
Inhalt des siebenundzwanzigsten Vortrages.
Urdarm und Urmund der Gastrula. Homologie derselben bei allen Metazoen.
Uebersicht über den Bau des ausgebildeten menschlichen Darmkanals. Mundhöhle.
Schlund. Speiseröhre. Luftröhre und Lungen. Kehlkopf. Magen. Dünndarm. Leber
und Gallendarm. Bauchspeicheldrüse. Dickdarm. Mastdarm. Die erste Anlage des
einfachen Darmrohres. Gastrula des Amphioxus und der Schädeltiere. Abschnürung
des Keimes von der Keimdarmblase (Gastrocystis). Urdarm und Dauerdarm. Sekundäre
Bildung von Mund und After aus-der äußeren Haut. Entstehung des Darmepitheliums
aus “ dem Darmdrüsenblatte, aller anderen Teile des Darmes aus dem Darmfaserblatte.
Einfacher Darmschlauch der Gastraeaden, Platoden und Helminthen. Sonderung des
primitiven Darmrohres in Atmungsdarm und Verdauungsdarm. Kopfdarm (Kiemendarm)
und Rumpfdarm (Leberdarm) bei den Enteropneusten, dem Amphioxus und der
Ascidie. Entstehung und Bedeutung der Kiemenspalten. Verlust derselben. Kiemenbogen
und Kiefergerüst. Bildung des Gebisses. Entstehung der Lunge aus der Schwimmblase
der Fische. Schlundrinne oder Hypobrandhialrinne. Sonderung des Magens.
Entstehung der Leber und des Pancreas. Sonderung von Dünndarm und Dickdarm.
Harnblase. Kloakenbildung.
Literatur:
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Meine Herren!
Unter den v e g e ta len O r g anen des mensdilichen Körpers,
zu deren Bildungsgeschichte wir uns jetzt wenden, steht allen
anderen der Darmkanal voran. Denn unter allen Organen des
Metazoenkörpers ist das Darmrohr das äl tes te Organ und
führt uns in die früheste Zeit organologischer Sonderung, bis in
die ersten Abschnitte des laurentischen Zeitalters zurück. Wie
wir schon früher sahen, mußte das Resultat der ersten Arbeitsteilung
zwischen den gleichartigen Zehen des ältesten vielzelligen
Tierkörpers die Bildung einer ernährenden Darmhöhle sein. Die
erste Pflicht und das erste Bedürfnis jedes Organismus ist die
Pflicht der Selbsterhaltung. Dieser Pflicht wird genügt durch
die beiden Funktionen der Ern ährung und der B e d e c k u n g
des Körpers. -Als daher in dem uralten Hohlkugeltier Blastaea,
dessen phylogenetische Existenz uns noch heute durch die onto-
genetische Entwickelungsform der Blastula bewiesen wird, die
einzelnen gleichartigen Blastodermzellen anfingen, sich in die
Arbeiten des Lebens zu teilen, mußten sie zunächst einen zweifach
verschiedenen Beruf ergreifen. Die eine Hälfte verwandelte
sich in ernährende Zehen und umschloß eine verdauende
Höhlung, den Darmkanal. Die andere Hälfte hingegen büdete
sich in deckende Zehen um und schuf so eine äußere Hülle
um dieses Darmrohr und zugleich um den ganzen Körper. So
entstanden die beiden primären Keimblätter: das innere, ernährende
oder v e g e t a l e Blatt und das äußere, deckende oder
anima le Blatt. (Vergl. S. 544— 551-) -
Wenn wir versuchen, uns in der denkbar einfachsten Form
einen Tierkörper zu konstruieren, der einen solchen primitiven
Darmkanal und die beiden, dessen Wand bildenden primären
Keimblätter besitzt, so kommen wir notwendig auf die höchst
merkwürdige Keimform der Gas t rula , die wir in wunderbarer
H a e c k e l, Anthropogenie. 5 . Aufl. 5 *