
Inhalt des dreissigsten Vortrages.
Rückblick auf den zurückgelegten Weg der Keimesgeschichte. Deutung der
letzteren durch das Biogenetische Grundgesetz. . Ihre kausale Beziehung zur Stammesgeschichte.
Vererbung von durch Anpassung erworbenen Eigenschaften. Die rudimentären
Organe des Menschen. Dysteleologie oder Unzweckmäßigkeitsle'hre. Erbstücke von
den Affen. Stellung des Menschen im natürlichen System des Tierreichs. Der Mensch
als Wirbeltier und Säugetier. -Spezielle Stammverwandtschaft des Menschen und Affen.
Die Zeugnisse der Affepfrage. Der göttliche Ursprung des Menschen. Adam und Eva.
Entwickelungsgeschichte der Seele. Bedeutende Seelenunterschiede innerhalb einer einzigen
Tierklasse. Sängetierseelen und Insektenseelen. Ameisenseele und Schildlausseele.
Menschenseele und Affenseele..; Organ der Seelentätigkeit: Zentralnervensystem. Onto-
geme und Phylogenie der Seele, Monistische und dualistische Seelen theorie,. Vererbung
der Seele. Bedeutung des Biogenetischen Grundgesetzes für die Psychologie. Bedeutung
der Anthropogeme für den Sieg der monistischen Philosophie. Natur und Geist.
Naturwissenschaft und Geisteswissenschaft. Monismus und Dualismus. Reform der
Weltanschauung durch" die Anthropogenie.
Literatur:
■ Jean Lamarck, 1809. Philosophie Zoo'logique. Nouvelle E d ition 1873. P a ris.
(Deutsche TJebersetzung von Arnold Lang, 187g. Jena.)
Charles Darwin, 1871. D ie Abstammung des Menschen und die geschlechtliche
Zuchtwahl. S tuttgart.
■ D e r s e lb e ,. 1873. D er Ausdruck der Gemütsbewegungen bei den Menschen und den
Tieren. S tu ttg a rt.
Em s t Ilaeckel, 1866. Generelle Morphologie der Organismen. I. B d . Allgem eine
Anatomie. II. B d . Allgem eine Entwichelungsgeschichte. B erlin .
D e r s e l b e , 1868. N atürliche Schöpfungsgeschichte. 10. A u fi. 1902. B erlin .
Carl (legenbaur, 1883. Lehrbuch der Anatomie des Menschen. 7. A u fi. 1899.
D e r s e lb e , 1898. Vergleichende Anatomie der W irbeltiere. 2 Bde. - Leipzig.
Enrico Mörsern, 1888. L ’uomo- secondo la teoria Hella evoluzione. Torino
Robert Wiederslieim,1888. D er Bau des Menschen a ls Z e u g n isfiiir seine Ver-
gangenheit. 3. A u fi. igo2. Tübingen.
P a u l Topinard, 1 8 8 8 . Anthropologie. Uebersetzt von R ichard Neuhauss. Leipzig.
August Weismann, 1883— 1902. Vorträge über Descendenztheorie. 2 Bde. Jena.
Lester E. Ward, 1883. .. Dynamic Sociology, or applied S o cia l Science, as based
upon sta tiea l Sociology and, the less complex Sciences. 2 Voll. Washington.
D e r s e l b e , 1891. Neo-Darwinism and Neo-Lamarckism.
P a u l Carus, 1891. T h e S o u l'o fi M an. A n in v e stig a tio n flf th e fa c ts o f physiological
and experim ental psychology. Chicago.
Em s t Krause (Carus Sterne), 1889. D ie allgemeine Weltanschauung in ihrer
historischen Entwickelung. B erlin .
Ludwig Zehnder, 1899. D ie Entstehu ng des Lebens aus mechanischen Grundlagen
entwickelt. Freiburg.
Em s t HaecUel, 1894^-1896. Systematische Phylogenie. ~ ( I B d . Protisten und
Pflanzen. I I . Bd. Wirbellose Tiere. III. Bd. W irbeltiere.) B eriin .
Derselbe^, 1899. D ie W elträtsel. Gemeinverständliche Studien über Monistische
Philosophie. 8. A u fi. 1902. (Volksausgabe 1903. 4 8 .- 6 7 . Tausend.) Bonn.
XXX.
Meine Herren!
Nachdem wir nunmehr das wunderbare Gebiet, der menschlichen
Entwickelungsgeschichte durchwandert und die wichtigsten
Teile desselben kennen gelernt haben, ist es wohl angemessen,
jetzt <a.m Schlüsse unserer Wanderung den zurückgelegten Weg
zu überblicken, und anderseits einen Blick auf den weiteren Pfad
der Erkenntnis zu werfen, zu welchem uns dieser Weg in Zukunft
führen wird. Wir sind ausgegangen von den einfachsten Tatsachen
der Ontogenese, der individuellen Entwickelung des Menschen:
von Beobachtungen, die ■ wir in jedem Augenblicke wiederholen
und mittelst- mikroskopischer oder anatomischer Untersuchung
festsfellen können. Von diesen ontogenetischen Tatsachen ist die
erste und wichtigste, daß jeder Mensch, wie jedes andere Tier, im
Beginne seiner individuellen Existenz eine einfache Zel l e ist.
Diese kugelige Eizelle zeigt dieselbe typische Formbeschaffenheit
und Entstehungsweise, wie jedes andere Säugetierei. Aus ihr entwickelt
sich bei allen Zottentieren in gleicher Weise durch wiederholte
Teilung eine vielzellige Keimblase (Blastula). Diese letztere
verwandelt sich in einen Becherkeim (Gastrula) und dieser wiederum
in eine Keimdarmblase (Blastocystis). Die beiden verschiedenen
Zellenschichten, welche deren Wand zusammensetzen, sind die beiden
primären Keimblätter: Hautblatt (Ektoderm) und Darmblatt (Entoderm).
... Diese doppelblätterige Keimform, ist die ontogenetische
Wiederholung jener außerordentlich wichtigen phylogenetischen
Stammform aller Darmtiere, die wir mit dem Namen Gastraea
bezeichnet haben. Da der Keim des Menschen, gleich dem der
anderen Darmtiere, die Gastrula-Form durchläuft, so können wir
auch seinen phylogenetischen Ursprung auf die Gastraea zurückführen.!
Indem wir die Keimesgeschichte der zweiblätterigen Keimform
weiter verfolgten, sahen wir, daß zunächst zwischen den