keiner weiteren Bedeutung erscheint. Nur w e n n Schwangerschaft eintritt,
pflegt der Vater des Mädchens den Schwängeret zur Erlegung einer Strale
in Gestalt von einem Stück Vieh heranzuziehen/ das Kind aher kommt
dadurch in die Gewalt des Vaters und er kann später gegen weitere Er- ■
stattung von einigem Vieh zur Entschädigung für das Aufbringen desselben,
seine Auslieferung verlangen. Trotz des uncontrollirten geschlechtlichen
Umganges sind die Fähe von ausserehelicher Schwangerschaft doch nicht
sehr häufig, da die künstliche Frühgeburt in den ersten Monaten sehr allgemeine
Verbreitung hat; zur Herbeiführung derselben werden pflanzliche
Decoete verwendet. ■ . .
Die Hauptbeschäftigung der Ama-pakati ist die Untersuchung un
Leitung von Processen, von welchen die unbedeutenderen, unter das Civil-
recht gehörenden Fälle auch von ihnen entschieden werden.^ Solche Falle
sind besonders Vergehen gegen fremdes Eigenthum, wie Diebstahl, Ehebruch
(insofern die Frauen Eigenthum des Mannes sind) etc., während Mord,
Todtschlag, schwere Körperverletzung und selbst einfache Misshandlung,
ferner Nothzucht und Abtreibung der Leibesfrucht, als criminale Fälle betrachtet
werden und vor das Forum des Häuptlings selbst gehören ; zu .den
ernstesten und leider sehr häufigen criminellen’Anklagen gehört auch die
auf Hexerei. ‘ ~
Mit Ausnahme des letztgenannten Verbrechens, waches sehr häufig
mit dem Tode gesühnt werden muss, kennt das Gesetz der Ama-xosa nur
Vermögensstrafen, und die auferlegte Busse geht in den eivilen F'ällen nach
Abzug eines gewissen, etwa ein Drittel betragenden, Theiles für den Ge
richtshof, als Entschädigung an den Kläger, erhält der Kläger Unrecht, so
werden keine Kosten erhoben.
Bei der IFührung des Processes selbst spielt das Kreuzverhör der Zeugen
die erste Rolle ; denn jede Parthei darf, um ihre Sache zu verbessern,
so viel Lügen Vorbringen, als ihr gut scheint, und da ein Zeugeneid m
unserem Sinne nicht existirt; so leuchtet e in , welch verwickelte Gewebe
von falschen Darstellungen zum Vorschein kommen. Hierbei ist es gerade,
wo die natürliche Verschlagenheit des Raffern sich im glänzendsten Lichte
zeigt, indem sich bald dieser, bald jener der Beisitzer in dem geistigen
Turnier versucht, um die Partheien durch Kreuzfragen in Widersprüche zu
verwickeln und so der Wahrheit auf die Spur zu kommen. Die ganze Verhandlung
pflegt an dem für die Versammlungen bestimmten Platze des Ortes
vor sich zu gehen, indem die Partheien mit den Am a-pakati sich gegenüber
auf der Erde hocken, und,- nachdem mit grösster Müsse das Für und Wieder
der Sache erörtert ist, giebt der Vorsitzende das Resumé der Verhandlung
und fällt das Urtheil nach Präeedenzfällen. Die Vollstreckung desselben wird
besonderen, aus der Reihe der Ama-pahati ernannten Executoren, den
Minila, übertragen, welche für ihre Mühwaltung durch einen Antheil an
der erhobenen Strafe entschädigt werden. Das Maass derselben ist sehr
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schwankend, gewöhnlich von ein bis zehn Stück Vieh, je nach der Art des
Vergehens, den Vermögensverhältnissen des Verklagten und der Laune des
Gerichtshofes.
Nach W a h n e r ’s Angabe beträgt die Strafsumme (Isizi) für den Todtschlag
eines Mannes sieben Stück Vieh, einer Frau zehn, weil der Wertli
einer weiblichen Person wegen der bei ihrer eventuellen Verheirathung zu
erlangenden Morgengabe höher steht. Da die Unterthanen alle als Eigenthum
des H äuptlings betrachtet werden, so gilt jede Tödtung oder selbst Verletzung
als eine Schädigung desselben, und die »Isizi« wird selbst dann
gefordert, wenn ein der Zauberei Angeklagter unter den Händen der Folteiv
knechte stirbt. Bei Partheikämpfen begleitet von Körperverletzung werden
in der Regel beide Partheien mit Strafe belegt, und ~ es ist unschwer zu
erkennen, dass das Bestreben, diese in möglichster Ausdehnung in Anwendung
zu bringen, ein leitender Gesichtspunkt in den Rechtsanschauungen
des Häuptlings ist.
Der Grund dafür liegt besonders darin, dass durch die liberale Ver-
theilung, eines bedeutenden Theiles der ihm zufliessenden Strafen an die
Ama-pakati er dieselben bei guter Laune erhält und auf solche Weise sein
Ansehen im Volke stärkt. Es ist dies die mildeste Form, unter welcher
er für die Vergrösserung seiner Macht wirken kann und die unschuldigste,
da das Verfahren mit dem Rechtsbewusstsein der Menge durchaus im Einklänge
steht. Ein anderes, schon weniger unschuldiges Mittel zur Schwächung
ünd Unterdrückung der Gegner ist das sogenannte »Auffressen« eines
Mannes oder eines ganzen Dorfes, welches in Fällen von Hochverrath, oder
Widersetzlichkeit gegen die Befehle des Häuptlings von demselben über die
Schuldigen verhängt wird. Häufig giebt wohl die feindselige Gesinnung
allein den Grund ab, gegen eine Parthei, deren Macht man fürchtet, in
solcher Weise unter irgend einem Vorwand einzuschreiten. Es überfallen
alsdann die Anhänger des Häuptlings in hellen Haufen die Verfehmten
möglichst unerwartet, um sie am Fortschaffen ihres Eigenthums, besonders
des Viehes, zu hindern, und verlassen den Ort nicht eher, als bis das
letzte Stück unter ihren Assegaien gefallen und mit den übrigen Vorräthen
aufgezehrt ist. Die auf solche Art an den Bettelstab gebrachten Personen
sind nun ihres Ansehens und Einflusses im Stamme verlustig und vermögen
nicht weiter dem eigenmächtigen Verfahren des Gewalthabers entgegen zu
treten.
Die dritte und verderblichste Waffe, die Gegner zu unterdrücken und
dadurch ihre Parthei zu stärken, haben die Häuptlinge durch das System
von Aberglauben, welches in den Stämmen verbreitet is t, die sogenannte
Religion der Kaffern, und die officiellen Verbreiter desselben, die Isi-ntonga1),
ein Mittelding zwischen Doctoren und Priester. Ihre Verrichtungen bestehen
) Bei den Am a - zulu »I s i - nyanga«, bei den Be-chuana »Nyaka« genannt.
F r i t s c h , Die Eingeborenen Süd-Afrika’s. ' 7