
diese Hypothese schon 1866 in meiner „Generellen Morphologie“
aufgestellt und die hypothetische gemeinsame Stammgruppe als
Protamnioten, später als Proreptilien oder Tocosaurier bezeichnet.
Aber erst viel später wurden die zahlreichen paläozoischen Versteinerungen
bekannt, welche jener wichtigen, auf die Tatsachen
der vergleichenden Anatomie und Ontogenie gegründeten Hypothese
die handgreifliche paläontologische Grundlage gehen. Erst
Fig- 31®. Die Brückenechse (H atteria punctgia = Sphenodon 'punctaius)
von Neuseeland. (Das einzige lebende Proreptil.) Aus Brehm s Tierleben.
im Laufe der beiden letzten Decennien (seit 1881) lernten wir durch
die ausgezeichneten Untersuchungen von Credner und Cope jene
beiden bedeutungsvollen Vertebraten-Ordnungen näher kennen und
würdigen, welche für diesen Abschnitt unseres Stammbaums von der
höchsten Bedeutung sind: einerseits die karbonischen Stegocephalen,
mit denen die Reihe der Pentanomen oder der fünfzehigen Wirbeltiere
beginnt; anderseits die permischen Tocosaurier, die aus jenen
hervorgegangen sind und die Wurzel des Amniotenstammes bilden.
Die wichtige Legion der permischen Stammrept i l ien
(.Tocosauria) , aus' deren gemeinsamer Wurzel die beiden divergenten
Stämme der Sauropsiden und der Mammalien hervorgegangen
sind, zieht als die gemeinsame Stammgruppe aller Amniontiere
zunächst unsere besondere Aufmerksamkeit auf sich. Ein
glücklicher Zufall hat uns von dieser ausgestorbenen Ahnengruppe
einen einzigen lebenden Ueberrest bis heute bewahrt; das ist die
merkwürdige, nur auf der Insel Neuseeland lebende Brückenechse,
Hatteria punctata (Fig. 318). Aeußerlich ist dieses Proreptil zwar
von einer gewöhnlichen Eidechse wenig verschieden; allein in
vielen und wichtigen Merkmalen ihres inneren Baues, vor allem in
der primitiven Bildung der "Wirbelsäule, des Schädels und der
Gliedmaßen, nimmt sie eine viel tiefere Stellung ein und nähert
sich ihren nächsten Lurchahnen, den Stegocephalen. Demnach
Fig. 319. Homoeosaurus pulchellus, ein jurassisches Proreptil aus dem Jura
von Kehlheim. Nach. Z ittel.
ist Ha t t e r ia unter al l en lebenden Rept i l i en als die
ph y lo g en e t i s ch äl tes te Form zu betrachten, als ein isolierter
Ueberrest aus der uralten permischen Schöpfungsperiode, welcher
der gemeinsamen Stammform der Amnioten noch ganz nahesteht.
Sie dürfte von dieser ausgestorbenen Stammform, unseren
hypothetischen Pro tamnioten, so wenig verschieden sein, daß wir
sie unmittelbar an die Proreptilien anschließen können. Zu derselben
Gruppe gehört auch die merkwürdige permische Palae-
hatteria, welche Credner 1888 im rothegenden Gestein des Plauen-
schen Grundes bei Dresden entdeckt hat (Fig. 320). Noch näher
jenen verwandt ist vielleicht die jurassische Gattung Homoeosaurus
(Fig. 319), von welcher trefflich erhaltene Skelette im lithographischen
Schiefer von Solenhofen Vorkommen. Etwas weiter
entfernen sich von der Stammform die permischen Proterosaurier
oder Progonosaurier; zu diesen gehört die berühmte „Ureidechse