
gelangt durch den vorn oder mitten gelegenen Mund direkt in
diese verdauende Marksubstanz hinein, in der eine permanente
Darmhöhle meistens nicht sichtbar (oder ganz zusammengefallen)
ist; daher wurden diese primitiven Platoden auch als A c o e l a
(ohne Darmhöhle) bezeichnet — oder richtiger als Crypto co e la
oder Pseudocoela. Die Geschlechtsorgane dieser hermaphroditischen
Platodarien sind höchst einfach gebaut, zwei Paar bandförmige
Zellenstränge, von denen die inneren (Ovarien, Fig. 293 0) Eier
liefern, die äußeren (Sper-
marien, s) Samenzellen. Die
beiderlei Gonaden sind hier
noch nicht selbständige Geschlechtsdrüsen,
sondern noch
sexuell differenzierte Zellgruppen
der Marksubstanz —
oder mit anderen Worten:
Bestandteile der parenchymatösen
Darmwand. Ihre Produkte
, die Geschlechtszellen,
Fig. 293. Aphanostomum
Langii (Haeckel), ein UrwurmTaüs der
Klasse der P l a t o d a r i e n , Ordnung
der Cryfitocoelen oder Acoelen. Diese
neue Art der Gattung Aphanostomum,
zu Ehren von Professor A rno ld Lang
in Zürich benannt, wurde im September
1899 in Ajaccio auf Corsica (zwischen
Fucoideen kriechend) gefunden; „sie ist
2 mm lang, i mm breit, von violetter
Farbe, a Mundöffnung, g Gehörbläschen
(Statocyst), e Ektoderm, i -Entoderm
(„verdauendes Parenchym“), o
Eierstöcke, s Samenstöcke, f weibliche
Oeffnung, m männliche Oeffnung.
werden hinten durch zwei Paar kurze Kanäle ausgeführt; die männliche
Oeffnung (m) liegt gleich hinter der weiblichen (ƒ). Den
meisten Platodarien fehlt der muskulöse Schlundkopf, der bei
den Turbellarien und Trematoden sehr entwickelt ist. Dagegen
besitzen sie meistens vor oder hinter der Mundöffnung ein bläschenförmiges
Sinnesorgan („Gehörbläschen oder Gleichgewichtsorgan“ g),
viele auch ein Paar einfache Augenflecke. Die Zellengruppe des
Ektoderms, die darunter liegt, ist etwas verdickt und zeigt (als epidermale
„Scheitelplatte“) die erste Anlage zu einem Nervenknoten
(Scheitelhirn oder Acroganglion).
Die St rude lwürme r (Turbellaria), zu denen früher auch
die ähnlichen Platodarien, gerechnet wurden, unterscheiden sich
von ihnen wesentlich durch höhere Differenzierung der Organe
und insbesondere durch die Erwerbung eines zentralen Nervensystems
(Scheitelhirn) und ausscheidender Nierenkanäle (Nephridia);
beide entstehen aus dem Ektoderm. Zwischen beiden Kennblattern
aber entwickelt sich ein parenchymatöses Mesoderm, eine weiche
Bindegewebsmasse, in welche die Organe eingebettet sind. Die
Turbellarien sind heute noch durch zahlreiche, sehr verschiedene
Formen vertreten, die' teils im Meere, teils im Süßwasser leben.
Von diesen sind wohl die ältesten und ursprünglichsten jene
niedersten und winzig kleinen Formen, die man wegen ihrer
einfachen Darmbildung als Stabdarmtiere (Rhabdocoela) bezeichnet.
Ihr Körper ist meist nur wenige Millimeter lang, von
cranz einfacher, länglich-runder, ovaler oder lanzettförmiger Gestalt
(Fig. 294). Die Oberfläche ist mit einfachem Wimperepithel bedeckt,
einer Schicht von flimmernden Ektodermzellen. Der ernährende
Darmkanal ist noch der einfache Urdarm der Gastraea (d),
mit einer einzigen Oeffnung, die Mund und After zugleich ist (m).
Jedoch hat sich am Munde eine Einstülpung des Ektoderms gebildet
durch welche ein muskulöser Schlundkopf entstanden ist (sd).
Sehr ’bemerkenswert ist, daß die Mundöffnung der Turbellarien
'/_ dem Urmunde der Gastraea homolog —) innerhalb dieser
Klasse die verschiedenste Lage in der Mittellinie der Bauchflache
haben kann; bald liegt sie hinten (Opisthostomum), bald in der Mitte
(Mesostomum), bald vorn (Prosostomum). Diese ventrale Wanderung
des Mundes von hinten nach vorn ist deshalb sehr interessant,
weil sie einer p h y lo g en e t i s c h en Mundwande rung entspricht
Eine solche hat wahrscheinlich bei den Platodenahnen
der meisten (oder aller?) Coelomarien stattgefunden; derbleibende
Mund oder Dauermund {Metastoma) liegt hier am vorderen
Ende (Oralpol), während der ursprüngliche Urmund {Prostoma)
am hinteren Ende des bilateralen Körpers lag.
Zwischen den beiden primären Keimblättern, von denen das
äußere, animale die Oberhaut, das innere, vegetale die Darmhaut
bildet findet sich bei den meisten Turbellarien eine enge Höhle,
in welcher einige sekundär entstandene Organe liegen. Diese
Höhle ist der Rest der Ke imhö hl e (.Blastocoel, S. 167), oder
der „primären Leibeshöhle“ ; sie ist nicht zu. verwechseln mit
der echten oder „sekundären Leibeshöhle“ (Enterocoel), welche den
■ meisten Coelomarien zukommt, aber den Platoden noch fehlt.