Bis hierher dürfte dem Leser das Bild, welches vom Charakter der
Kaffem entworfen wurde, als ein in sehr dunklen Farben gemaltes erscheinen.
Indessen ist dies durchaus nicht die Absicht, und die persönliche
Meinung des Verfassers ist keineswegs so sehr gegen die in Rede stehenden
Leutchen eingenommen. Dieser scheinbare Widerspruch löst sich einfach
dadurch, dass man den localen Verhältnissen, dem uncivilisirten Zustande,
in welchem das Ehrgefühl nicht wohl entwickelt werden konnte, Rechnung
tragen muss und den Maassstab nicht nach europäisch sentimentalen Vorstellungen
von paradiesischer Unschuld wilder Völkerstämme abmisst.
Ebensowenig wie der Körper im Zustande der Uncultur zur vollen
Ausbildung kommt, gelängt der Geist zur vollen Blüthe und die schlechten
Neigungen sind keineswegs durchgängig Auswüchse der Civilisation. Es
geht aus beiden Betrachtungen hervor, das s der Me n s c h s e ine r A n lage
na ch zur Cul tur b e s t immt ist, und dass es Unrecht ist, mit
J. J. R ou s sea u zu leugnen, dass die Cultur d e n Me n s c h e n g l ü c k l
i c h e r mache, da dieselbe ihn ü b e r h a u p t e r s t zum Me n s c h e n im
vollsten Sinne des Wortes mac ht . — —
Wie die natürlichen und gesellschaftlichen Schwierigkeiten den Kaffern
zwangen, beim Kampfe mit denselben in der Wahl seiner Mittel nicht besonders
bedenklich zu sein, so schärften sie auf der ändern Seite seinen
Verstand in allen Punkten, welche auf den materiellen Vortheil sich bezogen,
in sehr bemerkenswerther Weise. Dem zu Folge geben sie durchschnittlich
äusserst gewandte und verschlagene Händler ab, so dass die Europäer beim
Handeln mit denselben meist den Kürzeren ziehen; denn wenn die Eingeborenen
sie auch nicht immer an List und Verstellungskunst übertreffen,
erreichen sie ihren Zweck oft durch die entsetzliche Ausdauer und Beharrlichkeit,
mit der sie den kleinsten sich bietenden Vortheil verfolgen1). Das
Gewonnene wird sorgfältig gespart und zusammengehalten, indem der Kaffer
ebenso haushälterisch wie begehrlich ist. Es dauert lange, bis eine schöne
Heerde Vieh, das grösste Ziel seiner Wünsche, erworben ist; durch den
Besitz einer solchen wird aber nicht nur diese stille Schwärmerei befriedigt,
sondern der Kaffer erhält auch die Mittel, sich Frauen zu verschaffen, sei
e s, dass dieselben durch Geschenke oder direct durch Kauf erworben werden.
Er schwärmt zwar für seine Lebensgefährtinnen nicht so sehr,- wie
für die dagegen ausgetauschten Ochsen, die Anschaffung von einer oder
hypocrites) seien, an die Spitze seiner ganzen Charakterbeschreibung, nimmt aber trotzdem
keinen Anstand, ihnen im Verlauf der Darstellung ihre peinliche Ehrenhaftigkeit (scrupulous
honesty) zu bescheinigen, wonach der Autor offenbar absonderliche Begriffe von Ehrenhaftigkeit
und andrerseits von seiner eignen Menschenkenntniss haben muss, um einem
durchtriebenen Heuchler gegenüber in Betreff seiner sonstigen Ehrenhaftigkeit so sicher
zu sein. (Vergl. Gr o u t , Zulu - Land. Chapt. X I I I .)*
!) Vergl. : Drei Jahre in Süd-Afrika,pag. 341.
mehreren Frauen gehört aber doch einmal zu den unvermeidlichen Ausgaben.
Wenn ihm auch die Trennung von seinen lieben sauer erworbenen
Thieren schwer ankommt,' so kann die Notliwendigkeit, ein solches Opfer
zu bringen, um so weniger in Frage kommen, als die Sinnlichkeit unter
den A -b a litu , wie wohl unter allen afrikanischen Stämmen, eine sehr hervorragende
Rolle spielt. Unsittlichkeit ist dem zu Folge an der Tagesordnung,
wenn auch darin bei den einzelnen Stämmen grosse Verschiedenheiten
Vorkommen, deren gesondertes Erscheinen mit Rücksicht auf die Zusammengehörigkeit
der Stämme schwer zu erklären ist. Jedenfalls bedarf es aber
keiner grossen Einsicht, um zu erkennen, dass die Sinnlichkeit und die
beim Mangel an Moral daraus folgende Unsittlichkeit im afrikanischen Blute
liegen und nicht erst von Europa importirt sind1).
Wenn oben gesagt wurde,, dass der Kaffer wenig bedenklich ist in
der Wahl seiner Mittel, sich einen Vortheil zu verschaffen, so darf man
daraus nicht folgern, dass er kein Rechtsgefühl besässe. Im Gegentheil, es
scheint, als hätte er die genannte Eigenschaft, in welcher sich seine Verstandeskräfte
im glänzendsten Lichte zeigen, ganz besonders entwickelt, um
sein Interesse auch in dieser Richtung nach Möglichkeit wahrnehmen zu
können.
Die bewunderungswürdige Gewandtheit, in Rechtsfragen zu urtheilen,
ist wohl keinem aufmerksamen Beobachter entgangen, der längere Zeit unter
den A - bantu geweilt hat, und man kann daraus allein schon erkennen,
welche Schule des Lebens diese Eingeborenen durchgemacht haben, und
wie die Noth sie gezwungen hat, diese fragliche Seite- ihres Verstandes
auszubilden. Wollte man aber schliessen, dass andere Verstandesthätig-
keiten, welche nicht so unmittelbar dem materiellen Vortheil dienen, mit
Leichtigkeit auf die gleiche Stufe von Vollkommenheit zu bringen seien,
so würde mail sehr irre gehen. Ueber Alles, was nicht in den engen
Kreis seiner wenigen Bedürfnisse und Neigungen fällt, macht sich der
Kaffer ungern Sorgen, denn am liebsten giebt er sich einer gedankenlosen
Fröhlichkeit hin und geniesst das Heute, indem er den kommenden Tag
für sich selber sorgen lässt. Auch in der Leichtlebigkeit stimmt er also
mit den übrigen dunkel pigmentirten Racen Afrika’s überein, und solange
er in dieser harmlosen Laune ist, zeigt er sich umgänglich, gastfreundlich
und zuvorkommend. Er sucht Gesellschaft, um sich zu unterhalten, und
wenn er dann iiii Kreise guter Freunde um den Bier topf lagert, schwatzt
und schnupft, erscheint er als der gutmüthigste Mensch von der Welt.
Man darf aber nicht vergessen, dass die Wildheit nur in seinem
Charakter schlummert,' und dass es nicht einmal immer nothwendig ist,
seine Leidenschaften aufzuregen, um sie auftauchen zu sehen. Der Häupt-
1 Siehe weiter unten im Kapitel: Sitten, Gebräuche.