
von den weiblichen Genitalien. Die Bedeutung der einzelnen Teile-
ergibt sich aus der Vergleichung mit Fig. 499—504 und deren
Erklärung (S. 902).
Bisweilen unterbleibt die normale Verwachsung der beiden
Geschlechtswulste beim Manne, und auch die Geschlechtsrinne
kann offen bleiben (Hypospadict, Fig. 505). In diesen Fällen gleichen
die äußeren männlichen Genitalien den weiblichen, und solche Fälle
Fig. 506.
Fig. 505. Hypospadie eines Mannes
von 22 Jahren. (M ännlicher äußerer Hermaphrodism
us.) Der normale Verschluß der
Geschlechtsrinne ist unvollständig geblieben,,
ebenso die Verwachsung der Geschlechtswülste;
daher ist der Hodensack vorn oben
gespalten; im unteren Ende der Spalte mündet
Fig. 505. (bei u) der Urogenitalkanal. Da auch der
Penis mangelhaft entwickelt ist und einer
großen C litoris gleicht, entsteht große äußere Aehnlichkeit mit weiblichen Genitalien.
(„Falsche Zwitterbildung“ .) Nach W. Gruber.
Fig. 506. Epispadie eines Mannes, das Gegenstück zu Fig. 505. Der Penis
ist an der oberen Seite gespalten, und der Urogenitalkanal mündet oben an seiner
dorsalen Wurzel nach außen. Nach Bergh.
sind oft irrtümlich als Zwitterbildung angesehen worden (falscher
Hermaphrodismus). Auch andere Mißbildungen mannigfacher Art
sind an den äußeren Geschlechtsteilen des Menschen und anderer
Säugetiere nicht selten, und zum Teil von hohem morphologischen
Interesse. Das Gegenstück zur Hypospadie (Fig. 505), wo der Penis
unten gespalten bleibt, bildet die Epi spadie, wo die Harnröhre
oben offen bleibt {Fig. 506); hier mündet der Urogenitalkanal hoch
oben an der dorsalen Wurzel des Penis, dort hingegen tief unten.
Durch sölche und andere zu fä l l ig e „Hemmungsbi ldung en
wird die Zeugungsfähigkeit des Mannes verhindert und dadurch
sein ganzes Lebensschicksal in schwerwiegendster Weise beeinflußt.
Sie liefern schlagende Beweise dafür, daß unsere Geschicke nicht
von einer „gütigen Vorsehung“, sondern vom „blinden Zufall bestimmt
werden.
Von diesen und anderen Fällen der „falschen Zwitterbildung
sind die viel selteneren Fälle des„wahren H e rmaphrodi smus
wohl zu unterscheiden. Dieser ist nur dann vorhanden, wenn die
wesentlichsten Fortpflanzungsorgane, die beiderlei Keimdrüsen oder
Gonaden, in einer Person vereinigt sind. Entweder ist dann rechts
ein Eierstock, links ein Hoden entwickelt (oder umgekehrt); oder
es sind aüf beiden Seiten Hoden urid Eierstöcke, die einen mehr,
die anderen weniger entwickelt. Da wahrscheinlich die ursprüngliche
Geschlechtsanlage bei allen Wirbeltieren hermaphroditisch
war und nur durch Differenzierung der zwitterigen Anlage^ die
Gesehlechtstrennung entstanden ist, so bieten diese merkwürdigen
Fälle keine theoretischen Schwierigkeiten dar. Sie kommen aber
beim Menschen und den höheren Wirbeltieren nur sehr selten vor.
Hingegen finden wir den ursprünglichen Hermaphrodismus konstant
bei einigen niederen Wirbeltieren, so bei einigen Myxinoiden,
bei -manchen barschartigen Fischen (Serranus) und bei einzelnen
Amphibien (Unken, Kröten).. Hier hat häufig das Männchen am
vorderen Ende des Hodens einen rudimentären Eierstock; hingegen
besitzt das Weibchen bisweilen einen rudimentären, nicht funktionierenden
Hoden. Auch bei den Karpfen und einigen anderen
Fischen kommt dies gelegentlich vor. Wie in den Ausführgängen
bei den Amphibien Beziehungen zur ursprünglichen Zwitterbildung
angedeutet sind, haben wir schon vorher gesehen.
Der Mensch zeigt uns in der Keimesgeschichte seiner Harn-
und Geschlechtsorgane noch heute die Grundzüge ihrer Stammesgeschichte
getreulich erhalten. Schritt für Schritt können wir die
fortschreitende Ausbildung derselben beim menschlichen Embryo
in derselben Stufenleiter verfolgen, welche uns die Vergleichung
der Urogenitalien bei den Acraniern, Cyclostomen, Fischen, Amphibien,
Reptilien und sodann weiter in der Reihe der Säugetiere,
bei den Kloakentieren, Beuteltieren und den verschiedenen Placen-
taltieren nebeneinander vor Augen führt (vergl. die 57-—59- Tabelle).
Alle Eigentümlichkeiten in der Urogenitalbildung, durch welche
sich die Säugetiere von den übrigen Wirbeltieren unterscheiden, besitzt
auch der Mensch; und in allen speziellen Bildungsverhältnissen