geringerem Grade erkennen. Die anderen beiden Figuren derselben Tafel
geben ein gutes Beispiel dafür, wie nothwendig es ist, zwei Ansichten zu
haben, um solche Bildungen darzustellen: Niemand würde a priori glauben,
dass die allerdings schwach entwickelte, aber nicht eigentlich hässliche Nase-
der Profilansicht sich auf der Vorderansicht in ein so abscheuliches, in der
That affenähnliches Riechorgan verwandeln könnte. So täuschen die Ersteren
öfters europäische oder nahezu europäische Bildungen vor, welche erst durch
Vergleichung mit den Letzteren auf das richtige Maass zurückgeführt werden.
Eine Mittelstellung zwischen beiden Ansichten wird natürlich, je nachdem -die
Linien für die Eine oder die Andere günstiger verlaufen, ein uncontrollirbares
Zwischending abgeben, welches nach beiden Richtungen hin täuscht. Die
eingehende .Vergleichung der angefügten Tafeln wird diesen Umstand wohl
ausser allem Zweifel erscheinen lassen, indem darunter Figuren Vorkommen,
deren Enface und Profil von Unbefangenen kaum als zusammengehörig
erkannt werden dürfte.
Eine andere Besonderheit im Gesicht der Xosa, welche von der europäischen
Gesichtsbildung abweicht, ist die Gestalt des Mundes.
Die Lippen sind aufgeworfen, vielfach sogar stark aufgeworfen (Taf. VI,
Hanta) und wenn es auch Fälle giebt, wo dies nicht sehr auffallend hervor-
tritt (Taf. VIII, Sazini), so sind die Lippen' doch auch dann immer noch
stärker als die durchschnittliche Entwickelung bei germanischen Stämmen
sie zeigt. Ausserdem fehlt der graciöse Schwung, welchen ein wohlgebildeter
Mund bei den Letztgenannten 1 aufweist, gänzlich oder ist nur theil-
weise .vorhanden. Ein extremer Fall in dieser Hinsicht ist die fragliche
Bildung bei dem Ngqika Hanta (Tafel VI), wo der mittlere Ausschnitt der
Oberlippe, sowie der seitliche Kniff, welcher den mittleren Theil (Zwischen-
kieferparthie) abgränzt, nur als Andeutungen vorhanden sind. Meist fehlt das
eine oder das andere dieser Merkmale oder ist nur schwach ausgeprägt; dies
ist aber ausreichend dem Munde auch bei mässig aufgeworfenen Lippen ein
gemeines Ansehen zu verleihen. Dazu kommt, dass die durchschnittliche
Breite der Spalte die des Europäers entschieden übertrifft, sowie dass, die
ganze Parthie stark hervortritt, wras besonders an den Profilansichten deutlich
zu sehen ist. Es giebt dieser Umstand den Bildern einen eigentümlichen
Ausdruck, man könnte glauben, die Personen seien alle im Affect
aufgenommen, Stolz, Unmuth oder Zorn bewege ihre Lippen, oder, wenn
es sich um eine holde Donna handelt, meint man wohl, sie spitze gerade
den Mund zum Kusse (Taf. IX, Fig. 2 Nogode).
So einladend aber auch diese schwellenden Lippen Manchem erscheinen
möchten, den sonst wohl üblichen Vergleich mit Kirschen würde ein hochpoetisches
Gemüth hier kaum wagen, da ausser anderen Unterschieden
auch die Färbung zu sehr dagegen spricht. Röthlich .schimmern sie allerdings,
die Pigmentirung ist indessen im Vergleich zur äussern Haut nur
abgeschwächt und immer noch hinreichend kräftig,, um denselben einen
fahlen, mehr in’s Graue als in’s Braune spielenden Ton zu verleihen, welcher
unschön aussieht.
Anziehender als die Bildung der besprochenen Theile ist die der Augen,
wenn auch nur bei j ü n g e r e n I n d i v id u e n , besonders im Alter von 10
bis 20 Jahren. Kleine Kinder leiden sehr häufig an Blennorrhoen, welche
das Organ trübe und hässlich erscheinen lassen; ist diese Zeit aber vorüber,
strahlt die tiefbraune Iris oft mit angenehmem Glanze unter den dunklen
Wimpern hervor und das reine Weiss der Sclerotica setzt sich hell und klar
von der Umgebung ab. Leider dauert dies selten lange; denn in der Regel
beginnt schon in den letzten Jahren das Weiss des Auges sich zu verfärben,
wird braunfleckig, von ectasirten Gefässen durchzogen und die Iris nimmt
im Alter einen helleren, grünlichgrauen Ton an, der besonders bei Com-
plication mit dem sehr häufigen Arcus senilis dem Blick einen unangenehmen,
katzenartigen Ausdruck giebt.
Aus diesem Grunde erscheinen auch in den getreuen Abbildungen nach
Photographien die Augen so unklar und verschwommen, indem die unebene
Sclerotica und die am Rande getrübte Cornea das Licht sehr unregelmässig
reflectiren; es ist eben wegen der Unregelmässigkeit schwer, diese Eigen-
thümlichkeit genau wiederzugeben, doch denke ich wird sie durch die Por-
traits von Magoma (Fig. 2), Xoxo (Taf. VI, Fig. 1) und Seyolo (Taf. VII,
Fig. 1) in ausreichender Weise verdeutlicht.
Auch auf ändern Tafeln findet sich dieselbe abgebildet, man wird aber
im Allgemeinen finden, dass die Männer die Erscheinung in höherem Grade
und bei geringeren Jahren zeigen als die Frauen; es erklärt sich dies wohl
so, dass die letzteren, wenn auch viel zu schwerer Arbeit angehalten1), doch
im Ganzen nicht so andauernd der Sonne, dem Staube etc. ausgesetzt sind,
als die Männer,' denen Krieg und Jagd als Beschäftigung zufällt.
Gegen die Heftigkeit der Einwirkung genannter Schädlichkeiten auf
das Auge kann man sich theilweise durch Zukneifen der Augen schützen,
welches schliesslich so sehr zur Gewohnheit wird, dass es als die natürliche
Bildung erscheint. In manchen Fällen betheiligt sich das obere Augenlid
besonders daran, wofür das Portrait des Dilima (Taf. V I I, Fig. 2) ein
charakteristisches Beispiel abgiebt. Die Xosa sind sonst nicht so stark durch
diese Bildung ausgezeichnet und es steigt daher im betreffenden Falle ein
gewisser Verdacht der Vermischung mit Hottentottenblut auf, welcher auch
mit Rücksicht auf die übrigen Gesichtszüge nicht ganz zurückgewiesen
werden kann.
Für gewöhnlich erscheint, bei den Xosa die Augenspalte im Ganzen
eng, die Lider ziehen sich von Oben und Unten über einen grossen Theil
der Iris und selbst die Winkel scheinen sich etwas durch Contraction des
M. orbicularis zu nähern.
*) Siehe unter Sitten und Gebräuche.