
der vergleichenden Anatomie und Ontogenie erfahren haben.
Durch diese wird die gemeinsame Descendenz des Menschen und
der übrigen Säugetiere zweifellos bewiesen. Auch wird natürlich
jene Prinzipienfrage nicht im mindesten dadurch verschoben oder
beseitigt, daß man sagt: „Der Mensch ist allerdings ein Säugetier;
aber er hat sich schon ganz unten an der Wurzel dieser Klasse
von den übrigen Säugetieren abgezweigt und hat mit allen jetzt
lebenden Mammalien keine nähere Verwandtschaft.“ Mehr oder
weniger nahe ist diese Verwandtschaft auf alle Fälle, wenn wir
das Verhältnis der Säugetierklasse zu den übrigen sechzig Klassen
des Tierreichs vergleichend untersuchen. Auf alle Fälle sind
sämtliche Säugetiere mit Inbegriff des Menschen gemeinsamen
Ursprungs, und ebenso sicher ist es, daß die gemeinsamen Stammformen
derselben sich aus einer langen Reihe von niederen Wirbeltieren
allmählich entwickelt haben.
Offenbar est es auch weniger der Verstand als das Gefühl,
welches sich bei den meisten Menschen gegen ihre „Abstammung
vom A f f e n “ sträubt. Gerade weil uns in dem Affenorganismus
die Karrikatur des Menschen, das verzerrte Ebenbild unserer Gestalt
in wenig anziehender Form entgegentritt, weil die übliche ästhetische
Betrachtung und Selbstverherrlichung des Menschen dadurch so
empfindlich berührt wird, schaudern die meisten Menschen vor ihrem
Affenursprung zurück. Viel schmeichelhafter erscheint es, von
einem höher entwickelten, göttlichen Wesen abzustammen, und daher
hat auch bekanntlich seit Urzeiten die menschliche Eitelkeit sich
darin gefallen, das Menschengeschlecht ursprünglich von Göttern
oder Halbgöttern abzuleiten. Die Kirche hat es verstanden, mit
jener sophistischen Verdrehung der Begriffe, in der sie Meister ist,
diesen lächerlichen Hochmut als „christliche Demut“ zu verherrlichen
; und dieselben Menschen, welche mit hochmütigem Abscheu
jeden Gedanken eines tierischen Ursprungs von sich weisen und
sich für „Kinder Gottes“ halten, dieselben lieben es, mit ihrem
„demütigen Knechtssinne“ zu prahlen. Ueberhaupt spielt in den
meisten Predigten, welche von Lehrkanzel und Altar gegen die
Fortschritte der Entwickelungslehre gehalten werden, die menschliche
Eitelkeit und Einbildung eine hervorragende Rolle; und obwohl
wir diese Charakterschwäche bereits von den Affen geerbt haben,
müssen wir doch gestehen, sie bis zu einem Grade weiter entwickelt
zu haben, welcher das unbefangene Urteil des „gesunden Menschenverstandes“
völlig zu Boden schlägt. Wir machen uns lustig über
alle die kindischen Torheiten, welche der lächerliche Ahnenstolz
der Adelsgeschlechter seit den schönen Tagen des Mittelalters bis
auf unsere Zeit hervorgebracht hat, und doch steckt ein gutes Stück
von diesem unbegründeten Adelshochmut in den allermeisten
Menschen. Wie die meisten Leute ihren Familienstammbaum
lieber auf einen heruntergekommenen Baron oder womöglich
einen berühmten Fürsten, als auf einen unbekannten, niederen
Bauern zurückführen, so wollen auch die meisten als Urvater des
Menschengeschlechts lieber einen durch Sündenfall herabgekommenen
Adam, als einen entwickelungsfähigen und strebsamen
Affen sehen. Das ist nun eben Geschmackssache, und insofern
läßt sich über solche genealogische Neigungen nicht streiten. Ich
muß jedoch gestehen, daß meinem persönlichen Geschmacke die
letztere Ascendenz viel mehr zusagt als die erstere Descendenz.
Es scheint mir erfreulicher, der weiter entwickelte Nachkomme
eines Affenurahnen zu sein, der sich im Kampfe ums Dasein aus
niederen Säugetieren fortschreitend entwickelte, als der herabgekommene
Sprößling eines gottgleichen, aber durch den Sündenfall
rückgebildeten Adam, der aus einem „Erdenkloße“, und einer
Eva, die aus dessen Rippe „erschaffen“ wurde. Was diese berühmte
„Rippe“ anbetrifft, so ist hier ausdrücklich noch als Ergänzung
zur Entwickelungsgeschichte des Skeletts hinzuzufügen,
daßf die Zahl der Rippen beim Manne und beim Weibe gleich
groß ist. Bei letzterem ebenso wie bei ersterem entstehen die
Rippen aus dem mittleren Keimblatte und sind phylogenetisch als
untere oder ventrale Wirbelbogen aufzufassen.
Nun höre ich freilich sagen: „Das mag alles ganz gut und
richtig sein, soweit es den menschlichen Körper betrifft, und nach
den vorhegenden Tatsachen ist es wohl nicht mehr zu bezweifeln,
daß dieser sich wirklich stufenweise und allmählich aus der langen
Ahnenreihe der Wirbeltiere hervorgebildet hat. Aber ganz etwas
anderes ist es mit dem „Geiste des Mens chen“ , mit der
menschlichen Seele; diese kann sich unmöglich in gleicher Weise
aus der Wi rb e l t i e r -S e e l e entwickelt haben!“ Lassen Sie uns
sehen, ob wir diesem schwer wiegenden Einwurfe mit den bekannten
Tatsachen der vergleichenden Anatomie, Physiologie und
Entwickelungsgeschichte begegnen können. Zunächst werden wir
hier einen festen Boden gewinnen, wenn wir die Seelen der verschiedenen
Wirbeltiere v e r g l e i ch end betrachten. Da finden
wir innerhalb der verschiedenen Vertebratengruppen, der Klassen
und Ordnungen, Gattungen und Arten eine solche Fülle von verschiedenartigen
Wirbeltier-Seelen nebeneinander, daß man auf den