die hindurchsclilagenden Posten ihre Spuren zuriickliessen und einer diesfer
stummen Zeugen menschlicher Grausamkeit steckt noch im rechten, absteigenden
Schamheinaste, ausserdem aber ist die rechte Spina anterior superior,
wahrscheinlich durch das Benagen der Hyänen etwas zerstört, doch sind die
allgemeinen Verhältnisse noch gut zu übersehen.
Der Beckeneingang ist dem auf voriger Tafel sehr unähnlich wegen
des beträchtlichen Querdurchmessers (10.5) bei einer Conjugata vera von 9.6,
Verhältnisse, wie sie dem männlichen Geschlecht sonst nicht eigen zu sein
pflegen, zumal da auch die geräumigen, flach gestellten Fossae iliacae einen
weiblichen Habitus zeigen. Vom Beckenausgang gilt dies weniger, indem
der Abstand der Tubera ischii geringer ist als bei dem vorigen, der Schambeinwinkel
sehr spitz und der untere Theil des Kreuzbeins nicht gerundet
ist, sondern gegen die Spitze stark convergirende Begränzungen zeigt.
Am auffallendsten ist jedenfalls das weibliche Becken der Tafel XLIV,
welches einer Hottentottin zugehörte, die ich in der Nähe von Bloemfontein
ausgrub; hier tritt eine sehr beträchtliche Asymmetrie auf, indem der rechte
schräge Durchmesser des Eingangs sich zum linken verhält wie 9.9 : 9.4,
das Steissbein aber, dessen obere Wirbel verwachsen sind, sich mit der
Spitze nach rechts hin wendet. Der quere Durchmesser ist keineswegs bedeutend,
da er nur 9.6 beträgt bei einer Conjugata von 10.1. Der knöcherne
Geburtskanal erweitert sich nach unten beträchtlich, indem der Abstand der
Tubera 10.7 beträgt, und da das Kreuzbein auch in seinem unteren Theile
breit is t, so bekommen die Ossa innominata dadurch eine sehr steile Stellung.
Die Entfernung der Cristae iliacae ist dem zu Folge nur gering (17.7) ■
und besonders in der Vorderansicht erscheint das Becken so schmal und
hoch (17.7 : 16.4), wie ich es an entsprechenden Skeletttheilen europäischer
Weiber nie bemerkt habe; und doch ist gerade dies Specimen unter den
hier abgebildeten weiblichen Pelves wiederum das einzige, welches hinsichtlich
des Schambeinwinkels, der Gestalt des Foramen obturatorium und der
schmalen innem Begränzungen desselben den typischen Bau des normalen
Weibes zeigt. Man erkennt daraus auf’s Neue die eigentümlichen Ungleichheiten
in der Entwickelung und das Schwanken der Charaktere, welche nach
einem bestimmten Ziele zu streben scheinen, das zu erreichen ihnen die
ungünstigen äusseren Verhältnisse nicht erlauben. Im Leben wird die
Hottentottin sich durch so schmale Hüften ausgezeichnet haben, wie sie
kein kräftiger Mann ihres Stammes zu zeigen pflegt, ohne dass die Frau
indessen mit Nothwendigkeit in ihrer Beckenform Hindernisse beim Gebären
gefunden zu haben braucht, da der Kindskopf, einmal in das kleine Becken
eingetreten, den knöchernen Geburtswegen mit Leichtigkeit folgen konnte.
Berechnet man für die drei eben beschriebenen Pelves die Procente des
Querdurchmessers zwischen den Tubera ischii und des Eingangs, den Abstand
der Cristae iliacae gleich Hundert gesetzt (wie bereits oben hinsichtlich
der A-bantu geschehen ist) so erhält man hier noch prononcirtere Zahlen
als dort. Es verhalten sich nämlich alsdann die Querdurchmesser des Eingangs
wie 42.9 und 48.3 (g) zu 54/2 f f), die des Ausgangs aber wie 39.6
und 36.8 ($) zu 60.4 ff) ! Die letzte Zahl ist merkwürdig hoch und durfte
nicht als allgemeiner Maassstab dienen, aber auch die ändern zeigen überall
das Plus zu Gunsten des weiblichen Beckens, in ähnlicher Weise, wie es
schon früher gefunden wurde.
■ Hinsichtlich der Stellung und Erhebung des Vorberges unterscheiden
sich die in Rede stehenden Becken nicht wesentlich; im Vergleich mit civi-
lisirten Racen erscheint die Höhe des Yorberges über dem Beckeneingang
gering, auch ragt er nur wenig in denselben hinein, so dass sich in diesem
Punkte die Verhältnisse ganz ähnlich gestalten, wie es M a r t in in seiner
Arbeit über Beckenmessung an zwei Afiikanerinnen dargestellt h a t1) .
Schon S ö m m e r in g ’s Werk: Ueber die körperlichen Verschiedenheiten
des Negers vom Europäer, obgleich wegen der Unbestimmtheit des Materials
zu den hier beabsichtigten Vergleichungen nicht wohl verwendbar, enthält
"die Angabe, dass die Hüften bei der »»Negerracec; (?) schlanker und' das
ganze Becken enger. sei als beim Europäer. V r o l ik s Behauptungen stimmen
damit vollkommen überein, wie sich auch aus den oben angeführten
Zahlen der Negerinnen ergiebt (pag. 42). Hottentöttinnen hat er nicht spe-
ciell unterschieden, für die Buschmänninnen, welche er den vorigen im
Allgemeinen ähnlich findet, betont er besonders die verticale Richtung der
Darmbeine und sieht darin eine Thierähnlichkeit wegen der damit zusammenhängenden
relativen Höhe des ganzen Beckens. Für diese Verhältnisse
kann es keine bessere Illustration geben als das in Rede stehende Becken,
welches die später zü beschreibenden Buschmänninnen hinsichtlich der relativen
Schmalheit noch überragt. Es ist natürlich keineswegs anzunehmen,
dass alle hierher gehörenden Becken die Merkmale in gleich hohem
Grade zeigen müssten, dieselben werden an den meisten schwächer, aber
immerhin deutlich sein. Bei dem weiblichen Individuum, welches W y m a n
zu seciren Gelegenheit hatte, war ihm die Schmalheit der Hüften ebenfalls
.bemerkenswert, und die wenigen von ihm gegebenen Zahlen enthalten auch
den Ausdruck dafür. Bei der verhältnissmässig beträchtlichen Gesammthöhe
von: 166 CM. betrug der quere Durchmesser zwischen den Trochanteren
(über die Weichtheile gemessen) nur 2'8.5 CM.
Im Vergleich mit den B u s c h m ä n n in n e n darf man aber nach anderen
Eigenthümlichkeiten des Skelettes schliessen, dass die Hottentottinnen
d u r c h s c h n i t t li c h . eine bessere Entwickelung des Beckens und somit
grösseren Abstand der Cristae iliacae und bedeutenderen Querdurchmesser
bei geringerer Beckenhöhe zeigen werden als die Ersteren. Vielleicht sind
bei der Schwierigkeit der Trennung beider Stämme den abweichenden Typen
mancher Autoren Hottentottinnen untergelaufen.