
eigentlichen Hirnblase aufzufassen, als ein Rudiment des Gehirns.
Am vordersten Ende desselben findet sich ein kleiner schwarzer
Pigmentfleck, das Rudiment eines Auges; und ein enger Kanal führt
zu einem Sinnesorgan der Oberfläche. In der Nähe dieses Augenfleckes
befindet sich auf der linken Seite eine kleine flimmernde
Grube, das unpaare Geruchsorgan. Ein Gehörorgan fehlt vollständig.
Diese mangelhafte Entwickelung der höheren Sinnesorgane ist wahrscheinlich
zum großen Teile nicht als ursprünglicher Zustand,
sondern als Rückbildung zu deuten.
Unterhalb des Achsenstabes oder der Chorda dorsalis verläuft
ein sehr einfacher Darmkanal , ein Rohr, welches an. der Bauchseite
des Tierchens vorn durch eine Mundöffnung und hinten durch
eine Afteröffnung ausmündet. Die ovale Mundöffnung ist von
einem Knorpelringe umgeben, an welchem zcp—30. Knorpelfäden
(Tastorgane) ansitzen (Fig. 245 a). Durch eine mittlere Einschnürung
zerfällt der Darmkanal in zwei ganz verschiedene Abschnitte von
fast gleicher Länge. Der vordere Abschnitt oder Kopfdaxm dient
zur Atmung, der hintere Abschnitt oder Rumpfdarm zur Verdauung.
Die Grenze zwischen beiden Darmregionen bezeichnet
zugleich die Grenze zwischen beiden Körperregionen, zwischen
Kopf und Rumpf. Der K o p f darm oder „Kiemendarm“ bildet
einen weiten Kiemenkorb, dessen gitterförmige Wand von-zahlreichen
Kiemenspalten durchbrochen ist (Fig. 2-45 d; Taf. XIX,
Fig. 15 k). Die feinen Balken des Kiemenkorbes zwischen den
Spalten werden durch feste parallele Stäbchen gestützt, die paarweise
durch Querstäbchen verbunden sind. Das Wasser, welches
der Amphioxus durch die. Mundöffnung aufnimmt, gelangt durch
diese Spalten des Kiemenkorbes in die ihn umgebende große
Kiemenhöhle oder Mantelhöhle (Atrium) und tritt dann weiter
hinten durch ein Loch derselben nach außen, durch das Atemloch
(Porus branchialis, Fig. 245 c): Unten an der Bauchseite des
Kiemenkorbes findet sich in der Mittellinie eine flimmernde Rinne
mit drüsiger Wand (die Schlundrinne oder Hypobranchialrinne),
die ebenso bei den Ascidien und bei den Larven der Cyclostomen
wiederkehrt; »sie ist deshalb von Interesse, weil sich aus ihr bei
den höheren Wirbeltieren die Schilddrüse am Kehlkopfe (unterhalb
des sogenannten „Adamsapfels“) entwickelt hat (Fig. 15 y).^~
Hinter dem atmenden oder r e spi rator is chen Teile des
Darmkanals kommt zweitens der verdauende Abschnitt oder
d ig e s t i v e Teil desselben, der Rümp f darm oder Leberdarm.
Die kleinen Körperchen, welche' der Amphioxus mit dem Atmungswasser
aufnimmt, Infusorien, Diatomeen, Bestandteile von zersetzten
Pflanzen- und Tierkörpern u. s. w., gelangen aus dem Kiemenkorbe
hinten in den verdauenden Abschnitt des Darmkanals hinein und
werden hier als Nahrung aufgenommen und verarbeitet. Von
einem etwas erweiterten Abschnitte, der dem Ma gen entspricht
(Fig( 245 e), geht ein länglicher, taschenförmiger Blindsack gerade
nach vorn ab (ƒ), er hegt unten auf der rechten Seite des Kiemenkorbes
und endigt blind geschlossen ungefähr in seiner Mitte.
Das ist die Leb e r des Amphioxus, die einfachste Form der Leber,
die wir bei den Wirbeltieren überhaupt kennen. Auch beim
Menschen entwickelt sich, wie wir sehen werden, die Leber als
ein taschenförmiger Blindsack, der sich hinter dem Magen aus
dem Darmkanal ausstülpt.
Nicht minder merkwürdig als die Bildung des Darmes ist die
Bildung des B lu t g e f ä ß s y s t ems bei unserem Tierchen. W ährend
nämlich alle anderen Wirbeltiere ein gedrungenes, dickes, beutelförmiges
Herz haben, welches sich an der Kehle aus der unteren
Wand des Vorderdarmes entwickelt, und von welchem die Blutgefäße
ausgehen, findet sich beim Amphioxus überhaupt kein besonderes
zentralisiertes Herz vor, welches durch seine Pulsationen
das Blut fortbewegt. Vielmehr wird diese Bewegung, wie bei den
Ringelwürmern, durch die dünnen, röhrenförmigen Blutgefäße selbst
bewirkt, welche die Funktion des Herzens übernehmen, sich in
ihrer ganzen Länge pulsierend zusammenziehen und so das farblose
Blut durch den ganzen Körper treiben. Dieser Blutkreislauf ist so
einfach und dabei so merkwürdig, daß wir ihn kurz betrachten
wollen. Wir können vorn an der unteren Seite des Kiemenkorbes
anfangen. Da liegt in der Mittellinie ein großer Gefäßstamm,
welcher dem Herzen der übrigen Wirbeltiere und dem daraus entspringenden
Stamm der Ki emena r t e r i e entspricht, und welcher
das Blut in die Ehernen hineintreibt (Fig. 245 Z). Zahlreiche kleine
Gefäßbogen gehen jederseits aus dieser Kiemenarterie in die Höhe
und bilden an der Abgangsstelle kleine herzähnliche Anschwellungen
oder Bulbillen (m); sie steigen längs der Kiemenbogen zwischen
den Kiemenspalten um den Vorderdarm empor, und vereinigen sich
als Kiemenvenen oberhalb des Kiemenkorbes in einem großen Gefäßstamm,
der unterhalb der Chorda dorsalis verläuft. Dieser
Stamm ist die Hauptar ter ie oder die primitive Ao r ta (Taf. XVIII,
Fig. 13 t; Taf. XIX, Fig. 15 t). Zwischen Darm und Chorda verläuft
die Aorta gerade so wie bei allen höheren Wirbeltieren
(Fig. 249 D). Die Gefäßästchen, welche diese Aorta an alle Teile