
Steigbügel entspricht der Columella unserer Reptilienahnen. Dagegen
ist der Amboß aus dem Quadratbein der letzteren entstanden,
und der Hammer aus dem Gelenkstück ihres Unterkiefers. Das
ursprüngliche Kiefergelenk der Reptilien und Amphibien ist bei
den Mammalien zu dem Gelenk zwischen Amboß und Hammer
geworden. Das Kiefergelenk der Säugetiere ist eine Neubildung,
entstanden zwischen Zahnstück (Dentale) und Gelenkstück (Arti-
culare) des Unterkiefers der Reptilien-Ahnen.
Was schließlich das äuße re Ohr betrifft, nämlich die Ohr muschel
und den äußeren Geh ö r g an g , der von da aus bis
zum Trommelfell hinführt, so entwickeln sich diese Teile in einfachster
Weise aus der Hautdecke, welche die äußere Mündung
der ersten Kiemenspalte begrenzt. Die Ohrmuschel erhebt sich
hier in Gestalt einer ringförmigen
Hautf alte, in der später Knorpel und
Muskeln entstehen (Fig. 376, 378,
S. 740). Uebrigens ist dieses Organ
Fig- 389. Die rudimentären Ohr-
muskeln am menschlichen Schädel, a Aufziehmuskel
{M. attollens) , b Vorziehmuskel
(M . attrahens) , c Rückziehmuskel [M. re-
trahens), d großer Ohrleistenmuskel (M. h elicis
major), e kleiner Ohrleistenmuskel {M. helicis
minor) , f Ohreckenmuskel {M. tragicus),
g Gegeneckenmuskel (M. antitragicus). Nach
H . Meyer. .
bloß der Klasse der S äu g e t i e r e eigentümlich. Ursprünglich
ist dasselbe noch sehr einfach bei der niedersten Abteilung, den
Schnabeltieren oder Monotremen. Bei den übrigen findet es sich
auf sehr verschiedenen Stufen der Entwickelung und teilweise
auch der Rückbildung vor. Rückgebildet ist die Ohrmuschel
bei den meisten im Wasser lebenden Säugetieren. Die Mehrzahl
derselben hat sie sogar ganz verloren, so namentlich die Seerinder
und Walfische und die meisten Robben. Hingegen ist die Ohrmuschel
bei der großen Mehrzahl der Beuteltiere und Placental-
tiere gut entwickelt, dient zum Auffangen und Sammeln der
Schallwellen und ist mit einem sehr entwickelten Muskelapparat
versehen, mittelst dessen die Ohrmuschel frei nach allen Seiten
gedreht und zugleich ihre Gestalt verändert werden kann. Sie
wissen, wie kräftig und frei unsere Haussäugetiere, die Pferde,
Rinder, Hunde, Kaninchen u. s. w. ihre Ohren „spitzen“, aufrichten
und nach verschiedenen Richtungen bewegen. Dasselbe
tun die meisten Affen noch heute, und ' dasselbe konnten auch
früher unsere älteren Affenahnen tun. Aber die jüngeren Affenahnen,
die wir mit den anthropoiden Affen (Gorilla, Schimpanse
u. s. w.) gemein haben, gewöhnten sich jene Ohrbewegungen ab,
und daher sind die bewegenden Muskeln allmählich rudimentär
und nutzlos geworden. Trotzdem besitzen wir dieselben noch
heute (Fig. 389). Auch können einzelne Menschen noch ihre Ohren
mittelst der Vorziehmuskeln (6) und der Rückziehmuskeln (c) ein
wenig nach vorn oder nach hinten bewegen; und durch fortgesetzte
Uebung kann man diese Bewegungen allmählich verstärken.
Hingegen ist kein Mensch mehr im Stande, die Ohrmuschel
durch den Aufziehmuskel (a) in die Höhe zu ziehen, oder durch
die kleinen inneren Ohrmuskeln (d, e, f g) ihre Gestalt zu verändern.
Diese Muskeln, die unseren Vorfahren sehr nützlich
waren, sind für uns bedeutungslos geworden. Dasselbe gilt für
die meisten anthropoiden Affen.
Auch die charakteristische Gestalt unserer menschlichen Ohrmuschel,
insbesondere den umgeklappten Rand, die Leiste {Helix)
und das Ohrläppchen, teilen wir nur mit den höheren anthropoiden
Affen: Gorilla, Schimpanse und Orang (Taf. XXVI, XXVTI).
Hingegen besitzen die niederen Affen ein zugespitztes Ohr ohne
Leistenrand und ohne Ohrläppchen, wie die anderen Säugetiere.
Darwin hat aber gezeigt, daß am oberen Teile des umgeklappten
Leistenrandes bei manchen Menschen ein kurzer spitzer Fortsatz
nachzuweisen ist, den die meisten von uns nicht besitzen. Bei einzelnen
Individuen ist dieser Fortsatz sehr stark entwickelt (Fig. 12,15).
Derselbe kann nur gedeutet werden als Rest der ursprünglichen
Spitze des Ohres, welche infolge der Umklappung des, Randes
nach vorn und innen geschlagen worden ist. Vergleichen wir in
dieser Beziehung die Ohrmuschel des Menschen und der verschiedenen
Affen, so finden wir, daß dieselben eine zusammenhängende
Reihe von Rückbildungen darstellen. Bei den gemeinsamen
catarrhinen Vorfahren der Anthropoiden und des Menschen hat
diese Rückbildung damit begonnen, daß die Ohrmuschel zusammengeklappt
wurde. Infolgedessen ist der Leistenrand entstanden, an
welchem jene bedeutungsvolle Ecke vorspringt, der letzte Rest von
der frei hervorragenden Spitze des Ohres bei unseren älteren
Affenahnen. So ist auch hier durch die vergleichende Anatomie
die sichere Ableitung dieses menschlichen Organes von dem
gleichen, aber höher entwickelten Organe der niederen Saugetiere
möglich. Zugleich zeigt uns die vergleichende Physiologie, daß