Die Nasenflügel sind schmal, ihr Ansatz stark nach aussen gerückt, und
bei aufgestülpter Spitze zeigen sich die Nasenlöcher nach vorn gewendet,
was der ganzen Bildung etwas Thierisches giebt (Taf. XXIIi, Fig. l a).
Stehen die Koi-koin auch hinter den A ■buntu zurück in der Formation
des Riechorgans, so hat der Mund wiederum bei jenen den Vorzug. Die
Lippen sind wohl aufgeworfen, aber doch keineswegs in dem Grade als es
bei diesen Stämmen Regel ist; die Gränzlinien zwischen der Schleimhaut
und der Haut des Gesichtes sind scharf abgesetzt und es zeigt sich an ihnen
häufig eine leichte Einsenkung der ersteren. . Die Umrisse sind mehr geschweift,
besonders was die Oberlippe anlangt, welche den mittleren Ausschnitt
unter der Nasenfurche gewöhnlich deutlich erkennen lässt ; die Unterlippe
ist weniger modellirt und das Ensemble des Mundes daher auch hier kein
schönes zu nennen, obgleich man zugeben muss, dass der Schnitt desselben
von dem europäischer Stämme durchschnittlich viel weniger abweicht als der
bei den A-bantu. Daher kommt es, dass in den Fällen, wo die Formen zarter
werden, wie beim weiblichen Geschlecht oder bei Vermischung mit weissem
Blut, man Bildungen zu sehen bekommt, welche Zwar nicht von klassischer
Schönheit sind, aber doch viel Ansprechendes zeigen. Wenn sieh die vollen,
üppigen Lippen einer jugendlichen Hottentottenschönen zu einem fröhlichen
Lachen öffnen und zwei Reihen von Zähnen zeigen, auf welche jede europäische
Dame stolz sein könnte, so macht dies gewiss auf den Unbefangenen
einen ansprechenden Eindruck. Ist es irgendwo gestattet, Zähne mit-Perlen
zu vergleichen, ohne sich den Vorwurf einer gewagten, ..poetischen Licenz
zuzuziehen, so muss man einen solchen Vergleich bei den genannten Stämmen
für berechtigt halten.
Verfasser hat nie für die häufig enthusiastisch gerühmten Zähne der
dunkel pigmentirten Afrikaner schwärmen können, wenigstens nicht, was
die Schönheit derselben anlangt. Ihre Leistungsfähigkeit in Ehren, das
Aussehen aber erinnert an ein mit grober Hand aus Elfenbein geschnitztes
Gebiss und gewiss nicht an Perlen. Der Charakter der Zähne bei den
Koi-koin ist dagegen ein ganz anderer; anstatt der plumpen, weissen,
aber wenig glänzenden Kauwerkzeuge des M g ritie r, wo der -häufig die'
anderen überragende Eckzahn eine auffallende Aehnlichkeit mit dem Gebiss
eines jungen Gorilla hervorruft, finden wir bei Ersteren in der Regel kleine,
gleichmässig gebildete Zähne, welche beim weiblichen Geschlecht äusserst
zierlich sein können und nie die unschöne o p a k e W e is s e der erst'beschriebenen
zeigen, sondern perlartigen Glanz und Farbe des an den Kanten
durchscheinenden Schmelzes.
Die Breite des Mundes ist mittelmässig, sie scheint wohl in vielen
Fällen bedeutend zu sein, doch liegt dies in dem Umstand, dass die Nase
im Verhältniss zum Munde und den anderen Dimensionen des Gesichtes zu
kurz ist. Die relative Kürze der Nase ist der hervorstechende Fehler in den
Verhältnissen und derselbe wird um so auffallender, als die Basis des gleichschenkligen
Dreiecks, welches man durch Verbindung der äusseren Augenwinkel
mit der Nasenspitze erhält, abnorm gross ist. ■ ^
Der Grund für die letzterwähnte Eigenthümlichkeit liegt hauptsächlich
in dem . sehr breiten Augenzwischenraum,- welcher bei der geringen Entwickelung
der Nasenbeine zurück zu führen ist auf die starke Verbreiterung
der Nasenfortsätze des Oberkiefers,• ein Punkt, der bei der Beschreibung
der Schädel noch näher zu erörtern sein wird. Der Basiswinkel des oben
bezeichnten Dreiecks beträgt bei den Portraits der Kcn-hmn durchschnittlich
4’2° 4U.-V- während indogermanische Racen einen viel grösseren zeigen ). Die
etwas weiter unten ausführlich besprochene Bildung der Lidspalte wodurc
bei den c o lo n ia l e n H o t t e n t o t t e n häufig der äussere Winkel etwas
höher zu stehen kommt, bewirkt, dass die Durchschnittszahl für diese Gruppe
allein sich sehr hoch stellt; sie beträgt nämlich 45« 30'. Die Korana, bei
denen die Stellung der Augenwinkel meist in entgegengesetztem Sinne verzerrt
'ist, ergeben dagegen 39° 51'. Das hier angeführte Mittel von je
der beiden Abtheilurfgen dürfte also der Wahrheit am nächsten kommen.
Genau diese Zahl, 42° 40', erhalte ich auch/bei dem einzigen Namaqua-
Portrait, welches ich darauf hin zu messen .Gelegenheit hatte.
Die vorragenden, scharf markirten Jochbeine lassen diese E ig en tüm lichkeit
noch viel mehr hervortreten, ebenso wie die schmal geschlitzte,
obgleich keineswegs kurze Augenspalte. Ueber die letztere Bildung ist von
den Autoren aussörordentlich v i e l * Unerwiesenes geredet worden, und die
bisherige Uebereinstimmung ist in diesem'Punkte nicht aufrecht zu erhalten,
da die. falschen oder halbwahren Beobachtungen von anderen wieder zu den
- weitgehendsten Hypothesen ausgebeutet worden sind.
Es handelt sich dabei hauptsächlich um die behauptete tiefere Stellung
des inneren Augenwinkels, wodurch sich die Augen der Koi-koin d en
s c h r ä g g e s c h l i t z t e n der C h in e s e n nähern sollten. Das Zusammentreffen
dieses Merkmales und der fahlen, gelbbraunen Hautfarbe, sowie
einiger anderen künstlich hervor gesuchten von untergeordneter Wichtigkeit
machte eä einer Reihe von Autoren wahrscheinlich, dass beide Volker zu
sammengehörten, obgleich 100 Gründe gegen eine solche Vereinigung anzuführen
wären. So spricht der im Allgemeinen zuverlässige S t a r rm a n n )
von der eben behandelten Abtheilung der Koi-koin ohne Weiteres als von
» c h i n e s i s c h e n Hottentotten«, Ba r r o w , - sonst, wie erwähnt, ein Kenner der
hier in Frage kommenden Eigentümlichkeiten, wird in diesem Punkte, da
orthodoxe Tendenzen in’« Spiel kommen, ebenfalls schwach, indem er sich
folgendermaßen ausdrückt: »Die Augen der Hottentotten sind von dunkel
- 0 Es betrug z B. an einigen darauf hin gemessenen indogermanischen Portraits. in
Schadow’s Polyklet 45»— 50«, bei vom Verfasser in Aden angenommenen Arabern durchschnittlich
460 50'.
2) Sparrmann a. a. O. pag. 213. .