
Gleichförmigkeit durch die ganze Tierreihe, mit einziger Ausnahme
der einzelligen Urtiere, nachgewiesen haben: bei den
Schwammtieren, Nesseltieren, Plattentieren, Wurmtieren, Weichtieren,
Gliedertieren, Sterntieren, Manteltieren und Wirbeltieren
(S. 169). Bei allen diesen verschiedenen Tierstämmen kehrt die
Gastrula ursprünglich in ähnlicher einfachster Form wieder (Fig. 421).
Ihr- ganzer Körper ist eigentlich nur ein doppelwandiges Magensäckchen:
die einfache Körperhöhle ist die verdauende Magenhöhle,
der Urdarm (Progaster, g); ihre einfache Oeffnung ist
der Urmund (Prostoma, o); sie ist Mund- und Afteröffnung
Fig. 421. Gastrula eines Schwammes (Olynthus). A v o n außen, B im
Längsschnitt durch die Achse, g Urdarm (Progaster oder Ärchenteron), o Urmund
(.Prostoma oder Blastofiorus), i Darmblatt {Entoderni), c Hautblatt [Ektoderm).
zugleich. Die beiden Zellenschichten, welche ihre Wand zusammensetzen,
sind die beiden primären Keimblätter: das innere ernährende
oder vegetale Keimblatt, das Da rmbla t t (Entoderma oder Endo-
blast, i), und das äußere deckende und zugleich durch seine
Flimmerhaare die Lokomotion vermittelnde, animale Keimblatt, das.
Hautbla t t (Ektoderma oder Ektoblast, e). Sicher ist es eine
höchst wichtige Tatsache, daß sich bei den verschiedensten Tieren
die Gastrula als früher Larvenzustand in der individuellen Entwickelung
vorfindet, und daß diese Gastrula, obgleich vielfach
durch cenogenetische Abänderungen maskiert, dennoch überall
im Wesentlichen denselben palingenetischen Bau zeigt (Fig. 32—37,
S. 169). Der höchst mannigfach ausgebildete Darmkanal der verschiedensten
Tiere entwickelt sich ontogenetisch aus demselben
einfachen Urdarme der Gastrula.
Als ich 1872 in meiner - Monographie der Kalkschwämme
(Bd. I, S. 468) diese Grundsätze der Gastraea- Theorie zuerst aufstellte
und den Urdarm (Progaster) mit seiner Oeffnung, dem
Urmund {Prostoma), ,als das gemeinsame älteste Primitivorgan
aller Metazoen in Anspruch nahm, stieß diese Auffassung fast
allgemein auf lebhaften Widerspruch. Indessen ist sie jetzt, nach
langen und hartnäckigen Kämpfen, fast von allen Zoologen angenommen.
Zuerst wurde sie unterstützt und teilweise modifiziert
von E. Ray-Lankester in London; derselbe schlug drei Jahre
später (in seiner Abhandlung über Entwickelung der Mollusken,
1875) vor, den Urdarm als Ärchenteron zu bezeichnen, und den
Urmund als Blastoporus. Auch diese Bezeichnung ist vielfach
in Gebrauch. Aus der Homologie des Urdarmes ergeben sich
für unsere Stammesgeschichte zwei folgenschwere Schlüsse; ein
allgemeiner und ein besonderer. Der a l lg eme ine Schluß ist
ein Indukt ions s chluß und lautet: D e r mann ig fa l t ig g e s
tal tete Darmkanal al l e r ve r s chiedenen Metazoen
oder Gewe bs t i e r e hat sich phy lo g ene t i s ch aus einem
und demse lben höchs t e infachen Urdarme der Ga s
t ra ea h e r v o r g e b i ld e t , jener uralten gemeinsamen Stammform,
die noch heute durch die Gastrula nach dem Biogenetischen
Grundgesetze wiederholt wird. Die interessanten Gastraeaden der
Gegenwart (Fig. 287, S. 551) bewahren noch heute diese einfachste
Urform“ der Metazoen permanent. Der hieran geknüpfte
besondere Schluß ist ein Ded u k t io n s ch lu ß und lautet:
D e r Da rmkana l des Menschen als Ganzes i st homolog
dem Darmkanal al l e r übr ig en Tiere; er hat die gleiche
ursprüngliche Bedeutung und hat sich aus derselben Grundform
der Gastraea historisch hervorgebildet (Fig. 287, S. 551).
Bevor wir nun die Entwickelung des menschlichen Darmkanals
im einzelnen verfolgen, wird es notwendig sein, mit ein paar
Worten uns über die allgemeinsten Verhältnisse der Zusammensetzung
desselben beim entwickelten Menschen zu orientieren.
(Vergl. .die 51. Tabelle und Taf. VI, VII, S. 342.) Der Darmkanal
des ausgebildeten Menschen ist in allen wesentlichen Stücken
ebenso zusammengesetzt, wie derjenige aller höheren Säugetiere,
und gleicht insbesondere demjenigen der Catarrhinen, der schmal-
nasigen Affen der alten Welt. Den Eingang in den Darmkanal
bildet die Mundöf fnung (Taf. VII, Fig. 16 o). Durch sie gelangen
die Speisen und Getränke in die Mundhöhle, auf deren
Grunde sich die Zunge befindet. Bewaffnet ist unsere Mundhöhle