
den Wirbeltieren drei große Hauptgruppen unterscheiden (S. 614).
Die niedersten und ältesten Wirbeltiere, die Schädellosen und
Kieferlosen, besaßen gleich ihren wirbellosen Vorfahren überhaupt
noch g a r keine pa a r ig en Gl iedmaßen, wie uns noch heute
Amphioxus und die Cyclostomen bezeugen (Adactylia, Fig. 245,
301). Eine zweite Haüptgruppe bilden die beiden Klassen der
echten Fische und der Dipneusten; hier sind ursprünglich überall
zwei Paar sei t l i che Gl iedmaßen vorhanden, und zwar in
Gestalt von v ie l z ehig en Rude r f los s en, ein Paar Brustflossen
oder Vorderbeine und ein Paar Bauchflossen oder Hinterbeine (Poly-
dactylia, Fig. 302—313). Die dritte Hauptgruppe endlich wird durch
die vier höheren Wirbeltierklassen: Amphibien, Reptilien, Vögel
und Säugetiere gebildet; bei diesen „vierfüßigen Tieren“ (Quadru-
peda oder Tetrapoda) sind ursprünglich dieselben zwei B e in paare
vorhanden, aber in Gestalt von fünf z ehig en Füßen.
Oft sind weniger als fünf Zehen ausgebildet; bisweilen sind auch
die Füße ganz rückgebildet (z. B. bei den Schlangen). Aber die
ursprüngliche Stammform der ganzen Gruppe besaß vorn und
hinten fünf Zehen oder Finger (Pentadactylia, Fig. 317— 319).
Für die P h y lo g en i e der Gl iedmaßen ergibt sich also
aus ihrer vergleichenden Anatomie, daß dieselben zuerst bei den
Fischen, und zwar bei den ältesten Ur f i s chen entstanden sind.
Von diesen Selachiern haben sie sich auf alle höheren Wirbeltiere
vererbt, zunächst alsvielzehigeSchwimmflossen, später als f ünf -
z eh ig e Füße. Die vordere Extremität, die Brus t f lo s s e oder
das Vorderbein, ist ursprünglich ganz ähnlich gebildet, wie die
hintere Gliedmaße, die Bauchf los s e oder das Hinterbein. An
der letzteren sowohl wie an der ersteren können wir von der eigentlichen,
äußerlich frei vortretenden Gliedmaße den innerlich verborgenen
Gür te l unterscheiden, durch welchen dieselbe an der
Wirbelsäule befestigt ist: vorn Schultergürtel, hinten Beckengürtel.
Die wahre Urform der paarigen Gliedmaßen, wie sie die
ältesten UrfiscKe während der silurischen Periode besaßen, zeigt
Fig. 406. Brustflossenskelett von Ceratodus (Archipterygium oder zweizeiliges
gefiedertes Skelett). A , B Knorpelreihe des Flossenstammes, r r knorpelige
Radien oder Flossenstrahlen. Nach Günther.
F'ig. 407. Brustflossenskelett eines älteren Urfisches (Acanthias). Die
Radien des medialen Flossenrandes {B) sind größtenteils verschwunden; nur wenige (R ')
sind übrig. R , R Radien des lateralen Flossenrandes, mt Metapterygium, ms Meso-
pterygium, Propterygium. Nach Gegenbaur.
Fig. 408. Brustflossenskelett eines jüngeren Urfisches oder Selachiers.
Die Radien des medialen Flossenrandes sind ganz verschwunden. Der dunkel schraffierte
Fig. 409. Fig. 410. F ig - 4 11-
Teil rechts' ist derjenige Abschnitt, der in die fünffingerige Hand der höheren Wirbeltiere
sich fortsetzt. (b Die drei Basalstücke der Flosse: m t Metapterygium, Grundlage
des Humerus, ms Mesopterygium, j> Propterygium.) Nach Gegenbaur.
Fig. 409. Vorderbeinskelett eines Amphibiums. h Oberarm (Humerus),
ru Unterarm (r Radius, u Ulna), r cicü Handwurzelknochen der ersten Reihe (r Radiale,
i Intermedium, c Centrale, u Ulnare). I, 2, 3, 4 , 5 Handwurzelknochen der zweiten
Reihe. Nach Gegenbaur. Vergl. hierzu im Anhang die Note 185.
Fig. 410. Handskelett des Gorilla. Nach H uxley.
Fig. 411. Handskelett des Menschen, Rückseite. Nach Meyer.