Er verwirft die Angabe mancher Autoren, dass sich gleichzeitig ein Auswuchs
des Os ilium (?) fände, der auch gewiss nicht vorhanden ist, dagegen
trägt die starke Neigung des Reckens dazu bei, die Fettablagerungen auffallender
Iiervortreten zu lassen.
Die Glieder sind im Uebrigen schlank, wenig muskulös, die Hände
und Füsse schmal und zierlich.
lieber diese Entwickelung des Körpers sind die Autoren in den grossen
Zügen recht einig, die Leistungsfähigkeit. und geistige Entwickelung unterliegt
auch hier in manchen Punkten verschiedener Auffassung. Nehmen wir
zunächst das Unbestrittene zusammen, so finden wir in den Namaqua
Männer von mässiger Muskelkraft,' aber durch die Gewöhnung an schwere
Strapazen zäh und ausdauernd; diese Eigenschaft bethätigen sie noch heut,
wie die Hottentotten des Cap in frühester Zeit besonders durch ihre Leistungen
als Läufer, und T in d a l l lobt sie auch wegen der schnellen Beendigung
längerer Reisen zu F u ss, worin gewöhnlich, und wohl mit Recht, den
Kaffem der Vorrang zugesprochen wird.
Th. H a h n erwähnt ihre Geistesgegenwart und Gewandtheit, und
nimmt man noch die unbestreitbare Schärfe ihrer. Sinne, besonders des Sehvermögens
hinzu, so erhalt man eine Begabung, welche ausgezeichnete
Jäger liefern muss; in der That werden die Namaqua in dieser Hinsicht
nur von den Buschmännern übertroffen, bei denen die Jagdleidenschaft alle
anderen Neigungen überwuchert hat, während die Ersteren doch immer noch
Viehzüchter geblieben sind.
T h . H a h n führt mehrere interessante Beispiele von Geistesgegenwart
in Gefahren, sowie von Gewandtheit beim Spüren an, hinsichtlich deren
auf das Original selbst verwiesen wird.
Soweit sind die Autoren wohl einig, weiterhin gehen die Ansichten
aber mehr auseinander, indem T h . H a h n den Spielgefährten seiner Jugend
eine grössere Neigung bewahrt hat, als z . B. T in d a l l oder gar K r e t z s c h m a r
für sie empfunden zu haben ' scheint. Doch machen T in d a l i / s Angaben,
soweit Vergleichung verwandter Stämme mir die Berechtigung eines Urtheils
geben kann, nicht den Eindruck der Unbilligkeit, seine Bemerkungen über
die Namaqua erscheinen ruhig und vorurtheilsfrei, wesshalb ich mich denselben
gern anschliesse.
T in d a l l findet ihre intellectuellen Fähigkeiten im Allgemeinen mittel-
mässig, erkennt aber an, dass sich manches Talent, von dem sie in ihrer
Natürlichkeit nur Proben geben, weiter entwickeln liesse, sobald sie die
Civilisation aus ihrer Urthümlichen Tndolenz durch die Gewöhnung an neue
Bedürfnisse mehr und mehr gerissen haben wird. In dem Mangel an Streben
und Ausdauer, sowie der daraus entspringenden Trägheit sieht er die hauptsächlichsten
Hindernisse ihres Emporkommens, doch glaubt er, sie würden
auch diese ablegen, wenn sie erst die ihnen noch unbekannten Arbeiten
kennen und wegen ihrer Erfolge schätzen gelernt hätten. Diese Hoffnung
erscheint mir allerdings etwas sanguinisch ; denn eine gewisse Energielosigkeit
liegt nicht nur im afrikanischen Blut, sondern das Klima selbst befördert
diese Anlage, wie man an Weissen und Farbigen sehen kann, welche als
Regel energische Kraftleistungen nur zeigen, wenn, die Stimmung eine
gehobene ist (wie z. B. bei der Jagd).
Ihre Leidenschaften sind leicht erregt, ohne besonders heftig zu se in ;
während aber T in d a l l die Sinnlichkeit und Selbstsucht als einen hervorstechenden
Charakterzug bezeichnet, lobt T h . H a h n die eheliche Zuneigung
unabhängig von fleischlicher Liebe und die Verehrung der Kinder gegen
ihre Aeltern, obgleich auch hier das-Aussetzen hülfloser alter 'Leute ziemlich
allgemein behauptet wird. Ebenso betont der Letztere auch die Seltenheit
der Unzucht, welche, wenn entdeckt, schwere Körperstrafen im Gefolge
haben soll. Eine besondere Art der Unzucht, die Masturbation, ist unter
dem jüngeren, weiblichen Geschlecht, wie ich auf gute Autorität hin versichern
kann, aber eine so häufige, dass man sie als Landessitte hinstellen
könnte. Es wird daher auch kein besonderes Geheimniss daraus gemacht,
sondern in den Erzählungen und Sagen sprechen die Leute davon, wie von
der gewöhnlichsten Sache. So heisst e s, einem Mädchen sei dabei das Herz
abgestossen worden, in anderem Falle wurde eins von den auf ihr kauernden
Gespielinnen erdrückt, und diese Ereignisse werden nicht der Wunder-
barkeit wegen berichtet, sondern dienen nur als Ausgangspunkte für die
alsdann folgende Gespenstergeschichte.
Sowie man zu Gebieten kommt, wo die Auslegung eine wesentliche
Rolle spielt, unterliegt fes selbst bei feststehenden Thatsachen grossen Schwierigkeiten,
eine Verständigung unter den Autoren zu erzielen. Es steht z. B.
fest, dass die Namaqua in noch ausgedehnterem Maasse als die übrigen Eingeborenen
der Sitte pflegen, die Bedürfnisse des täglichen Lebens, Errungenschaften
der Jagd und Aehnliches in ausgedehntester Weise mit den Stammesgenossen
zu theilen , auch sind sie gastfrei gegen Fremde3 und es erscheint
daher begreiflich, wenn D a p p e r angiebt, »die Hottentotten beschämten die
Holländer an Milde und Treuherzigkeit gegen ihren Nächsten«; währenddem
wirft ihnen T in d a l l ganz im Gegentheil Habsucht, Eigennutz und
Selbstsucht vor. Er sieht nämlich in der scheinbaren Nächstenliebe nur das
Unvermögen des Theilenden, den Gelüsten der Gierigen, welche ihn von
allen Seiten umstürmen, erfolgreichen Widerstand entgegenzusetzen, so dass
er sich seufzend in die üble Sitte fügt mit dem festen Vorsatz, es bei
nächster Gelegenheit durch die eigene Begehrlichkeit, doppelt von den guten
Freunden wieder herauszuschlagen. Besonders schädlich wirkt dies erzwungene
Mittheilen, indem es die Leute mehr und mehr in der Gewohnheit
bestärkt, der Fressgier zu fröhnen, da nur das ihnen sicher ist, was sie
glücklich hinunter gewürgt haben; auch verhindert es eine verständige Vorsorge
für die Zukunft, weil es schwer ist, Vorräthe irgend welcher Art zu
erhalten.