
Schnurwürmer (Nemertina) und zweitens die Eiche lwürme r
(Enteropneusta). Beide Klassen besitzen noch ein vollständiges
Flimmerkleid der Oberhaut, ein Erbstück . von den Turbellarien
und Gastraeaden; beide haben auch bereits zwei Darmöffnungen,
Mund und After, gleich den Gastrotrichen. Aber ein wichtiges
neues Organsystem, das jenen älteren Formen noch ganz fehlt,
tritt hier zum ersten Male auf, das Blu t g e f ä ß s y s t em (V asorium).
Fig. 296 und 297. Chaetonotus, eine einfachste Vermalienform, aus der
Gruppe der Gastrotrichen. m Mund, r Schlund, d Darm, a After, g Gehirn, n Nerven,,
rr Sinneshaare, au Augen, ms Müskelzfellen, h Haut, ƒ Flimmerbänder der Bauchflache,
nc Nephridien, nm deren Mündung, e Eierstöcke.
In dem stärker entwickelten Mesoderm oder mittleren Keimblatte
erscheinen einige kontraktile Längskanäle, welche durch ihre Zusammenziehungen
das darin enthaltene Blut im Körper umherbewegen,
die ersten Blutgefäße.
D ie Schnurwürme r (Nemertina) waren früher mit den
viel tiefer stehenden Turbellarien vereinigt. Sie unterscheiden sich
von diesen sehr wesentlich durch den Besitz des Afters und der
Blutgefäße, sowie auch durch andere Merkmale höherer Organisation.
Sie haben meistens die Gestalt eines schmalen, langen
Bandes oder einer mehr oder weniger platten Schnur; neben vielen
sehr kleinen Formen gibt es Riesenarten, die bei 5— 10 mm Breite
eine Länge von mehreren Metern (selbst über 10— 15 Meter) erreichen.
Die meisten leben im Meere, einige auch im Süßwasser
und auf feuchter Erde. In der inneren Organisation schließen
sich die Nemertinen einerseits an die niederen Strudelwürmer an,
andererseits an die höheren Vermalien, insbesondere an die Eichelwürmer.
Auch als Vorstufen höherer Metazöenstämme sind sie
neuerdings mehrfach betrachtet und mit den Ahnen bald der
Gliedertiere, bald der Wirbeltiere in direkte Verbindung gesetzt
worden. Als eine Ahnenstufe der Wirbeltiere sind die Nemertinen
insbesondere-von Hubrecht angesehen worden; er vergleicht ihren
eigentümlichen Rüssel mit . der Hypophysis der ersteren, und die
Rüsselscheide mit deren Chorda; ferner betrachtet er ein paar
flimmernde Kopfspalten als Anfänge der Kiemenspalten und ein
paar starke'Seitennerven als Anlagen des Medullarrohrs. Ich halte
diese Vergleichungen von Hubrecht für sehr unsicher. Auch kann
ich nur wenig Gewicht auf die beginnende Gliederung des Körpers
legen, die sich in der Bildung von paarigen Seitentaschen des
Darmes und mit diesen abwechselnden Geschlechtstaschen, sowie
in der Anlage querer Scheidewände äußert. Diese unvollständige
Metamerie-scheint eher die Artikulation der Anneliden, als die
Vertebration der Wirbeltiere einzuleiten. Wohl aber sind jene für
letztere insofern von einiger Bedeutung, als sie gerade in diesen
und anderen Beziehungen mit der nächstfolgenden Klasse, den
Eichelwürmern, übereinstimmen. Jedenfalls sind die Schnurwürmer
auch insofern für uns von hohem phylogenetischen Interesse, als
sie die niedersten und ältesten unter allen heute noch lebenden
blu t führenden Tier en sind. Wir begegnen hier zum ersten
Male wirklichen Blu t g e f ä ß en , welche- echtes Blut .im Körper
umherführen, jenen wichtigen, an Nahrungsstoffen reichen Saft
welcher in der Ernährung, der Atmung und dem Stoffwechsel
aller höheren Tiere eine so große Rolle spielt. Ja, das Blut
ist sogar bei einigen Nemertinen rot gefärbt, und der rote Farbstoff
ist echtes Hämo g lo bin, an elliptische, scheibenförmige
Blutzellen gebunden," wie bei den Wirbeltieren. Die meisten
Schnurwürmer besitzen zwei oder drei parallele Blutkanäle, die
der Länge nach durch den Körper laufen und vorn und hinten
durch Schlingen, oft auch durch viele ringförmige Anastomosen
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