diesen Ausdruck selbst einführen möchte, da keine Stufenfolge, unter denselben
aufgestellt wird. Die Abtheilungen, e Eyanda's (Herkunft) genannt,
bezeichnen sich als »die Verwandten der Sonne«, des »Regens«, des
»Baumes« u. s. w. und jede betrachtet eine besofidere Pflanze für heilig
und als Sinnbild der betreffenden Eyanda ( A n d e r s s o n ) . Die Eyanda erbt
von der Mutter auf die Kinder, die Vorschriften, welche verhieten, dies
oder jenes Thier zu essen, sich bei bestimmten Naturerscheinungen so und
so zu verhalten, gewissen irgendwie ausgezeichneten Stücken Vieh Verehrung
zu zollen u. s. w., sind als eine Art »Familienherkommen« zu bezeichnen
und scheinen dazu zu dienen, das Andenken an die Zusammengehörigkeit
aufrecht zu erhalten, da die Mitglieder, auch wenn sie
verschiedenen Stämmen eingereiht sind, doch eine gewisse Gemeinschaft
bekundenl) .
Bei dem Leben in den Familien selbst spielen Ceremonien ebenfalls
eine grosse Rolle, deren Sinn nicht immer fest zu stellen sein dürfte; so
gilt es als etwas ausserordentlich Beschämendes, wenn die verheirathete
Frau in Gegenwart von Fremden ihre nationale Haube abnehmen wollte,
während die sonstige Toilette doch wahrhaftig nicht an Ueberfluss leidet.
Wie die Herero in solchen Etiquettefragen an Formen hängen, so
verhält es sich auch hinsichtlich des Systems von Aberglauben, welches
unter ihnen verbreitet ist und gerade hier so entwickelt erscheint,' dass man
sich mit einiger Phantasie und gutem Willen die wunderbarsten religiösen
Anschauungen herausconstruiren kann. In diesem Punkte steht J o s a p h a t
H a h n unerreicht, und -wenn er auch nicht durch die Identificirung des
hottentottischen uTsui-xoabn. mit dem griechischen Zeus?) den historischen
»Alopex« der Etymologie weit in den Schatten gestellt hätte, so bliebe des
Dichterischen immer noch genug übrig.
Ein Vorwurf erwächst dem genannten Autor aus dem Umstande, dass
er seinen religiösen Anschauungen zu Liebe stets nur das in Rechnung
zieht, was in das Schema passte, die entgegenstehenden Angaben aber,
deren er selbst eine grosse Zahl beibringt, unberücksichtigt lässt. Mit demselben
Recht, womit J . H a h n den Herero die Verehrung eines höchsten
Gottes zuspricht, kann man aus seinen (resp. seines Vaters) Angaben, sie als
Fetisch-, Feuer-Anbeter oder Atheisten darstellen; so wechselnd und mannigfaltig
sind die abergläubischen Gebräuche. Die Basis des ganzen phantastischen
Gebäudes, die consequent durchdachten, transcendentalen Anschauungen
, welche in dem citirten Aufsatz zu Grunde gelegt werden, fehlen
*) Vergl. darüber auch J. H a h n a. a. O. p. 502.
a) »Tsui- |[ goab i der Autoren ( [| == dem lateralen Schnalzlaut Diese Angelegenheit
, welche von seinem Namensvetter, T h e o p h il i j s H a h n , dem besten Kenner der
iVamo-Sprache bereits in der Zeitschrift f. Erdkunde, Berlin 1869, Jeben so eingehend wie
treffend behandelt worden ist, gehört in das Kapitel der Hottentotten und wird dort kurz
recapitulirt werden.
den Herero, wie sie den übrigen A-bantu Süd-Afrika’s abgehen, es findet
sich bei ihnen kein »Schuldbewusstsein« und »Erlösungsbedürfniss«, ausser
die Missionare haben ihnen die Worte, wenn auch nicht die Begriffe eing
e l e r n t E s ist unmöglich, den Ausführungen von J. H a h n eingehend zu
folgen, da sich innere Widersprüche in denselben finden, welche die ganze
Darstellung verwirren; so steht auf derselben Seite, wo er anführt, die
Herero verehrten ein höchstes Wesen, Schöpfer Himmels und der Erden,
»Mo-kuru«. genannt, »der religiöse Dienst bezieht sich zunächst auf die Seelen
der Verstorbenen und erst in zweiter Linie auf Mo-kuru«-, etwas weiter unten
wiederum: »Neben dem Ahnencultus, aber in untergeordnetem Range,
findet sich bei den Herero auch derjenige des Feuers«. Gleichzeitig wird
auch erwähnt, dass dieselben Leute einem Baume göttliche Verehrung erwiesen
und diese Gegensätze einfach durch die unerwiesene Behauptung
erledigt, dass die Opfer, deren er: Schuld-, Reinigungs-,' Siihn- und
Todtenopfer unterscheidet, u r s p r ü n g l i c h a u s s c h l i e s s l i c h d em M o -
k u ru gegolten haben.
Der Umstand, dass die Vorfahren [O va-kuYu PI.) dieselbe Bezeichnung
führen wie der alleinige Gott (Mo-kuru, Sing.jyiseheint ihm auch nicht zu
dem leisesten Bedenken Veranlassung gegeben zu haben, eben so wenig er
sich hat belehren lassen, dass der TJ’nkulunkulu der Zulu nur der »Aller-
grösste« der Äma-hlozi und »Mo-rimo« der Be-chuana nicht der »Uralte«,
sondern eine Art Kobold ist, worüber weiter oben (pag. 197) bereits gesprochen
wurde.
A n d e r s s o n betont es schon, dass jedes Dorf seinen eigenen Mo-kuru
habe, dem die Bewohner ihre Verehrung und ihr Vertrauen zuwenden, ein
weiterer Beweis, dass es sich dabei um eine Mehrheit handelt, von welcher
man den Einzelnen herausgreift, den man für sich als den Geeignetsten hält.
Eingehende Erörterungen über die Unterschiede oder Vorzüge des Einen
oder des Ändern scheinen die Herero so wenig anzustellen als die übrigen
A-bantu.
A n d e r s s o n ’s Angaben2) über diesen Punkt stimmen hinsichtlich der
religiösen Anschauungen sehr gut üherein mit dem, was darüber bei den Ama-
xosa gesagt worden ist. Es fehlt bei allen Stämmen an consequenter Durchführung
des Gedankens, doch wird man durch die Vergleichung der Autoren
(J. H a h n nach. Abzug der tendenziösen Ausschmückungen nicht ausgeschlossen),
sowie die Betrachtung der Verhältnisse bei den verwandten Stämmen mit
Vergl. da rü b e r: Drei Jahre in S.-A. p. 168. Kann Verfasser hinsichtlich der
Herero auch keine eigenen umfangreichen Beobachtungen beibringen , so ist die geistige
Entwickelung, der verwandten Stämme so ähnlich und J. H a h n steht mit seinen Angaben
unter -den Autoren so vereinzelt, dass man sich in diesem Punkte entschieden gegen ihn
aussprechen muss.
,2) Vergl. A. a. a. O. p. 222.