verwandelt hat. Als solche Fortschritte können wir vor allen
hervorheben: 1) die charakteristische Umbildung des Schädels
und des Gehirns; 2) die Bildung eines Haarkleides; 3) die vollständige
Ausbildung des Zwerchfelles, und 4) die Bildung der
Milchdrüsen und Anpassung an das Säugegeschäft. Hand in Hand
damit traten andere wichtige Veränderungen der Organisation ein.
Der Zeitpunkt, in dem diese wichtigen Fortschritte stattfanden,
und in dem somit der erste Grund zur Säugetierklasse gelegt
wurde, läßt sich mit großer Wahrscheinlichkeit in den ersten Abschnitt
des mesozoischen oder sekundären Zeitalters setzen: in die
Triasp er iode. Es sind nämlich die ältesten versteinerten Reste
von Säugetieren, welche wir kennen, in sedimentären Gesteinschichten
gefunden worden, die zu den jüngsten Ablagerungen
der Triasperiode, zum oberen Keuper gehören. In derselben Triasformation
kommen auch zahlreiche Reste ältester Saurier vor.
Allerdings ist es möglich, daß die Stammformen der Säugetiere
schon früher (vielleicht schon zu Ende der paläozoischen Zeit, in
der permischen Periode) aus Tocosauriern sich entwickelten.
Fig. 322. Unterkiefer eines Ur-
säugetieres oder Promammale
(Dromatherium silvestre) aus der Trias
von Nordamerika, i Schneidezahne, c Eck-
zahn, p Lückenzähne, m Backenzähne.
Nach DöcLerlein.
Allein versteinerte Reste derselben sind uns aus jener Zeit noch
nicht bekannt. Auch während des ganzen mesozoischen Zeitalters,
während der ganzen Trias-, Jura- und Kreideperiode, bleiben die
fossilen Säugetierreste noch spärlich und deuten auf eine geringe
Entwickelung der ganzen Klasse. Während dieses Zeitalters
spielen vielmehr die Reptilien die Hauptrolle, und die Mammalien
treten ganz dagegen zurück.r Leider beschränkt sich unsere Kenntnis
der mesozoischen Säuger fast ausschließlich auf Unterkiefer;
von dem übrigen Skelett derselben haben sich nur hier und da
unbedeutende Spuren erhalten. Eine der ältesten Formen ist die
Gattung Dromatherium, aus der Trias von Nordamerika (Fig. 322).
Ihr Gebiß erinnert noch auffallend an dasjenige der Pelycosaurier.
Wir dürfen daher vermuten, daß dieses kleine, wahrscheinlich
insektenfressende Säugetier zur Stammgruppe der Ur s ä u g e r
{Promammalia) gehörte. Zu derselben Gruppe gehört nach
Bardeleben auch eine merkwürdige mesozoische Uebergangs-
form, deren Gliedmaßen Seeley unter dem Namen Theriodesmus
phylarchus beschrieben hat. Die Mehrzahl der alten Säugetierreste,
die in mesozoischen Formationen (besonders im Jura) Vorkommen,
wird auf Beuteltiere bezogen. Hingegen finden wir
unter denselben noch keine sicheren Spuren von der dritten und
höchst entwickelten Abteilung der Säuger, von den Placentaltieren.
Die letzteren, zu denen auch der Mensch gehört, sind viel jünger,
und wir finden ihre fossilen Reste erst später, sicher erst in dem
darauf folgenden cänozoischen Zeitalter, in der Tertiärzeit. Diese
paläontologische Tatsache ist deshalb sehr bedeutungsvoll, weil sie
ganz zu derjenigen Entwickelungsfolge der Mammalien-Ordnungen
stimmt, welche aus ihrer vergleichenden Anatomie und Ontogenie
unzweifelhaft hervorgeht.
Die letztere lehrt uns, daß die ganze Säugetierklasse in drei
Hauptgruppen oder Unterklassen zerfällt, welche drei aufeinander
folgenden phylogenetischen Entwickelungsstufen derselben entsprechen.
Diese drei Stufen, welche demgemäß auch drei wichtige
Ahnenstufen unseres menschlichen Stammbaumes darstellen, hat
zuerst im Jahre 1816 der ausgezeichnete französische Zoologe
Blainville unterschieden und nach der Bildung der weiblichen
Geschlechtsorgane als Ornithodelphien, Didelphien und Mono-
delphien bezeichnet {Delphys ist der griechische Ausdruck für
Uterus, Gebärmutter oder Fruchtbehälter.) Huxley hat dieselben
später als Prototheria, Metatheria und Epitheria unterschieden.
Aber nicht allein in der verschiedenen Bildung der Geschlechtsorgane,'
sondern auch in vielen anderen Beziehungen weichen
jene drei Unterklassen dergestalt voneinander ab, daß wir mit
Sicherheit den wichtigen phylogenetischen Satz aufstellen können:
Die Monodelphien oder Zot tent ier e stammen von den Didelphien
oder Beute l t ie r en ab; und diese letzteren sind wiederum
spätere Abkömmlinge der Gabe l t ie r e oder Ornithodelphien.
Demnach hätten wir zunächst als einundzwanzigste Ahnenstufe
unseres menschlichen Stammbaumes die älteste und niederste Hauptgruppe
der Säugetiere zu betrachten: die Unterklasse der Ga b e l -
t i ere oder Kloakentiere (.Monotrema, Ornithodelphia oder Prototheria,
Fig. 323, 324). Ihren Namen hat dieselbe von der „Kloake “
erhalten, welche sie noch mit sämtlichen niederen Wirbeltieren
teilt. Diese sogenannte „Klpake“ ist die gemeinsame Ausführungshöhle
für die Exkremente, für den Harn und für die Geschlechtsprodukte.
Die Harnleiter und die Geschlechtskanäle münden hier
noch in den hintersten Teil des Darmes ein, während sie bei allen
übrigen Säugetieren vom Mastdarm und After ganz getrennt sind.