ordnungen dieser „Gastraeadenklasse unterschied
ich die Gastremarien, Physemarien und Cyemarien (oder
Dicyemiden). Man kann jedoch diesen drei Ordnungen auch den