
man die Entstehung aller einzelnen Teile verfolgt, desto mehr
überzeugt man sich von dem unzertrennlichen Zusammenhang der
Keimesentwickelung mit der Stammesentwickelung. Au c h die
Onto g eni e der Or g ane kann nur durch ihre Phylo-
g enie ve r s tanden und e rk lä r t werden; ebenso wie die
Keimesgeschichte der ganzen Körperform (der „Person“) nur durch
ihre Stammesgeschichte verständlich wird. J e d eK e imf o rmi s t
durch eine ent spre chende Stammfo rm bedingt . Das
gilt im einzelnen wie im ganzen.
Indem wir nun jetzt an der Hand des Biogenetischen Grundgesetzes
eine allgemeine Uebersicht über die Grundzüge der Entwickelung
der einzelnen menschlichen Organe zu gewinnen suchen,
werden wir zunächst die animalen und sodann die vegetalen Organsysteme
des Körpers in Betracht ziehen. Die erste Hauptgruppe
der Organe, die animalen Or g ans y s t eme , besteht aus dem
Seelenapparat und dem Bewegungsapparat. Zum Se e lenappar at
gehören die Hautdecke, das Nervensystem und die Sinnesorgane.
Der Bewe g u n g s a p p a r a t ist aus den passiven Bewegungsorganen
(dem Skelett) und den aktiven Bewegungsorganen (den
Muskeln) zusammengesetzt. Die zweite Hauptgruppe der Organe,
die v e g e ta l en Or g ans y s t eme , besteht aus dem Ernährungsapparat
und dem Fortpflanzungsapparat. Zu dem E rn ä h r u n g s apparat
gehört vor allem der Darmkanal mit allen seinen Anhängen,
ferner das Gefäßsystem und das Nierensystem. Der F o r t pf
lanzungsapparat umfaßt die verschiedenen Geschlechtsorgane
(Keimdrüsen, Geschlechtsleiter, Copulativa).
Wie Sie bereits aus den früheren Vorträgen (XI;—XIII) wissen
entwickeln sich die animalen Organsysteme (die Werkzeuge
der Empfindung und Vorstellung) zum größten Teile aus dem
äußeren primären Keimblatte, aus dem Hautblatte, Hingegen
entstehen die v e g e ta l en Organsysteme (die Werkzeuge der Ernährung
und Fortpflanzung) zum größten Teile aus dem inneren
primären Keimblatte-, aus dem Darmblatte. Freilich ist dieser
fundamentale Gegensatz zwischen der animalen und vegetativen
Sphäre des Körpers beim Menschen sowohl wie bei allen höheren
Tieren keineswegs durchgreifend; vielmehr entstehen viele einzelne
Teile des animalen Apparates (z. B. der größte Teil der Muskeln)
aus Zellen, welche ursprünglich Abkömmlinge des Entoderms sind;
umgekehrt ist ein großer Teil des vegetativen Apparates (z. B.
die Mundhöhle^ und die Gonodukte) aus Zellen zusammengesetzt,
die vom Ektoderm abstammen.
V e g e ta le O rg an sy s tem e J A. A nima le O rg an sy s tem e
Neununddreissigste Tabelle.
Uebersicht über die Organapparate des menschlichen Körpers.
(N. B. Der Ursprung der einzelnen Organe aus den vier sekundären Keimblättern ist
durch die römischen Ziffern -ff— IV) angedeutet: I. Hautsinnesblatt. II. Hautfaserblatt.
TU. Darmfaserblatt. IV. Darmdrüsenblatt.
S in n e s apparat
Sensorium
b.
B e w
e g u n g s apparat
Motor nom
1. Hautdecke I
{Tçgumentum) '
2. Z en tra le s I
N e rv en sy stem j
3. P e r ip h e re s J
Ne rv en sy stem
4. S in n e s o
rgane
(Sensilla)
5. M u sk e ls
y s tem
(Aktive Bewegungsorgane)
6. S k e le t t sy
s tem
(Passive Bewegungsorgane)
Oberhaut
Lederhaut
Gehirn
Rückenmark
Markhüllen
Gehimnerven
Rückenmarksnerven
Eingeweidenerven
Gefühlsorgan (Haut)
Geschmacksorgan
(Zunge)
Geruchsorgan (Nase)
Gesichtsorgan (Auge)
Gehörorgan (Ohr)
Epidermis I
Corium II
Encephalon I
Medulla spinalis I
Meninges II
Nervi cerebrales
Nervi spinales
Nervi sympathici
Org. tactus
Org. gustus
Org. olfactus
Org. visus
Org. auditus
1+11
I Hautmuskeln
I Skelettmuskeln
irbelsäule
I Wi:
< Sch
Schädel
Gliedmaßenskelett
Musculi cutanei
Musculi skeleti
V ertebrarium
Cranium
Meloskeleton
c.
E r nährun
gs apparat
N utritorium .
7. Darm- 1
Sys tem <
(Gastralium)
8. G e fä ß s
y s tem <
( Vasorium)
9. Nierens
y s tem
(Organa
urinarid)
Verdauungsorgane O. digestiva I n i + IV
Atmungsorgane O. respiratoria J
Leibeshöhle Çoeloma I I + III
Lymphgefäße Vasa lymphatical I I + I n
Blutgefäße VasasanguiferaJ
Herz Cor IH + IV
Nieren Renes H + I II
Harnleiter Uretères I + II
Hamblase Urocystis IH + IV
d.
F o rtp flanzu
n g s -
apparat
Propagatorium
IO.
G e s ch le ch ts organe
(1Organa sexualia)
Geschlechtsdrüsen Gonades 1 II
(A. Eierstöcke) (A. Ovaria) f +
(B. Hoden) ' UfB . Spermaria) ’ I II
Geschlechtsleiter Gonoductus | I
(A. Eileiter) (A. Oviductus) !•-(-
(B. Samenleiter) (B. Spermaductus) J 11
Kopulationsorgane Copulativa . j
(A. Scheide) (A. Vagina) > I + n
(B. Ruthe) (B. Penis) )
H a e c k e l , Anthropogenic. 5. Aufl. 44