
gemeinsame Eigentümlichkeit der Embryonen aller Reptilien,
Vögel und Säugetiere. (Vergl. Fig. 207, 208, S. 397.)
Aber auch in der Ausbildung vieler innerer Organe zeigt sich
bei allen Amniontieren ein Fortschritt, durch den sie sich über die
höchsten Amnionlosen erheben. Insbesondere bildet sich im Herzen
eine Scheidewand innerhalb der einfachen Kammer aus, durch
welche dieselbe in zwei Kammern, eine rechte und linke, zerfällt.
Im Zusammenhang mit der völligen Metamorphose der Kiemenbogen
findet eine weitere Entwickelung des Gehörorgans statt.
Ebenso zeigt sich ein bedeutender Fortschritt in der Ausbildung
des Gehirns, des Skeletts, des Muskelsystems und anderer Teile.
Als eine der wichtigsten Veränderungen ist schließlich noch die
Neubildung der Nieren hervorzuheben. Bei allen niederen bis
jetzt betrachteten Wirbeltieren haben wir als ausscheidende oder
Harn absondernde Apparate die Urnie r en angetroffen, welche
auch bei allen höheren Wirbeltieren bis zum Menschen hinauf sehr
frühzeitig im Embryo auftreten. Allein bei den Amniontieren verlieren
diese malten Urnieren schon frühzeitig während des Embryolebens
ihre Funktion, Und diese wird von den bleibenden Na c h nieren
oder „sekundären Nieren“ übernommen, welche aus dem
Endabschnitte der Urnierengänge hervorwachsen.
Wenn Sie nun alle diese Eigentümlichkeiten der Amniontiere
nochmals zusammenfassend überblicken, so. werden Sie wohl nicht
zweifeln können, daß alle Tiere dieser Gruppe, alle Reptilien, Vögel
und Säugetiere, gemeinsamen Ursprungs sind und eine einzige
stammverwandte Hauptabteilung bilden. Zu dieser gehört aber
auch unser eigenes Geschlecht.. Au c h der Mens ch i st seiner
ganzen Or g ani s a t ion und Ke ime s g e s ch i c h t e nach
ein echtes Amn iont i e r und stammt mit allen übrigen Am-
nioten zusammen von dem Protamnion ab. Wenn auch schon zu
Ende (oder vielleicht selbst in der Mitte) des paläozoischen Zeitalters
entstanden,. kam dennoch die ganze Gruppe erst während
des mesozoischen Zeitalters zu ihrer vollen Entfaltung und Blüte.
Die beiden Klassen der Vögel und Säugetiere treten innerhalb
dieser Hauptperiode überhaupt zuerst auf. Aber auch die
Reptilienklasse entfaltet erst innerhalb derselben ihre L ganze
Mannigfaltigkeit, und nach ihr wird sie sogar „das Zeitalter der
Reptilien“ genannt. Auch das ausgestorbene Protamnion, die
Stammform der ganzen Gruppe, ist ihrer gesamten Organisation
nach zu den Reptilien zu stellen. Die alte permische Uebergangs-
gruppe, zu welcher diese Protamnioten gehören, habe ich in
meiner „Systematischen Phylogenie der Wirbeltiere (S. 282 506)
als Stammrept i l ien (Tocosanria) eingehend erläutert und in
drei Ordnungen eingeteilt: 1) Pro r ep t i l ia {Protamnion, Palae-
hatteria und Sauromammalia); 2) P ro g ono s aur ia {Protero-
saurüs und Mesosaurus); 3) Rhvnch o c ep h a l ia {Rhyncho-
saurns und Hatteria).
Den Stammbaum der ganzen Amniotengruppe legt uns in den
wesentlichsten Grundzügen gegenwärtig ihre Paläontologie, vergleichende
Anatomie und Ontogenie klar vor Augen. Die nächste
Descendentengruppe des Protamnion spaltete sich in zwei divergierende
Hauptäste. Die eine Hauptlinie, welche demnächst allein unser
ganzes Interesse in Anspruch nehmen wird, bildet die Klasse der
S ä u g e t i e r e {Mammalia). Die andere Hauptlinie, welche nach
einer ganz anderen Richtung hin sich fortschreitend entwickelte,
und welche nur an der Wurzel mit der Säugetierlinie; zusammenhängt,
ist die umfangreiche vereinigte Gruppe der Reptilien und
Vögeb; diese beiden Klassen kann man mit Huxley passend als
Saurops iden zusammenfassen. Als gemeinsame Stammform der
letzteren ist ein ausgestorbenes- eidechsenartiges Reptil aus der
Gruppe der Schnabelköpfe (Rliynchocephalia) zu betrachten. Aus
diesem haben sich als mannigfach divergierende Zweige die
Schlangen, Krokodile, Schildkröten, Drachen u. s. w., kurz alle
die verschiedenen Formen der Reptilien-Klasse entwickelt. Aber
auch die merkwürdige Klasse der V ö g e l hat sich direkt aus
einem Zweige der Reptiliengruppe entwickelt, wie jetzt mit absoluter
Sicherheit feststeht. Die Embryonen der Reptilien und
Vögel sind noch bis in späte Zeit hinein identisch und teilweise
auch noch später überraschend ähnlich. (Vergl. Taf. VIII, IX, X.)
Ihre ganze Organisation stimmt so auffallend überein, daß kein
Anatom mehr an der Abstammung der Vögel von den Reptilien
zweifelt. Die Säugetierlinie hingegen ist aus der Gruppe der
Säu g e r ep t i l i en (.Sauromammalia), einem anderen Zweige der
Proreptilien, hervorgegangen. Sie hat zwar an der tiefsten Wurzel
mit der Reptilienlinie zusammengehangen, dann aber -sich völlig
von ihr getrennt und ganz eigenartig entwickelt. Als höchstes
Entwickelungsprodukt dieser Säugetier-Linie tritt uns der
Mens ch entgegen, die sogenannte „Krone der Schöpfung“.^
Die phylogenetische Hypothese, daß die drei höheren Wirbeltierklassen
einen einheitlichen Amniotens tamm darstellen, und
daß die gemeinsame Wurzel dieses Stammes in der Amphibienklasse
zu suchen ist, wird jetzt allgemein angenommen. Ich hatte