
scheidenförmige Blutzellen gebunden, wie bei den Wirbeltieren.
Wie sich weiterhin diese einfachste Anlage des Blutröhrensystems,
entwickelt hat, lehrt uns die Klasse der Ringelwürmer (Anneliden),
bei denen wir dasselbe auf sehr verschiedenen Ausbildungsstufen
antreffen. Zunächst entwickeln sich zwischen Rücken- und Bauchgefäß
zahlreiche Querverbindungen, die ringförmig den Darm umgeben
(Fig. 452). Andere Gefäße wachsen in die Leibeswand h in e in
und verästeln sich, um auch
dieser Blut zuzuführen. Zu den
beiden großen Hauptgefäßen
der Medianebene kommen oft
noch zwei Seitengefäße, ein
rechtes und ein linkes; so
z. B. bei den Blutegeln. Vier
solche parallele Längsgefäße
haben auch die Ent e ro-
pneus ten (Balanoglossus,
Fig. 299). Bei diesen wichtigen
Vermalien ist bereits
der vorderste Abschnitt des
Darmes in einen Kiemenkorb
verwandelt, und diejenigen
Gefäßbogen, welche in der
Wand dieses Kiemenkorbes
vom Bauchgefäß zum Rückengefäß
emporsteigen, haben
sich in atmende Ki eme n -
g e f äße verwandelt.
Fig. 452.
Eig- 45 r Ein einfacher Schnurwurm (Nemer-
tine). m Mund, d Darm, a After, g Gehirn, n Nerven,
h Flunmerhaut, ss Sinnesgruben (Kopfspalten), au Augen.
r Rückengefäß, l Seitengefäße. (Schema.)
Fig. 452- Biutgefäßsystem eines Ringelwurmes
(Saenuris); vorderster Abschnitt, d Rückengefäß,
v 'Bauchgefäß, c Querverbindung zwischen beiden (herzartig
erweitert). Die Pfeile deuten die Richtung des Blutstromes
Fig. 4 5 1 -
an. Nach Gegenbaur.
Einen weiteren bedeutungvollen Fortschritt offenbaren uns die
Mantel t iere, die wir ja als die nächsten Blutsverwandten unserer
uralten Vertebratenahnen zu betrachten haben. Hier begegnen
wir nämlich zum ersten Male einem wirklichen Herzen, d. h.
einem Zent r a le rg anb des Blutkr e i s lauf s , welches durch
die pulsierenden Zusammenziehungen seiner muskulösen Wand die
Fortbewegung des Blutes in den Gefäßröhren allein vermittelt.
Das Herz tritt hier in der einfachsten Form auf, als ein spindelförmiger
Schlauch, der an beiden Enden in ein Hauptgefäß übergeht
(Fig. 256, S. 461; Taf. XIX, Fig. 14 hz). Durch seine ursprüngliche
Lage hinter dem Kiemenkorbe, an der Bauchseite der
Manteltiere (bald weiter vorn, bald weiter hinten), zeigt das Herz
deutlich, daß es durch lokale Erweiterung aus einem Abschnitte
des Bauchgefäßes hervorgegangen ist. Merkwürdig ist die früher
schon erwähnte wechselnde Richtung der Blutbewegung, indem
das Herz abwechselnd das Blut durch das vordere und durch das
hintere Ende austreibt (S. 460). Das ist deshalb sehr lehrreich,
weil bei den meisten Würmern (auch beim Eichelwurm) das Blut
im Rückengefäß in der Richtung von hinten nach vorn,' bei den
Wirbeltieren hingegen in der umgekehrten Richtung, von vorn
nach hinten, fortbewegt wird. Indem das Ascidienherz beständig
zwischen diesen beiden entgegengesetzten Richtungen abwechselt,
zeigt es uns gewissermaßen bleibend den phylogenetischen Ueber-
gang zwischen der älteren Richtung des dorsalen Blutstromes
nach vorn (bei den Wurmtieren) und der neueren Richtung desselben
nach hinten (bei den Wirbeltieren).
Indem nun bei den jüngeren Prochordoniern, welche dem
Wirbeltierstamm den Ursprung gaben, die neuere Richtung bleibend
wurde, gewannen die beiden Gefäße, welche von beiden Enden des
einfachen Herzschlauches ausgehen, eine konstante Bedeutung. Der
vordere Abschnitt des Bauchgefäßes führt seitdem beständig Blut
aus dem Herzen ab und fungiert mithin als Schlagader oder A r terie;
der hintere Abschnitt des Bauchgefäßes führt umgekehrt
das im Körper zirkulierende Blut dem Herzen wieder zu und ist
mithin als Blutader oder Ven e zu bezeichnen. Mit Bezug auf ihr
Verhältnis zu beiden Abschnitten des Darmes können wir die
letztere näher als „Darmvene“, die erstere hingegen als „Kiemenarterie“
bezeichnen. Das in beiden Gefäßen enthaltene Blut, welches
auch allein das Herz erfüllt, ist v enö s e s oder karboni s che s
Blu t , d. h. reich an Kohlensäure; hingegen wird das Blut, welches
aus den Kiemen in das Rückengefäß tritt, dort aufs neue mit
Sauerstoff versehen: ar te r ie l le s oder ox ydi s che s Blut. Die
feinsten Aeste der Arterien und Venen gehen innerhalb der Gewebe
durch ein Netzwerk von äußerst feinen, neutralen Ha a r ge
fäßen oder Kapi l l a r en ineinander über (Fig. 445).
Wenn wir uns nun von den Tunicaten zu dem nächstverwandten
Amphioxus wenden, so werden wir zunächst durch einen
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