
vollständig, so daß der innere eingestülpte Teil der Blasen wand
sich an den äußeren, nicht eingestülpten Teil inwendig anlegt. Auf
diese Weise entsteht ein halbkugeliger hohler Körper, dessen dünne
Wand aus zwei Zellenschichten zusammengesetzt ist (Fig. 257 E).
Die halbkugelige Gestalt desselben geht bald wieder in eine fast
kugelige und dann in die eiförmige über, indem die innere Höhle
sich bedeutend erweitert, ihre Mündung dagegen verengt (Fig. 248
und Taf. XVIII, Fig. 10). Die Form, welche der Embryo des
Amphioxus jetzt auf diese Weise erlangt hat, ist eine echte
„Be che r la rv e oder Gastrula“, und zwar jene ursprüngliche
einfache Form derselben, welche wir früher als „Glockengastrula
oder Archigastrula“ unterschieden haben (Fig. 31—37, S. 169).
Wie bei allen jenen niederen Tieren, die eine solche Archigastrula
bilden, ist auch beim Amphioxus der ganze Körper derselben
weiter nichts als ein einfacher Magensack; die innere
Höhle desselben ist der Urdarm {Progaster oder Archenteron,
Fig. 257 g, 258 d); seine einfache Oeffnung der Urmund (Prostoma
oder Blastoporus, o). Die Wand ist Darmwand und Leibeswand
zugleich. Sie wird aus zwei einfachen Zellenschichten zusammengesetzt,
und das sind die beiden wohlbekannten primären
Keimblätter. Die innere Zellenschicht oder der. eingestülpte Teil
der Keimhautblase, welcher die Darmhöhle unmittelbar umgibt,
ist das Entode rm oder der Endoblast, das innere oder v e g e -
ta l e Ke imbla t t , aus welchem sich die Wandung des Darmkanals
und aller seiner Anhänge, der Coelomtaschen u. s. w. entwickelt
(Fig. 258, 259 i). Die äußere Zellenschicht oder der nicht
eingestülpte Teil der Keimhautblase ist das Ektode rm oder der
Ektoblast, das äußere oder animale Ke imb l a t t , welches die
äußere Hautdecke (Epidermis) und das Nervensystem liefert (e).
Die Zellen der inneren Schicht oder des Entoderms sind bedeutend
größer, trüber, dunkler und fettreicher als diejenigen der äußeren
Schicht oder des Ektoderms, welche klarer, heller und weniger
reich an Fetttropfen sind. Es tritt also bereits vor und während
der Einstülpung eine zunehmende Sonderung oder Differenzierung
der inneren, eingestülpten und der äußeren, nicht eingestülpten
Zellenschicht auf. Die animalen Zellen der äußeren Schicht entwickeln
nun bald schwingende Flimmerhaare; viel später auch
die vegetalen Zellen der inneren Schicht. Aus dem Protoplasma
jeder einzelnen Zelle wächst ein fadenförmiger Anhang hervor,
welcher ununterbrochen schwingende Bewegungen ausführt. Durch
die Schwingungen dieser zarten Flimmerhaare wird die Gastrula
des Amphioxus, nachdem sie die dünne Eihülle durchbrochen hat,
schwimmend im Meere umhergetrieben, gleich der Gastrula so
vieler anderer Tiere (Fig. 259); Wié bei vielen anderen niederen
Tieren, so sind auch bei unserem niedersten Wirbeltiere alle
Flimmerzellen nur mit je einem peitschenförmigen Flimmerhaar,
einer „Geißel“, ausgestattet und demnach als Ge iße l z e l len zu
bezeichnen (im Gegensätze zu den „Wimperzellen“, welche viele
kurze Härchen oder Cilien tragen).
Die auffallende Geschwindigkeit, mit welcher sich die Gastru-
lation des Amphioxus vollzieht, unterliegt nach den Beobachtungen
von Hatschek geringen Schwankungen und ist um so bedeutender,
Fig. 259. Gastrula eines Schwammes (Olynthus). A von außen, B im
Längsschnitt durch die Achse, g Urdarm, o Urmund, i Darmblatt oder Entoderm,
e Hautblatt oder Ektoderm.
je wärmer die Temperatur ist. An warmen Frühlingsabenden ist
die Gastrula gewöhnlich schon nach 6 Stunden fertig. Nach einer
genauen Mitteilung, welche jener ausgezeichnete Beobachter gibt,
erfolgt die erste Teilung des um 8 Uhr abends abgelagerten und
befruchteten Eies bereits eine Stunde später; um 10 Uhr ist
dasselbe in 4 Furchungszellen zerfallen, um io1^ Uhr in 8, um
101/2 Uhr in 16, um 11 Uhr in 32 Zellen. Bald nach Mitternacht
oder gegen 1 Uhr ist dié Blastula fertig; schon nach 3/4 Stunden
beginnt diese sich ein^ustülpen; und gegen 3 Uhr morgens ist die
Furchungshöhle bereits vollkommen verdrängt. Die zunehmende
Verkleinerung des Gastrulamundes schreitet dann bis zu den
Morgenstunden langsam fort. Aber am Morgen des ersten Tages,