
Orthonectiden u nd Dicvemiden. X I X .
ist umgeben von einem dunklen Ring, der sehr starke und lange
Flimmerhaare trägt und die Schwimmbewegung (mit dem Aboralpol
voran) vermittelt. Angeblich soll dieser Flimmerring nur aus
einer einzigen großen ringförmigen Zelle (mit einem Kern) bestehen;
wahrscheinlich ist er aus vielen, radial gegen die Mitte
des Urmundes gerichteten Flimmerzellen zusammengesetzt. Die
Entodermzellen verwandeln sich in Geschlechtszellen.
Pemmatodiscus und Kunstleria können in der Familie der
Ga s t r emar ien zusammengefaßt werden. Diesen Gastraeaden
mit offenem Urdarm sehr nahe verwandt sind die Orthonec-*
tiden (.Rhopalura, Fig. 287, ^—5). Sie wohnen als Schmarotzer in
der Leibeshöhle von Sterntieren (Ophiuren) und Wurmtieren; sie
unterscheiden sich dadurch, daß die Urdarmhöhle nicht leer,
sondern mit Entodermzellen ausgefüllt ist, und daß sich aus diesen
die Geschlechtszellen entwickeln. Diese Gastraeaden sind getrennten
Geschlechts, die Männchen (Fig. j) kleiner und etwas
anders gestaltet als die eiförmigen Weibchen (Fig. 4). Aus den
befruchteten Eiern entwickelt sich durch inäquale Furchung eine
kleine Gastrula, deren Ektodermzellen später in feine Muskelfäden
auswachsen; diese laufen parallel der Länge nach über den Körper
und bewirken dessen Kontraktionen.
Von den Orthonectiden unterscheiden sich die ähnlichen
Di cy emiden (Fig. 4^-10) dadurch, daß den Raum der Urdarm-
höhle nicht eine Gruppe von dicht gedrängten Sexualzellen einnimmt,
sondern eine einzige große Entodermzelle. Diese liefert
keine Geschlechtsprodukte, sondern zerfällt später in viele getrennte
Zellen (Sporen), deren jede sich — ohne befruchtet zu sein — zu
einem kleinen Keime entwickelt. Die Dicyemiden bewohnen als
Parasiten die Leibeshöhle von Tintenfischen, namentlich die Nierenhöhlen.
Sie zerfallen in mehrere Gattungen, die sich zum Teil
durch den Besitz besonderer Polzellen auszeichnen; ihr Körper
ist bald mehr rundlich, eiförmig oder keulenförmig, bald mehr
langgestreckt, cylindrisch. Die Gattung Conocyema (Fig. 5— if)
unterscheidet sich von dem gewöhnlichen Dicyema durch den
Besitz von vier kreuzständigen Polwarzen, die man als beginnende
Tentakeln deuten könnte.
Die Stellung der Cyemarien im System ist sehr verschieden
beurteilt worden; bald wurden sie für parasitische Infusorien
(Opalina ähnlich), bald für Plattentiere (Platodes) oder für Wurmtiere
(Vermalia) gehalten, die den Saugwürmern oder Rädertieren
nahe verwandt, aber durch Parasitismus rückgebildet seien. Diese
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Auffassung wird aber durch keine einzige Tatsache gerechtfertigt.
Denn die hervorgehobene Aehnlichkeit mit den flimmernden
Larven von Trematoden beweist doch bloß, daß diese letzteren
auch den Gastrulazustand durchlaufen. Ich halte daher an der
phylogenetisch wichtigen, schon 1876 von mir begründeten Auffassung
fest, daß wir es hier mit wirklichen Gas t raeaden zu
tun haben, mit uralten Ueberresten aus der gemeinsamen Stammgruppe
aller Metazoen. Diese haben im Kampfe ums Dasein
eine sichere Zufluchtstätte in der Leibeshöhle ihrer Wohntiere
gefunden. Als die älteren, ganz primitiven Gastraeaden sind die
Ga s t r emar ien zu betrachten (.Pemmatodiscus und Kunstleria)-,
aus ihnen sind durch Verlust der Darmhöhle die jüngeren
Cyemarien'entstanden (Rhopalura und Dicyema)-, sie verhalten
sich zu den ersteren wie die darmlosen Bandwürmer (Cestodes)
zu den nahe verwandten Saugwürmern (Trematodes). Wahrscheinlich
sind direkt von den Gastremarien auch die scheibenförmigen
T r i chop l a c id en (Trichoplax und Treptoplax) abzuleiten,
und zwar durch die Gewohnheit, ihren weiten Urmund
so auszubreiten, daß die Urdarmhöhle ganz verstreicht; die untere
flimmernde Epithelschicht ihrer dünnen rundlichen Scheibe ist
das Entoderm, die obere, nicht flimmernde das Ektoderm; diese
abgeplatteten Gastraeaden verhalten sich zu Pemmatodiscus wie
eine flache Discogastrula zur becherförmigen Archigastrula.
Eine besondere Ordnung (oder Klasse) von „Gastraeaden der
Gegenwart“ bilden vielleicht die kleinen, auf dem Meeresboden
festsitzenden Coelenterien, welche ich (1876) als Phys ema r ien
beschrieben habe (Haliphysema und Gastrophysema; dritter
Beitrag zur Gastraeatheorie). Die Gattung Haliphysema (Fig. 288,
289) ist äußerlich sehr ähnlich einem großen, unter demselben
Namen schon 1862 beschriebenen Rhizopoden aus der Familie
der Rhabdamminiden, der zunächst für eine Spongie gehalten
wurde. Um die Verwechselung mit diesen zu verhüten, habe ich
sie später Prophysema genannt. Der ganze reife Körper der
entwickelten Person stellt bei Prophysema einen einfachen,
cylindrischen oder eiförmigen Schlauch dar, dessen Wand aus
zwei Zellenschichten besteht. Die Höhle des Schlauches ist die
Magenhöhle und die obere Oeffnung desselben die Mundöffnung
(Fig. 289 m). Die beiden Zellenschichten, welche die Wand des
Schlauches bilden, sind die beiden primären Keimblätter. Von
den schwimmenden Gastraeaden unterscheiden sich diese einfachsten
Pflanzentiere hauptsächlich dadurch, daß sie mit dem einen (der