
Siebenundfünfzigste Tabelle.
Uebersicht über die Stammesgeschichte des menschlichen
Nierensystems (noch sehr unsicher!).
L: Erste Stufe: Stammniere (Archinephros).
D ie N iere wird bei den ungegliederten wirbellosen Vo rfahre n der
Wirbeltiere durch ein P a a r einfache schlauchförmige D rü se nkan äle gebildet
(vielleicht ursprünglich aus dem Ek to d e rm entstanden, später im
Me sode rm gelegen — oder laterale D rü se nrin ne n der Oberhaut ?).
IA . Stammniere der Platoden.
D ie N ie re n der Plattentiere sind ursprünglich ein Paar einfache D rü se n schläuche
des E k t o d e r m s , außen durch die Oberhaut geöffnet (später
Längskanäle im M e s o d e r m ) . D a eine Leibeshöhle hei den Platoden
n och fehlt, besitzen die inneren E n d e n ihrer Stammnieren (Exkretionsröhren
oder Wassergefäße) n och keine M ü n d u n g ; auch ihre später auftretenden
Aeste sind blind geschlossene „ F l i m m e r k ö r b c h e n “.
IB . Stammniere der Vermalien.
D ie paarigen schlauchförmigen H au td rü se n verlängern sich in gewundene
drüsige Kanäle, deren inneres E n d e sich durch einen F l i m m e r t
r i c h t e r in die Leibeshöhle öffnet (— oder die beiden Coelomtaschen
brechen von innen nach außen durch ? -— -}.
IC. Stammniere der Prochordonier.
M i t der Sonderun g des K ö rp e r s in K o p f Und R um p f (K iem e n darm
u nd Leberdarm) tritt eine Sonderun g der paarigen Stammnierengänge
in zwei Abschnitte ein: K o p f n i e r e (die späte re ,„Vomie re“)
und R u m p f n i e r e (der spätere „Vomieren gan g“). Erstere mündet v om
durch einen Flimmertrichter in die Kopfhöhle, letztere hinten durch einen
Uroporus nach außen (?).
II. Zweite Stufe: Vomiere: Pronephros.
D ie N ie re unterliegt mit der beginnenden Gliederung des W irb e ltierkörpers
( Vertebration) ebenfalls einer segmentalen G l i e d e r u n g ; die
H ö h le jedes Ursegmentes verbindet sich durch einen V o r n i e r e n -
k a n a 1 (Pronephridium) mit dem Rumpfnierengang (jetzt V o r n i e r e n g
a n g , Nephroductus .«oder Segmentalductus) (?). ~
I I A . Vomiere der Prospondylier.
D ie einfache Leibeshöhle jedes Ursegmentes bildet eine laterale
Ausstülpung, welche außen in den ektodermalen Nephroductus mündet
(vielleicht auch ursprünglich in eine laterale L äng srin ne der Hornplatte,
aus welcher erst durch A b sc h n ü ru n g der N ep h rod u k t entstand? Vergl.
Taf. V I , Fig. 5 S -8 ).
I I B . Vorniere der Acranier (Amphioxus).
Jedes Ursegment hat sich durch eine laterale E in sch n ü ru n g (Bildung
des Frontalseptum) in eine obere oder dorsale Coelomtasche (Myotom,
Episomit) u nd eine untere oder ventrale Coelomtasche (Gonotom, H y p o -
somit) gesondert; aus der H ö h le der ersteren (Myocoel) tritt das Sekret
der M u sk e ln aus (H am ), aus der H ö h le der letzteren ( Gonocoel) die
Geschlechtsprodukte. Beide Sekrete werden durch den segmentalen
Vornierenkanal ausgeführt, der mit einem inneren Flimmertrichter in ein
Divertikel des Gonotoms mündet, mit einer äußeren M ü n d u n g in den
Nephroductus. Letzterer ist bei Am p h io x u s zur Mantelhöhle (Peri-
branchialhöhle) erweitert (?). In das Coelomdivertikel, in welches der
Flimmertrichter mündet, wächst eine segmentale Darmgefäßschlinge hinein.
I I C . Vorniere der Cyclostomen.
D ie Vo rnie re n bilden im hintersten Teile des Kopfabschnittes ein
paar kleine, traubenförmige Drüsen, ursprünglich zusammengesetzt aus
einer geringen Z a h l von (meistens 3 — 4) segmentalen Schläuchen; diese
Pronephridien münden mit ihren medialen Flimmertrichtern in das K o p f -
coelom (oder die primäre Pericardialhöhle, Cardiocoel), mit ihren lateralen
Oeffnungen in das vordere E n d e des Vornierenganges. D e r Pron ephros
bleibt bei den M y x in o id e n zeitlebens bestehen, während er bei den
Petromyzonten schon in früher Jugend rückgebildet wird. F u n k tionell
tritt frühzeitig an seine Stelle die Urniere.
H D . Vorniere der Gnathostomen.
r D ie V om ie re tritt im Em b ry o aller kiefermündigen Schädeltiere, als
Erbstüc k v o n den Cyclostomen, frühzeitig auf; hat aber meistens ihre
physiologische Bedeutung gan z verloren u nd wird bald rückgebildet.
U n te r den A n a m n i e n ' bleibt sie • n och bisweilen bestehen bei den
Kn och en fische n u nd entwickelt sich zu vorübergehender Bedeutung bei
den La rve n vieler Amphibien. B e i den A m n i o t e n tritt sie als rud imentäres
Organ ganz zurück (nach einigen neueren A n g a b e n soll hier der
innere Trichter des Afö//«rschen Ganges sich daraus entwickeln ?).
III. Dritte Stufe: Urniere: Mesonephros.
D ie segmentale.Vorniere (Pronephros) der ältesten u nd niedersten
Wirbeltiere wird allmählich ersetzt u nd verdrängt durch eine, zweite
Generation v o n N ep h rid ie n : segmentalen K a n ä le n , weiche sich nach
hinten, oben u nd außen v o n den ersteren entwickeln; diese d o r s o -
l a t e r a l e n U r n i e r e n k a n ä l e (Mesonephridia) münden ursprünglich
— ganz ebenso wie ihre Vorgänger, die vor ihnen gelegenen v e n t r o -
m e d i a l e n V o r n i e r e n k a n ä l e {Protonephridia) — innen mit F limmertrichtern
in die Leibeshöhle, außen in den Nephroductus; dieser „ V o r -
n i e r e n g a n g “ wird dadurch zum „ U r n i e r e n g a n g “.
I I I A . Urniere der Cyclostomen.
W ä h re n d die kleine Vo rnie re als rudimentäre „ K o p f n i e r e “, in das
Kopfcoe lom mündend, bestehen bleibt, entwickelt sich hinter ih r die
lange Urniere als „Rumpfniete“ ; in einfachster u nd ursprünglichster F o rm
bei Bdellostoma: zahlreiche kurze Segmentalkanäle münden mit dem inneren
Flimmertrichter in das Goelom, mit dem äußeren E n d e in den langen V o r -
nierengang, der so zum Urnierengang wird. B e i den übrigen Cyclostomen
(Myxine, Petromyzon) wird d ie -U rn ie re voluminöser u n d komplizierter.