
Inhalt des sechsundzwanzigsten Vortrages.
Das Motorium der Wirbeltiere. Zusammensetzung desselben aus den passiven
und aktiven Bewegungsorganen (Skelett und Muskeln). Die Bedeutung des inneren
Skeletts der Wirbeltiere. Zusammensetzung der Wirbelsäule. Bildungs- und Zahlen-
verhältnisse der Wirbel. Rippen und Brustbein. Keimesgeschichte der Wirbelsäule.
Chorda und Perichorda (Chordascheide). Muskelplatten der Ursegmente. Metameren-
bildung. Knorpelige und knöcherne Wirbel. Zwischenwirbelscheiden. Kopfskelett
(Schädel und Kiemenbogen). Wirbeltheorie des Schädels: Goethe und Oken, Huxley
und Gegenbaur. Urschädel oder Primordialkranium. Zusammensetzung aus mindestens
neun verschmolzenen Metameren. Phyletische und exakte Craniologie. Kiemenbogen
(Kopfrippen). Skelett der beiden Paare Gliedmaßen oder Extremitäten. Entstehung
der fünfzehigen Gangfüße aus der vielzehigen Fischflosse. Die Urflosse der Selachier:
Archipterygium von Gegenbaur. Uebergang der gefiederten oder zweizeiligen in die
halbgefiederte oder einzeilige Flosse. Rückbildung der Flossenstrahlen oder Zehen.
Polydaktylie und Pentadaktylie. Vergleichung der Vorderbeine (Brustflossen) und der
Hinterbeine (Bauchflossen). Schultergürtel und Beckengürtel. Keimesgeschichte der Gliedmaßen.
Entwickelungsgeschichte der Muskeln. Hautmuskulatur und Skelettmuskulatur.
Literatur :
Johannes Müller, 1834— 1845. Vergleichende Anatomie der Myxinoiden. B erlin .
Heinrich Rathke, 1834— i%6o. Abhandlungen zu r Bildu ngs- und Entwickelungsgeschichte
der Menschen und der Tiere. Königsberg.
Carl Gegenbaur, 1864— 1872. Untersuchungen zu r vergleichenden Anatomie der
W irbeltiere. H eft. I — I I I Ferner : Morphologisches Jahrbuch 1876— igo2. 30 Bde.
Thomas Huxley, 1873. Handbuch der Anatomie der Wirbeltiere.
W. K. Parker und G. T. Betany, 187g. D ie Morphologie des S ch ä d els.'
Emil Rosenberg, 1876. Ueber die Entw ickelung der Wirbelsäule und das Centrale
ca rp i des Menschen. (M orphol. Jah rb., B d . I.)
Robert Wiedersheim, 1875— 187g. Vergleichende Anatomie der Amphibien (Gymno-
phionen, Salamandrinen).
Oscar Hertwig, 1876— 1881. Ueber das H autskelett der F ische. Morph. Ja h rb., B d . V II.
Hermann JLlaatsch, i8go. Z u r Morphologie der Fischschuppen und zu r Geschichte
der Hartsubstanzgewebe. Morphol. Ja h rb., B d . X V I.
Philipp St Öhr, 187g— 1882. Z u r Entwickelungsgeschichte des Schädels.
K. Hoffmann, 187g. B eiträge zu r vergleichenden Anatomie der Wirbeltiere.
Hans Gadow, 1880. B eiträge zu r Myologie. Morphol. Ja h rb., B d. V II. Leipzig.
J. W. Van Wijhe, 1882. Ueber die Mesodermsegmente und die Entw ickelung der
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Robert Wiedersheim, 1884. Vergleichende Anatomie der W irbeltiere. 5. A u fl.
igo2. Jerui.
L . T e sta t, 1884. Les anomalies musculaires chez Vhomme expliquées p a r Vanatomie
comparée.
Georg Rage, 1887. Untersuchungen über die Gesichtsmuskulatur der Primaten.
Max F ür bring er, 1888. Untersuchungen zu r Morphologie und Systematik der Vögel,
zugleich ein B eitra g zu r Anatomie der S tü tz- u n d Bewegungsorgane.
Edward Cope, 1883. The Vertébrata o f the cretaceous formations o f the West. 75 Plates.
Ernst Gaupp, 18g2— 18g7 • Beiträge zu r Morphologie des Schädels.
Friedrich Maurer, i8g2— i8gg. D ie Rum pfm uskulatur der W irbeltiere. Leipzig.
Carl Gegenbaur, igo2. Vergleichende Anàtomie der W irbeltiere. 2 Bde. Leipzig.
Meirie Herren!
Unter denjenigen Organisationsverhältnissen, welche für den
Stamm der Wirbeltiere als solchen vorzugsweise charakteristisch
sind, nimmt ohne Zweifel die eigentümliche Einrichtung des B e -
we g ung s a ppa r a t e s oder des „Locomoto r iums “ eine der
ersten- Stellen ein. Den wichtigsten Bestandteil dieses Apparates
bilden zwar, wie bei allen höheren Tieren, die aktiven Bewegungsorgane,
die Muskeln oder die Stränge des Fle i s che s ; denn
vermöge ihrer eigentümlichen „Kontraktilität“ besitzen dieselben
die Fähigkeit, sich zusammenzuziehen und zu verkürzen. Dadurch
werden die einzelnen Teile des Körpers gegeneinander bewegt
und zugleich auch der gesamte Körper von Ort und Stelle bewegt.
Aber die Anordnung dieser Muskeln und ihre Beziehung
zu dem festen Ske le t t ist bei den Wirbeltieren ganz eigentümlich
und verschieden von derjenigen aller Wirbellosen.
Bei den meisten niederen Tieren, namentlich den Platoden
und Vermalien, finden wir, daß die Muskeln eine einfache, dünne,
unmittelbar unter der äußeren. Hautdecke gelegene Fleischschicht
bilden. Dieser „Hautmuskelschlauch“ steht mit der Hautdecke
selbst im engsten Zusammenhänge, und ähnlich verhält es sich
auch im Stamme der Weichtiere. Auch in der großen Abteilung
der Gliedertiere, in den Klassen der Krebse, Spinnen, Tausendfüßer
und Insekten, finden wir noch ein ähnliches Verhältnis, nux1
mit dem Unterschiede, daß hier die Hautdecke einen festen Panzer
bildet: ein aus Chitin (und oft zugleich aus kohlensaurem Kalk)
gebildetes starres Hautskelet t . Dieser äußere Chitinpanzer erfährt
sowohl am Rumpfe, als an den Gliedmaßen der Gliedertiere
eine höchst mannigfaltige Gliederung, und dementsprechend erscheint
auch das Muskelsystem, dessen kontraktile Fleischstränge
im Inne ren der Chitinröhren angebracht sind, außerordentlich
mannigfaltig gegliedert. Den direkten Gegensatz hierzu bilden
die Wi rbel t ie re . Bei ihnen allein entwickelt sich ein festes