ist der mittlere Einschnitt der Oberlippe markirt, auch die Unterlippe zeigt
gewöhnlich eine Theilung; von der Seite betrachtet, bilden die Lippenränder
scharf begränzte Vorragungen, welche durchschnittlich stärker pro—
minirend sind als hei den Hottentotten.
Der letzterwähnte Umstand hängt wesentlich mit dem h o h e n Grade
von P r o g n a t h i smu s zusammen, welchen die Buschmänner zeigen, indem
der ganze untere Theil des Gesichtes nach vorn geschoben und häufig fast
schnauzenförmig verlängert erscheint (vergl. Taf. XXVII, Fig. lh und 2 b),
ein Zug, der d en H o t t e n t o t t e n k e i n e sw e g s in d em Ma a s s e e i g e n
ist. Die Zähne sind nur von mässiger Grösse, und die Leihen derselben,
stehen wenig geneigt, so dass es sich also hier um wahren Prognathismus,
d. h. Verschiebung der Kiefer nach vorn, nicht um Schiefstellung der
Processus alveolares oder der Zähne handelt. Die Ahrundung des Kinnes
gegenüber dem spitz zulaufenden der Hottentotten, macht den Eindruck
einer Schnauze hier noch frappanter. Die steile Stirn, die Depression des
Scheitels und das Vortreten des Hinterkopfes vollenden das eigenthümlich
Eckige des Profiles, welches auch den Hottentotten zukommt, aber sich bei
ihnen in anderer Weise zusammensetzt (vergl. Schädelbau).
Ein charakteristisches Merkmal für den Buschmann, auf welches
manche Autoren Werth legen, sind endlich noch die grossen, unförmlichen
Ohren, die seitlich mehr oder weniger stark abstehen, und vom Ohrläppchen
nur eine schwache Andeutung besitzen, wie bei vielen wilden Racen.
Dieser Zug ist indessen nicht immer deutlich ausgesprochen und hat wohl
nur individuellen Charakter, zumal da durch Tragen von Ohrringen das
ursprünglich nur angedeutete Läppchen wenigstens annähernd künstlich
ausgebildet wird.
Doch möge es genug sein mit der Beschreibung der. Gesichtszüge,
welche durch Worte überhaupt nicht zuverlässig vergegenwärtigt werden
können; eine genaue, eingehende Betrachtung und Vergleichung der beigegebenen
Portraits wird dazu beitragen müssen, dem Leser eine geeignete
Anschauung von der Sache zu geben, und es soll darum alsbald zur Beschreibung
des Skelettes übergegangen werden.
b. Das Skelett.
Wie es sich schon im Aeussern bemerkbar machte, erscheint auch
der Knochenbau der Buschmänner von sehr typischer Gestalt; da mannigfache
Vermischung nicht in Abrede gestellt werden kann, so darf man
diesen Fall als ein interessantes Beispiel der Constanz der Charaktere bezeichnen,
welches um so auffallender ist, als diese Eingeborenen eine so
grosse geographische Verbreitung zeigen, und der Zusammenhang der
einzelnen Horden ein sehr lockerer ist.
Es wurden bereits die Gründe angeführt, wodurch die Behauptung,
äussere Agentien hätten die Unterschiede hervorgerufen, hinsichtlich der
allgemeinen Entwickelung des Körpers als unhaltbar bezeichnet werden
muss; dies gilt nun in erhöhtem Maasse von den Skelettheilen, wo der
Versuch, die. Eigenthümlichkeiten auf klimatische Einflüsse, Besonderheiten
der Lebensweise und ähnliche Umstände zurückzuführen noch viel gewagter
erscheint. Die Vergleichung ergiebt, dass die unter denselben Lebensbedingungen
• stehenden Ba-kalahari keineswegs die gleichen Merkmale
zeigen, während andererseits die gezähmten Buschmänner, welche unter
halbcivilisirten Verhältnissen aufwachsen, diese Eigenthümlichkeiten nicht
zu verlieren pflegen. Das Letztere ist um so weniger auffallend, als in der
That die Unterschiede keineswegs solche sind, welche man auf Rechnung
des Ve rk ommen e eines Volksstammes setzen könnte.
Hierbei ist in erster Linie auszuführen, dass die allgemeinen Verhältnisse
der Knochen besonders der männlichen Skelette für die geringe
Totalhöhe nicht sehr gracil sind, wie es sonst als Zeichen der Uncultur
vorzukommen pflegt. Man vergleiche das Becken auf Tafel XLV (zu dem
sehr typischen Schädel auf Taf. XXXV, Fig. 13), dessen zugehöriger Oberschenkel
die unverhältnissmässige Länge von 42.8 CM. hat, und man wird
sich über den robusten Knochenbau wundern müssen. An dem Skelett des
Berliner Museum, obgleich dasselbe einem Manne angehörte, bei dem Vermischung
mit Hottentottenblut wahrscheinlich ist, darf man im Vergleich zur
Körperlänge wenigstens nicht von besonderer Feinheit der Knochen sprechen,
und bei dem Unterschenkel nebst Fuss (Taf. XLVIII, Fig. 3) eines erwachsenen
Buschmannes der westlichen Districte ist die gedrungene Formation
sogar sehr auffallend.
Bei weiblichen Individuen kann man natürlich nicht erwarten, dasselbe
Merkmal zu finden, da der generelle Charakter entgegengesetzt ist, das von
mir ausgegräbene weibliche Skelett (Berl. Mus. No. 22137, das Becken auf
Taf. XLVI, der Schädel Taf. XXXV, Fig. 14) zeigt feine Knochen, aber
immerhin im Verhältniss zu der geringen Totalhöhe von 137 CM. nicht
auffallend gracil; an dem bereits beschriebenen weiblichen Hottentottenskelett
(vergl. pag. 300.), welches wirklich einen verkommenen Charakter
an sich trägt, sind die Knochen bei etwa gleicher Gesammthöhe durchschnittlich
zarter gebildet.
Die sehr auffallende Abweichung der Bildung hei den Buschmännern
im Vergleich mit den übrigen Koi-koin tritt sofort zu Tage, wenn man
typische Schädel mit einander vergleicht. Der enorme Unterschied zwischen
den Figuren auf Tafel XXXV und XXXVI gegenüber denen auf den vorhergehenden
wird jedem Beschauer in die Augen fallen, und die bemerkens—
werthe Uebereinstimmung, welche andererseits die Figuren unter sich zeigen,
lehrt, dass es sich hier nicht um Zufälligkeiten oder lediglich individuelle
Schwankungen, sondern um wirklich typische Bildungen handelt.