Das wechselndste Moment in der äusseren Erscheinung dieser Stämme
ist die Gesichtsbildung, darin sind sie , wenn man fernstehende Glieder der
Reihe zusammenhält, kaum als »chuana« zu bezeichnen.
Die am besten entwickelten unter allen sind die Ba-suto, doch erscheinen
diese weniger charakteristisch, indem ihnen viele fremde Elemente
besonders von Z ulu- und Tetnbu— Abstammung zugeflossen sind, und das
gute Aussehen auf den vortlieilhaften Einfluss der Racenkreuzung zurückzuführen
ist. Es kommt dazu, dass sie-ein kühles Gebirgsland bewohnen
und somit auch im Vergleich mit den meisten anderen Stämmen unter relativ
günstige Bedingungen für die Entwickelung des Körpers gestellt sind. Die
Wirkung dieser Momente spricht sich in dem häufigen Auftreten von robusten
Figuren aus, welche zuweilen den stämmigen Zulu wenig nachgeben, wenn
sie auch nicht den Durchschnitt repräsentiren; ausserdem aber wird sie erkennbar
durch die bemerkenswerthe Regelmässigkeit der Gesichtszüge.
Hier finden sich in der That Profile, welche bei Nichtberücksichtigung
der Hautfarbe als vollständig europäisch bezeichnet werden könnten (Fig. 1,
Taf. X I ); dass darum nicht wirklich europäische Gesichter vorliegen, sondern
die S e i t e n a n s i c h t s o l c h e n u r v o r t ä u s c h t , ergiebt die Betrachtung
der zugehörigen Vorderansichten, die Bildung der Züge ist indessen
immerhin noch als regelmässig zu bezeichnen. Die zweite Figur derselben
Tafel, sowie die zugehörigen auf TaP X II zeigen denselben Charakter und
sind besonders durch die gute Entwickelung des Nasenrückens auffallend,
während die Nasenflügel allerdings auch hier die dicke, ungeschickte Form
und den breiten Ansatz zu zeigen pflegen. Desgleichen lassen sich die
Lippen, selbst wo sie nur mässig aufgeworfen sind, doch noch sehr gut
von der europäischen Bildung unterscheiden. Bei Betrachtung der hohen
Stirn der citirten Portraits darf man ferner nicht vergessen, welche bedeutende
Knochendicke bei den Nigritiern zur Hervorwölbung des betreffenden
Theiles mit beiträgt.
Die beschriebene Regelmässigkeit der Züge und bemerkenswerth gute
Entwickelung des Körpers ist benutzt worden, um gerade für diesen Stamm
eine ganze Reihe von Sensationsbildern als Portraits auszugeben, unter denen
die von C a s a l i s 1) wegen der sonstigen Bedeutung des Buches wohl die
meiste Beachtung verdienen. Schreibt man unter die Abbildung des »Guerrier
mossouto2) : Kimber, im Begriff nach Italien einzubrechen«, so würde sich
der Beschauer wohl nur über die schwächliche Bewaffnung, sowie über die
allgemeine Dunkelheit des Holzschnittes wundern; eine genauere Betrachtung
lässt freilich erkennen, dass der Büschel auf dem Kopfe kein in die Höhe
gebundener Haarschopf ist, sondern etwas Fremdartiges, das lockige Haar
des Hauptes sowie des Bartes würde aber auch dann seine Gedanken kaum
1) Casalis , Les Bassoutos.
2) A. a. O. p. 66.
nach Afrika führen, zumal rla Gesichtsbildung und Figur gar nicht von der
europäischen abweicht. Bin Pendant dazu bildet das Mädchen aut Seite 150
(Femmes ä leurs travaux) , eine TrziAN’sche Venus, die sich durch die un
passende Arbeit bei ihrer leichten ■ Sommertoilette den Teint verdorben ha .
Dies sind aber keineswegs die einzigen derartigen Producte, sondern
es existiren noch eine ganze Anzahl, z. 11. auch eine weibliche Figur als
Mo-suto - Mädchen, inverschiedenen-Journalen reproducirt, die unter a men
wandelt, gleichsam als wollte der'Zeichner absichtlich darauf aufmerksam
machen, er verstünde Nichts von der Sache*)'.
Dass falsche Anschauungen entstehen, wenn solche Abbildungen a s
typisch gegeben werden, erscheint sehr begreiflich, und es müssen derartige
Darstellungen, die offenbar von europäischen Zeichnern nach Beschreibung
oder ganz ungenügenden Skizzen entworfen sind, erst beseitigt werden,
bevor sich richtigere Anschauungen verbreiten können.
Weder unter den B a - suto >,v noch unter irgend einem anderen der
südafrikanischen Stämme geben die Frauen wegen ihrer unterdrückten Stellung
und der übermässig schweren Arbeit als Regel g u t e T y p e n für d,e
Kkce ab, und noch seltener a n s p r e c h e n d e . Das Portrait der Moiuane,
der Lieblingsfrau des Ba-wanhetsi - Häuptlings Gassisioe (Fig. I, Taf. XIX)
ist das bedeutendste weibliche Gesicht, welches dem Verfasser während
seines langen Aufenthaltes unter den Be-chuana vorgekommen ist, das der
Cuenyani (Fig. 2, Taf. XX) , ein eben sich entwickelndes Mädchen, vielleicht
das hübscheste, und doch wird sich Niemand veranlasst sehen, das
eine oder andere für eine Venus zu halten. Die anderen Portraits der
citirten Tafeln geben einen guten Durchschnittseharakter weiblicher Schon
heit unter dem genannten Volke.
Die Augenstellung der Cuenyani ist s c h i e f e r als bei irgend einem
der weiter unten f o l g e n d e n Hottentottenportraits, indem die horizontale Axe
(äusserer Winkel — Mitte dei‘ Caruncula lacrymalis) m ihrer Verlängerung
den unteren Lidrand des anderen Auges bei Weitem nicht berührt; eine
solche Bildung trifft man unter den Be-chuana keineswegs selten, ein wichtiges
Moment bei der Beurtheilung der mongolischen Ideen gewisser Autoren 2)
über die Koi-koin.
Die Reste der östlichen Stämme, welche nur noch ein kümmerliches
Dasein unter den Boeren fristen, erreichen auch in ihrer äusseren Erscheinung
keineswegs das gute Aussehen der Ba-suto. Dagegen lassen sie vielfach
ihre Herkunft aus nördlicheren Gegenden erkennen und zeigen dann
eine. Gesichtsbildung, welche auf das lebhafteste an diejenige der Stämme
nördlich vom Aequator erinnert. Solche Portraits sind z. B. auf Taf. XIII,
1) Das Sa-suto-L an d ist ein Hochplateau von 4—5000' Erhebung d e r t i e f s t e n
S te lle n ,-w ö die Eiche nibht mehr fortkommt, geschweige denn die Palme.
2) Vergl. im betreffenden Kapitel.