Wir kommen somit bei den Nctmaqua gleichfalls auf einen Cultus oder
wenigstens Verehrung gewisser berühmter Vorfahren, wodurch die Einheit
der Anschauungen hergestellt ist. Es geht durch die ziemlich verworrenen
Mythen eine Vorstellung, welche wir bei den ändern südafrikanischen Eingeborenen
auch schon gefunden haben, nämlich dass die Gestorbenen in
sichtbarer Form erscheinen können; während aber bei den Bantu - Völkern
diese Erscheinungen gewöhnlich in Thiergestalt stattfinden sollen, nehmen
die Namaqua an, dass die Geister in der gewöhnlichen menschlichen Figur
auftreten, sich aber auch beliebig verwandeln. In einer Anzahl von solchen
Mythen, welche ich durch Güte des Dr. B l e e k im Manuscript zu sehen
Gelegenheit hatte, war der Anfang der Geschichte häufig so, wie jede
richtige Geschichte anfangen soll, nämlich: Es war einmal ein Mann (resp.
eine Frau), der Mann starb, wurde begraben und kam wi ede r ; die
Leut e abe r w u s s t e n ni c h t , dass es e in Ge s t o rb en e r wa r , und
nun vollführt der Auferstandene seine, gewöhnlich üblen, Thaten unter der
harmlosen Umgebung. Es lässt sich also bestreiten, dass mit solchem Auftreten
eine Rückkehr aus dem Lande der Geister in wesenloser Gestalt
analog unseren Vorstellungen gemeint ist, sondern ein Weiterexistiren der
dem Tode Verfallenen unter übernatürlichen Bedingungen. So stirbt der
Heitsi-Eibib selbst in der Mythe, nachdem er vom Rozijntjes-Boom gegessen
hat1), kommt aber wieder aus seinem Grabe in leiblicher Gestalt, wird von
seinem Sohne gefangen und gewaltsam an der Rückkehr in dasselbe gehindert,
worauf er mit den Leuten weiter lebt. Solche gespenstige Wesen
entsprechen am meisten den Vampyren unserer Sagen, wo in ganz ähnlicher
Weise übernatürliche Thaten, Verwandlungen in Thiergestalten, Tödtungen
und Wiederbelebungen statt haben.
Somit ist der Heitsi-Eibib eben so wenig eine eigentliche Gottheit,
unabhängig und ausserhalb der Menschheit stehend, als der U'nkulunkulu
der Zulu und doch wird auch ihm.,'- wie diesem, eine Verheissung -über
Leben und Tod der Menschen zugeschrieben; in gleicher Weise schreibt die
Mythe aber auch dem Monde die-Verheissung zu, und die- Einzelheiten der
Erzählung sind dabei so ähnlich, dass man unzweifelhaft berechtigt ist,
beide auf dieselbe Quelle zurückzuführen.
Anstatt des Chamaeleon und der Eidechse2) figurirt bei den Namaqua
der Hase und die Laus, von welchen die letztere vom Monde zu den Menschen
geschickt wird, um zu berichten: »Wie ich sterbe und sterbend lebe,
so sollt auch ihr sterben und sterbend leben; der Hase aber \ welcher den
M Reyn, the Fox Nr. 39 The Raisin-eater.
2) Nicht »Salamander«, wie verschiedene Autoren angeben; Salamander sind träge
Thiere, es galt aber ein schnelles zu nennen, auch sind Salamander den Eingeborenen
kaum bekannt, während allerdings manche Eidechsen von den Colonisten fälschlich Salamander
genannt werden, z. B. Klipsalamander (Uromastix), wodurch wohl der Irrthum
entstanden ist. ■ V.
Boten zufällig traf, nahm ihm die Botschaft ab und berichtete den Menschen
vom Monde: Wie ich sterbe und sterbend umkomme, so sollt auch ihr
sterben und gänzlich zum Ende kommen. Als der Hase dem Monde erzählte,
wie er die Botschaft ausgerichtet habe, wurde derselbe zornig und schlug
ihn mit einem Stück Holz auf die Schnauze, wodurch ihm die Oberlippe
gespalten wurde, der Hase aber wehrte sich und zerkratzte dem Monde das
Gesicht mit den Pfoten, wovon die dunkeln Flecken als Spuren bis auf den
heutigen Tag geblieben sind. Der Hase aber, welcher auch die gespaltene
Lippe behalten hat, wird von den Menschen gehasst und sie verschmähen es,
sein Fleisch zu essen.
Dieselbe Verheissung wird dem Heitsi-Eibib in den Mund gelegt und
der dabei gewählte Ausdruck, das »sterbend leben.« scheint jenen ungewissen,
übernatürlichen Zustand ausdrücken zu sollen, wie er in den Gespenstergeschichten
erwähnt wird; man darf sich dadurch nicht, ohne einen
groben Irrthum .zu begehen, verlocken lassen, ihnen die christliche Vorstellung
vom Uebergang durch den Tod zum wahren Leben vindiciren zu
wollen. Die Sagen lassen ausserdem erkennen, dass es unrecht is t, in der
in Rede stehenden Verheissung ein von der Gottheit geordnetes Gesetz zu
sehen, sondern dass es nur Prophezeihungen zukünftig eintretender Ereignisse
sind, wie solche von Personen, die übernatürliche Macht besitzen,
auch sonst gegeben werden können.
Das Auftauchen dieser Mythe in der Heitsi-Eibib - Sage und denen
vom Monde, sowie einige andere Uebereinstimmungen, die ich nicht umhin
kann für zufällig zu halten, veranlassen T h . H a h n anzunehmen, dass dje
Namaqua in dem Monde den sichtbar gewordenen Heitsi-Eibib erkennen,
doch betrachte ich die Gründe dafür nicht als zwingend; dagegen glaube
ich sehr gern, dass Heitsi-Eibib bei den Namaqua den Tsui-xoab der übrigen
Koi-koin ersetzt. Aber auch wenn der Beweis geliefert wäre, dass Heitsi-
Eibib und Xhab, der Mond, dasselbe darstellten, ist es. gewagt, darin ein
Auftauchen der Trinitätsidee bei den Hottentotten zu sehen, aus dem einfachen
Grunde, weil bei allen diesen Stämmen Ideen in unserem Sinne
kaum ausgebildet sind. Es ist dies der einzige wesentliche Punkt, worin
ich mich von der Anschauungsweise meines verehrten Freundes T h . H a h n
lossagen muss. Er hat eine grosse, eigene Erfahrung auf seiner Seite, doch
kann er unmöglich bemerkt haben, wie seine jugendlichen Spielgefährten
vom Volke der Namaqua durch die europäische Umgebung und sogar
durch ihn- selbst beeinflusst wurden, und dadurch ihr Gemüth sowie die
ideelle Seite ihrer geistigen Fähigkeiten in einer Weise entwickelten, die
keineswegs mehr dem nationalen Standpunkt entsprach. In seinem eigenen
Aufsatz über die Hottentotten hat er mit gesundem, treffenden Urtheil die
Quellen gekennzeichnet, aus denen solche Beeinflussungen, die sich in den
überlieferten Sagen an vielen Stellen zeigen, entspringen; dazu gehört aber
gewiss das Aufwachsen unter Menschen von .europäischer Bildung in erster
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