Bei Gelegenheit der Erwähnung von Obiqua in den Records ereignet
sich übrigens der für L i c h t e n s t e i n ’s Auslegung des Wortes »Bosjesman«
als »Strauchdieb« unglückliche Zufall, dass die richtigen holländischen Ausdrücke
für dieses Wort nämlich: Boslooper oder Bosstrooper1) direct angeführt
werden, was seine so schon zweifelhafte Deutung noch unhaltbarer
macht.
Ich glaube übrigens durch die angeführten Thatsachen, welche ich,
ohne allzusehr in das Gebiet der Geschichte überzugreifen, an dieser Stelle
nicht näher ausführen kann, hinlänglich bewiesen zu haben, dass die Buschmänner
zur Zeit der Gründung der Colonie als ein besonderer von den
Hottentotten scharf geschiedener Yolksstamm m den meisten- Theileii der
Colonie bereits existirten und sich bis in die unmittelbare Nachbarschaft des
Cap verbreitet hatten.
Auch von den Eingeborenen wurden sie als ein ganz besonderer Stamm
betrachtet, der tief unter ihnen stand,. und den man mit verschiedenen
Namen belegte. Wie die Hottentotten dieselben Soaqua, Sonqua oder Souqua
nannten, wurden sie nach L i c h t e n s t e i n Saab im ATora-Dialect, Saab (Masc.
sing.) und Saan (Com. plur.) nach K n u d s e n im Nama- Dialect genannt.
Im Kafir heissen sie: Ba-tua (2 pl .), im Se-suto B a -ro a , im Se-chuana
sollen sie nach L i c h t e n s t e i n a ls : Ma-kantu (6 pl.) bezeichnet werden, doch
ist im Norden wenigstens vielleicht wegen der den Ba-sulo stammverwandten
Makololo der Ausdruck Ba-roa oder Ba-saroa auch im Gebrauch.
lieber die einstige oder selbst über die heutige Volkszahl der Buschmänner
ist Nichts mit Sicherheit festzustellen und nur eine ganz allgemeine,
unsichere Schätzung möglich. Die eigenthümliche Lebensweise, der versteckte
Aufenthalt und das beständige Umherziehen derselben musste unter
allen Umständen eine irgend wie genauere Zählung unthunlich machen; es
bleibt somit als einziger Anhalt einer Schätzung fast allein die Anzahl der
bei den grösseren Coinmandos Erschlagenen und Gefangenen übrig. Da
der Krieg gegen diese Stämme als Vernichtungskrieg geführt wurde, wobei
die Frauen wohl zuweilen!, gewöhnlich aber nur die Kinder geschont wurden,
so ergeben die Rapporte der operirenden Corps doch einigen Anhalt
über die Stärke des Feindes. Ich glaube, man kann annehmen, dass auch
in den Fällen, wo die Buschmänner unglücklich genug waren, sich in ihren
Verstecken überraschen zu lassen , wegen der geringen Concentrirung, die
sie stets beobachteten, nur ein Theil der Banden den Feinden zum Opfer
fiel, und dass diejenigen, welche sich beim ersten Alarm in andere Gegenden
flüchteten, welche in ihren Verstecken unentdeckt blieben, oder durch irgend
einen Zufall gerettet wurden, wohl eben so viel betrugen als diejenigen,
welche in die Hände ihrer Verfolger fielen.
Wenn also in einer Gegend wie im Roggeveld, Zak-Rivier- und
Sneeuwberg-District bei einem grossen Commando (1774) über 500 aufgehoben
wurden, müssten in diesen Gegenden wohl über 1000 vorhanden
gewesen sein. Wenn eine Reihe von Jahren darauf im östlichen Theil der
Colonie durch die Vereinigung von Farmern gegen die Buschmänner in ein
paar Jahren, wie C o l . C o l l in s 1) erzählt, über 3000 vernichtet wurden, so
dürfte die Bevölkerung vor der Verfolgung ungefähr 6000 gewesen sein.
Zählt man hierzu die durch keine allgemeinen Züge gegen die Buschmänner
heimgesuchten öden Gegenden am Orange - Fluss, wo selbst diese Eingeborenen
nur sehr vereinzelt leben, sowie andere in die oben genannten
.Gebiete nicht mit eingeschlossenen Gebiete als e in, starkes Dritttheil des
Ganzen, so erhält man eine Buschmannbevölkerung der Co l o n i e von
10000 Seelen, bevor die A u s r o t t u n g begann.
Weniger durften es damals wohl nicht gewesen sein, aber anderer^
seits wieder auch nicht sehr viel mehr, und ich glaube verbürgen zu können,
die Zahl habe 15000 sicher nicht überschritten. Sie machten sich zu bemerkbar
durch den Schaden, welchen sie den Heerden zufügten, als dass eine
wesentlich grössere Menge auch nur so lange neben den Colonisten hätte
existiren können.
Die heutigen. Buschmänner reduciren sich in der Colonie auf einzelne
Individuen oder Familien, die als sogenannte: makke Bosjesmannen2) auf
den Höfen menschenfreundlicher Farmer vor der Vernichtung bewahrt oder
durch die Missionäre vor dem Untergang geschützt wurden; ähnlich ist das
Verhältniss im Oranje-Frystaat und in der Transvaalrepublik; doch birgt
hier die Kwathlamba- Kette sowie andere felsige, unzugängliche Oerter noch
vereinzelte, unabhängige Individuen, die der Oede ihres Aufenthaltes wie
der Unzugänglichkeit ihrer Schlupfwinkel eine zweifelhafte Sicherheit verdanken.
In dem Griqua - , ' Namaqua - und Be-chuana-Lan&e bis hinauf zum
See Ngami finden sich hier und da kleine, wandernde Trupps, zeitweise
in Unterthänigkeit der benachbarten Häuptlinge, zeitweise in völliger Unabhängigkeit.
Denn hier ist die Kalahari-Wüste nahe, ein Terrain, welches
ihnen mit Erfolg noch von keinem Stamm hat streitig gemacht werden
können: d a s l e t z t e As y l der F r e ih e i t für den v e r t r i e b e n e n
U r e inwo h n e r Sü d -Af r ik a ’s.
Nördlich von dieser Wüste treten die Buschmänner wieder verhältniss-
mässig zahlreicher auf, als integrirender Bestandtheil der Bevölkerung vom
O va-Jierero- und Owambo - Land, immer noch in allen wesentlichen Zügen
physisch wie psychisch unverkennbar derselbe Stamm, wenn auch bedeutende
locale Abänderungen zu Tage treten.
i) Report upon the Relations between the Cape Colonists and the Kafirs and Bushmen
i n 1808—9 b y C o l . C o l l in s .
2) Gezähmte Buschmänner.