
Wirkung auf die weitere Entwickelung der philosophischen .Weltanschauung
nicht verfehlen können. Ebenso kann es keinem
Zweifel unterliegen, daß die gehörige Erwägung und die vorurteilsfreie
Beurteilung dieser Tatsachen zu dem entscheidenden
Siege derjenigen philosophischen Richtung führen wird, die wir
mit einem Worte als monis t ische oder mechani s che bezeichnen,
im Gegensätze zu der dual i s t i s chen oder t e l e o lo
g i s chen" auf welcher die meisten philosophischen Systeme des
Altertums wie des Mittelalters und der neueren Zeit beruhen.
Diese mechanische oder monistische Philosophie behauptet, daß.
überall in den Erscheinungen des menschlichen Lebens, wie in
denen der übrigen Natur, feste und unabänderliche Gesetze walten,,
daß überall ein notwendiger ursächlicher Zusammenhang, ein
Kausalnexus der Erscheinungen besteht, und daß demgemäß die
ganze, uns erkennbare Welt ein einheitliches Ganzes, ein „Monon“
bildet. Sie behauptet ferner, daß alle Erscheinungen nur durch
mee-hani sche Ursachen (causae efficientes), nicht durch vorbedachte
zwe c k t ä t i g e Ursachen {causaefinales) hervorgebracht
werden. Einen „freien Willen“ im gewöhnlichen Sinne gibt es
hiernach nicht. Vielmehr erscheinen im Lichte dieser monistischen
Weltanschauung auch diejenigen Erscheinungen, die wir als die
freiesten und unabhängigsten zu betrachten uns gewöhnt haben,
die Aeußerungen des menschlichen Willens, gerade so festen Gesetzen
unterworfen, wie jede andere Naturerscheinung." In der Tat
lehrt uns jede unbefangene und gründliche Prüfung unserer
„freien“ Willenshandlungen, daß dieselben niemals wirklich frei,
sondern stets durch voräusgegangene ursächliche Momente bestimmt
sind, welche sich entweder auf V e r e rb u n g oder auf
An p a s su n g schließlich zurückführen lassen. Ueberhaupt können
wir demnach die beliebte Unterscheidung von Natur und Gei s t
nicht zugeben. Ueberall in der Natur ist Geist, und einen Geist
außer der Natur kennen wir nicht. Daher ist auch die übliche Unterscheidung
von Naturwissenschaft und Geisteswissenschaft unhaltbar.
Jede Wissenschaft als solche ist Natur- und Geistèswissenschaft
zugleich; das ist ein fester Grundsatz unseres Monismus, den wir
mit Bezug auf die Religion auch Panthei smus nennen können.
Der Mensch steht nicht über der Natür, sondern in der Natur.
Allerdings heben es die Gegner der Entwickelungslehre, die
darauf gegründete monistische Philosophie als „Materialismus“ zu
verketzern, indem sie zugleich die philosophische Richtung dieses
Namens mit dem gar nicht dazu gehörigen und ganz verwerflichen
sittlichen Materialismus vermengen. Allein streng genommen,
könnte man unseren „Monismus“ mit ebenso viel Recht oder Unrecht
als Spiritualismus wie als Materialismus bezeichnen. Die
eigentliche ma te r ial i s t i s che Philosophie behauptet, daß die
Bewegungserscheinungen des Lebens, gleich allen anderen Bewegungserscheinungen,
Wirkungen oder Produkte der Materie
sind. Das andere, entgegengesetzte Extrem, die spi r i tua l
i s t i s che Philosophie, behauptet gerade umgekehrt, daß die
Materie das Produkt der bewegenden Kraft ist, und daß alle
materiellen Formen durch freie und davon unabhängige Kräfte
hervorgebracht sind. Also nach der einseitigen materialistischen
Weltanschauung ist die Materie oder der Stoff früher da als die
lebendige Kraft; nach der ebenso einseitigen spiritualistischen
Weltanschauung umgekehrt. Beide Anschauungen sind dualistisch,
und beide Anschauungen halten wir für gleich falsch. Der Gegensatz
beider Anschauungen hebt sich für uns auf in der moni s t i schen
Philosophie, welche sich Kraft ohne Materie ebensowenig
denken kann, wie Materie ohne Kraft. Versuchen Sie nur einmal vom
streng naturwissenschaftlichem Standpunkte aus darüber längere
Zeit nachzudenken, und Sie werden bei genauerer Prüfung finden,
daß Sie sich das eine ohne das andere überhaupt gar nicht klar vorstellen
können. Wie schon Goethe sagte, „kann die Materie nie ohne
Geist; der Geist nie ohne Materie existieren und wirksam sein“ m).
„Geist“ und „Seele“ des Menschen sind auch nichts anderes
als Kräfte oder Energieformen, die an das materielle Substrat
unseres Körpers untrennbar gebunden sind. Wie die Bewegungskraft
unseres Fleisches an die Formelemente der Muskeln, so ist
die Denkkraft unseres Geistes an die Formelemente des Gehirns
gebunden. Unsere Geisteskräfte sind ebenso Funkt ionen, dieser
Körperteile, wie jede „Kraft“ die Funktion eines materiellen Körpers
ist. Wir kennen gar keinen Stoff, der nicht Kräfte besitzt, und
wir kennen umgekehrt keine Kräfte, die nicht an Stoffe gebunden
sind. Wenn die Kräfte als B ewe g u n g en in die Erscheinung
treten, nennen wir sie leb endig e (aktive) Kräfte oder T a t kräf
te; wenn die Kräfte hingegen im Zustande der Ruhe oder
des Gleichgewichts sind, nennen wir sie g ebundene (latente)
Kräfte oder Spannkräf te. Das gilt ganz ebenso von den anorganischen,
wie von den organischen Naturkörpern. Der Magnet,
der Eisenspäne anzieht, das Pulver, das explodiert, der Wasserdampf,
der die Lokomotive treibt, sind lebendige Anorgane; sie
wirken ebenso durch lebendige Kraft, wie die empfindsame
Mimose, die bei der Berührung ihre Blätter zusammenfaltet, wie
der ehrwürdige Amphioxus, der sich im Sande des Meeres vergräbt,