
bei den Vertebraten ähnlich verhält wie bei den Anneliden, hat
man daraus irrtümlich auf eine nahe Stammverwandtschäft dieser
beiden Gruppen geschlossen (S. 350, 562). Indessen liefert diese
Metamerie dafür keinerlei Beweis; denn sie entspricht nur der
allgemeinen Gliederung des Körpers, die sich auch bei den meisten
anderen Organen des Körpers wiederholt, aber in beiden Gruppen
auf ganz verschiedenen Wegen vollzieht. Außerdem münden auch
bei sämtlichen Wirbeltieren alle Nierenkanäle -jederseits in einen
einfachen Ausführgang, den Nephrodukt; dieser fehlt den Anneliden
vollständig. Hier mündet vielmehr jeder einzelne Kanal für sich
auf der äußeren Haut aus.
Wie in der Morphologie jedes anderen Organsystems, so erscheint
auch in derjenigen der Harn- und Geschlechtsorgane der
unschätzbare Amphioxus als das wahre typische „Urwi rbe l t ie r “,
als der einfache Schlüssel zu den verwickelten Geheimnissen im
Körperbau des Menschen und der höheren Wirbeltiere. Die Nieren,
des “Amphioxus — erst 1890 von Boveri entdeckt — sind typische
„Vornieren“, zusammengesetzt aus einer paarigen Reihe, von
kurzen Segmentalkanälchen (Fig. 252 x, S. 452). Die innere
Mündung dieser Pronephridien geht in die mesodermale Leibeshöhle
(in den Mittelteil des Coeloms, B), die äußere Mündung in
die- ektodermale Mantelhöhle oder Peribranchialhöhle (C). Sowohl
durch ihre Lage, wie durch ihre Struktur und ihre Beziehung zu
den Kiemengefäßen wird klar bewiesen, daß diese segmentaien
Pronephridien den Anlagen der Vornieren bei den Cranioten entsprechen.
Die Mantelhöhle aber, in welche sie einmünden, scheint
dem Urnierengang der letzteren homolog zu sein.
Sehr interessante Aufschlüsse liefern uns auch die nächst
höheren Wirbeltiere, dieC ycl ostomen. Beide Ordnungen dieser
Klasse, sowohl die Myxinoiden als die Petromyzonten, besitzen
noch die von den Acraniern geerbte Vorniere, erstere dauernd,
letztere in der Jugend. Hinter ihr entwickelt sich aber bereits
die Urnier e, und zwar in typisch einfacher Form. Dieser merkwürdige,
von Johannes Müller entdeckte Bau der Mesonephros
der Rundmäuler erklärt uns die verwickelte Nierenbildung der
höheren Wirbeltiere. Wir finden nämlich bei den Myxinoiden
(Bdellostoma) jederseits ein langgestrecktes Rohr, den „Vo r nie
r eng ang “ (Nephroductus, Fig. 478 a). Dieser mündet mit
seinem vorderen Ende innen in das Coelom durch eine flimmernde
trichterförmige Qeffnung, mit seinem hinteren Ende außen durch
eine Oeffnung der äußeren Haut. An seiner inneren Seite münden
eine große Anzahl von kleinen Querkanälchen ein („Segmental-
kanäle oder Urharnkanälchen“, b). Jedes dieser letzteren endigt
blind in eine blasenförmig aufgetriebene Kapsel (c), und diese
umschließt einen Blutgefäßknäuel (Glomerulus, ein arterielles
„Wundernetz“, Fig. 478 B c). Einführende Arterienästchen (Vasa
afferentici) leiten arterielles Blut in die gewundenen Verästelungen
des „Glomerulus“» hinein (d), und ausführende Arterienästchen
{Vasa efferentia) leiten dasselbe wieder aus
dem Wundernetz heraus (e). Durch diese
Wundernetzbildung unterscheiden sich die
Urnierenkanälchen (Mesonephridia) von
ihren Vorläufern, den einfacheren, davor
gelegenen Vornierenkanälchen (Proto-
nephridia). Ursprünglich nimmt der Vornierengang
nur die ersteren, später erst
die letzteren auf; so verwandelt er sich in
den Urnierengang (Ductus segmentalis).
Auch bei den Selachie rn findet sich
jederseits eine Längsreihe von Segmental-
kanälen, welche außen in die Urnieren-
gänge einmünden {Nephrotome, S. 364).
Die Segmentalkanäle (ein Paar in jedem
Metamer des mittleren Körperteiles) öffnen
sich innen durch einen wimpernden Trichter
Fig. 478. A Ein Stück Niere von Bdello-
stoma. a Urnierengang {Nephroductus), b Segmentalkanäle
oder Urharnkanälchen (Pronephridia), c Nierenbläschen
(Capsulae Malpighianae). — B Ein Stück
derselben, stärker vergrößert, c Nierenbläschen mit dem
Glomerulus, d zuführende Arterie, e abführende Arterie.
frei in die Leibeshöhle. Aus der hinteren Gruppe dieser Organe
bildet sich eine kompakte Urniere, während die vordere Gruppe an
der Bildung der Geschlechtsorgane teilnimmt. Die Querschnitte
von Haifischembryonen (Fig. 416, 417, S. 795) lehren uns, daß diese
segmenta ien Nephr idien der Ve r t eb r a t en u r sprü ng l
i ch die Ve r b in d u n g s k anä l e zwi schen den dorsalen
und v ent ra len Coelomtaschen sind, zwischen dem Myocoel
der Episomiten und dem Gonocoel der Hyposomiten (vergl. S. 341).
Ganz in derselben einfachsten Form, welche bei den Myxinoiden
und teilweise bei den Selachiern zeitlebens bestehen bleibt,