
Fünfundvierzigste Tabelle.
Uebersicht über die Entwickelungsgeschichte des menschlichen
Auges.
I. Uebersicht über die Teile des menschlichen Auges, welche sich aus dem
E k to d e rm , dem äußeren Keim blatte, entwickeln.
i . Stiel der primären
Augenblase
I. Sehnerv N ervus opticus
A.
Produkte
der
2. Innerer (eingestülp-
ter) Teil der primären
Augenblase
2. Netzhaut Retina
Markplatte 3. Aeußerer (nicht eingestülpter)
Teil der
primären Augenblase
3. Pigmenthaut
oder Farbentapete
Pigmentosa
(Lamina pigm enti)
(Tapetum nigrurn)
B.
4. Abgeschnürtes Säckchen
der Hornplatte
4. Kristalllinse Lens crystallin a
Produkte
der
5. Aeußere Oberhautdecke
5. Bindehaut Conjunctiva
Hornplatte
6. Einstülpungen der
Oberhautdecke
6. Tränendrüsen Glandulae lacrymales
H. Uebersicht über die Teile des menschlichen Auges, welche sich aus dem
M e s o d e rm , dem mittleren Keimblatte, entwickeln.
C.
Produkte
der
Lederplatte
D.
Produkte
der
Kopfplatte
7. 8. Leistenfortsatz [ 7. Glaskörper Corpus vitreum
des Corium an der ’ 8.- Gefäßkapsel des Capsula vasculosa
Unterseite der pri- Glaskörpers m corporis v itr e i
mären Augenblase i
9. Fortsetzung der 9. Zentralgefäße der Vasa centralia re-
Coriumleiste Netzhaut tinae
10. Pupillarmembran 10. Gefäßkapsel der Capsula vasculosa
nebst Kapselpupillar- Linse len tis crystallinae
membran
'1 1 . Falten der Lederhaut 11. Augenlider Palpebrae
f i 2. 13. Gefäßkapsel des
Augapfels I12. Aderhaut Chorioidea
(Capsula vasculosa 1 13. Regenbogenhaut Ir is
bulbi) i
14. 15. Faserkapsel des
Augapfels 114. Schutzhaut Sclerotica
(Capsula fibrosa I15. Hornhaut Cornea
bulbi) l
der äußeren Oberhaut die Kristalllinse, der wichtigste lichtbrechende
Körper, entwickelt. Aus derselben Oberhaut, der Hornplatte,
entsteht auch die zarte Bindehaut oder Conjunctiva, welche die
äußere Oberfläche des Augapfels später überzieht. Als verästelte
Wucherungen wachsen aus der Conjunctiva die Tränendrüsen
hervor (Fig. 344, S. 695). Alle diese wichtigen Teile des Auges
sind Produkte des äußeren Keimblattes. Hingegen entstehen aus
dem mittleren Keimblatte (den Kopfplatten) die übrigen Teile,
nämlich der Glaskörper nebst der gefäßhaltigen Linsenkapsel, die
Aderhaut (nebst Iris) und die Schutzhaut (nebst Hornhaut).
Die äußeren Schutzorgane des Auges, die Au g enl id e r ,
sind weiter nichts als einfache Hautfalten, die beim menschlichen
Embryo im dritten Monate sich erheben. Im vierten Monate verklebt
das obere Augenlid mit dem unteren, und nun bleibt das
Auge bis zur Geburt von ihnen bedeckt (Taf. VIII—(Kill). Meistens
kurz vor der Geburt (bisweilen erst nach derselben) treten beide
Augenlider wieder auseinander. Unsere Schädeltierahnen besaßen
außer diesen beiden noch ein drittes Augenlid, die Ni ckhaut ,
welche vom inneren Augenwinkel her über das Auge herübergezogen
wurde. Viele Urfische und Amnioten besitzen dieselbe
noch heute.. Bei den Affen und beim Menschen ist die Nickhaut
rückgebildet, und nur noch ein kleiner Rest davon existiert an
unserem inneren Augenwinkel als „halbmondförmige Falte“, als
ein nutzloses „rudimentäres Organ“ (vergl. S. 97). Ebenso haben
die Affen und der Mensch auch die unter der Nickhaut mündende
„Hardersche Drüse“ verloren, welche den übrigen Säugetieren,
sowie den Vögeln, Reptilien und Amphibien zukommt.
Die eigentümliche Keimesgeschichte des Wirbeltierauges gestattet
uns nicht, bestimmte Schlüsse auf seine dunkle Stammesgeschichte
zu ziehen; sie ist offenbar in hohem Grade ceno-
g ene t i s ch, durch Zusammenziehung und Abkürzung ursprünglicher
Bildungsverhältnisse verdunkelt. Wahrscheinlich sind viele
ältere Stufen seiner Phylogenie spurlos verschwunden. Nur so
viel läßt sich bestimmt sagen, daß die seltsame Ontogenie des
komplizierten Sehapparates beim Menschen genau nach denselben
Gesetzen wie bei allen anderen Wirbeltieren verläuft. Das Auge
derselben ist ein Te i l des Vorde rhi rns , der gegen die Hautdecke
vorgewachsen ist, nicht ein ursprüngliches Hautsinnesorgan
wie bei den wirbellosen Tieren.
In manchen wichtigen Beziehungen ähnlich wie Auge und
Nase, und doch in anderer Hinsicht wieder sehr verschieden,