
allen Wirbeltieren einzig und allein der Amphioxüs bis auf den
heutigen Tag getreu konserviert hat (Fig. 258, S. 473). Gleich
dieser letzteren ist auch die Gastrula des Menschen und aller
anderen Säugetiere als die ontogenetische Wiederholung derjenigen
phylogenetischen Entwickelungsform zu betrachten, welche wir
Gastraea nennen, und. bei welcher der ganze Tierkörper weiter
nichts als ein doppelwandiges Magensäckchen ist.
Die eigentümliche Art und Weise, in welcher sich der komplizierte
Darmkanal des Menschen aus jener einfachen Gastrula
entwickelt, und welche deijenigen der übrigen Säugetiere gleich
ist, kann nur dann richtig, verstanden werden, wenn man sie im
Lichte der Phylogenie betrachtet. Dieser entsprechend müssen
wir zwischen dem ursprünglichen, primären Darm der Schädellosen
und dem abgeänderten, sekundä r en Darm der Schädeltiere
unterscheiden. Der Darm des Amphioxüs (des Vertreters der
Schädellosen) bildet keinen Dottersack und entwickelt sich p a 1 i n -
g ene t i s ch aus dem ganz en Urdarm der Gastrula. Der Darm
der Schädeltiere hingegen besitzt eine abgeänderte c en o g e ne -
t i s c h e Entwickelungsform und sondert sich frühzeitig in zwei
verschiedene Teile: in den bleibenden sekundär en Darm oder
Dauerdarm (Metagaster), aus dem allein die verschiedenen Teile
des differenzierten Darmsystems entstehen, und in den-vergänglichen
Do t t e r s a c k , der nur als Proviantmagazin für den Aufbau
des Embryo dient (Lecithoma, Fig. 108, S. 295). Am stärksten;
ausgebildet ist der Dottersack bei den Urfischen, Knochenfischen,
Reptilien und Vögeln. Rückgebildet ist er bei den Säugetieren,’
namentlich bei den meisten Zottentieren. Als eine vermittelnde
Zwischenbildung zwischen der palingenetischen Darmentwickelung
der Schädellosen und der cenogenetischen Keimungsweise ' der
Amnioten ist die eigentümliche Darmentwickelung der Cyclostomen,
Ganoiden, Dipneusten und Amphibien zu betrachten.
Sie wissen nun bereits aus unserer Keimesgeschichte, in
welcher eigentümlichen Weise jene Darmbildung beim Embryo
des Menschen und der übrigen Säugetiere erfolgt. Aus der
Gastrula derselben entsteht zunächst die kugelige, mit Flüssigkeit
gefüllte Ke imd a rmbla s e (Gastrocystis, Fig. 109, S. 299). In
deren Rückenwand bildet sich der sohlenförmige Keimschild, und
an dessen Unterseite erscheint in der Mittellinie eine flache Rinne,
die erste Anlage des späteren, sekundären Darmrohrs. Diese
Darmr inne wird immer tiefer, und ihre Ränder krümmen sich
gegeneinander, um endlich zu einer Röhre zusammenzuwachsen
(Fig. 108, S. 295). Die Wand dieses sekundären Darmrohrs besteht
aus zwei Häuten, aus dem inneren Darmdrüsenblatte und aus dem
äußeren Darmfaserblatte. Das Rohr ist anfangs ganz geschlossen
und besitzt nur in der Mitte der unteren Wand eine Oeffnung,
durch welche es mit der Keim darmblase in Verbindung steht
(Taf. VII, Fig. 14). Letztere wird im Laufe der Entwickelung
immer kleiner, je mehr sich der Darmkanal ausbildet. Anfangs
erscheint das Darmrohr nur als kleiner Anhang an einer Seite der
großen Keimdarmblase,(Fig. 209, S. 398); später bildet umgekehrt
der Rest der letzteren nur einen ganz unbedeutenden Anhang an'
dem großen Darmkanal. Dieser Anhang ist der „Dottersack“ oder
die Nabelblase. Dieselbe besitzt später gar keine Bedeutung mehr
und geht endlich ganz unter, indem der definitive Verschluß der
ursprünglichen mittleren Oeffnung des Darmkanales erfolgt und
sich hier der sogenannte Darmnabel
bildet (vergl. Fig. 221
bis 223, S. 410).'
Fig. 423. Medianschnitt durch
den Kopf eines Kaninchenkeims
von 6 mm Länge. Nach M ihalcovics.
Die tiefe Mundbucht {hj)) ist durch die
Rachenhaut (rh) von der blinden Kopfdarmhöhle
| | l j getrennt, hz Herz, ch
Chorda, lij> die Stelle, wo aus der Mundbucht
die Hypophysis vorwächst, vh
Höhle des Großhirns, va dritter Ventrikel
(Zwischenhirn), vierter Ventrikel
(Hinterhirn), ck Kanal des Rückenmarks.
Wie Sie bereits wissen, ist dieses einfache cylindrische Darmrohr
anfänglich beim Menschen wie bei den Wirbeltieren überhaupt
vorn und hinten blind geschlossen (Fig. 153, S. 336, Taf. VII, Fig, 14);
die beiden bleibenden Oeffnungen des Darmkanals, vorn der Mund,
hinten der After, bilden sich erst nachträglich und zwar von der
äußeren Haut her. Vorn entsteht in der äußeren Haut eine
Mundgrube (Fig. 423 hp), die dem blinden vorderen Ende der
Kopfdarmhöhle (kd) entgegenwächst und endlich in diese durchbricht.
Ebenso bildet sich hinten in der Hautdecke eine flache
After grübe aus, welche bald tiefer wird, dem blinden hinteren
Ende der Beckendarmhöhle entgegenwächst und schließlich mit
dieser sich vereinigt. Sowohl vorn wie hinten besteht anfänglich
zwischen der äußeren Hautgrube und dem blinden Darmende eine
dünne Scheidewand, welche bei dem Durchbruch verschwindet,
vorn die Rachenhaut {rh), hinten die Afterhaut.